Alles ist möglich!

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Egal, wo du herkommst, du kannst es schaffen, sagte Julia Krajewski, nachdem sie als erste Frau Vielseitigkeits-Olympiasiegerin geworden war. Worte an die nächste Reitergeneration. Aber nicht erst im 21. Jahrhundert haben Reiterinnen gezeigt, dass kein Lorbeer zu hoch hängt, wenn sie genügend Biss haben.

Sie war die erste Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit, und Julia Krajewski nutzte die Gunst der Stunde, in der die Reiterwelt ihr zuhörte. Es passe in die Zeit, sagte sie, dass eine Frau in einem gemischten Feld in der Vielseitigkeit olympisches Gold gewinnt. Europa- und Weltmeisterinnen gab es ja schon früher, aber den größten Erfolg, eine olympische Goldmedaille, bis dahin noch nie.

So eine Medaille bringt den Frauen mehr als eine Million Gendersternchen und andere Verrenkungen, dass sage ich jetzt mal politisch ganz unkorrekt.

Und dann kam der Satz von Julia Krajewski, der vielen jungen Leuten den Weg weist in diesem Sport: „Egal, wo du herkommst, egal, welches Geschlecht du hast, du kannst es schaffen.“ Wenn alles andere stimmt: das Talent, der Ehrgeiz, die Fokussierung auf das Ziel, das richtige Pferd im richtigen Moment und ein bisschen Glück. Wenn man aus einem Haushalt kommt, in dem nicht gespart werden muss, ist es natürlich etwas leichter.

Frauen im Sattel haben nicht erst seit den modernen olympischen Spielen ihre Zeitgenossen zum Staunen gebracht. Es gab schon berühmte Reiterinnen, als die Welt noch keine Turniere nach heutigem Muster kannte, als auch Mädchen reiten lernten, weil man sich so am besten fortbewegen konnte, außer man saß in einer Kutsche. Die Reiterinnen früherer Zeiten stammten meist aus der Oberschicht und bewegten sich dort oft jenseits der Norm dessen, was als schicklich galt.

Von den Amazonen bis Lady Salisbury

Man kann beim Volk der Amazonen anfangen, die sich zu Pferde in den trojanischen Krieg stürzten. Sie hatten sich eine Brust abgeschnitten, weil sie der Armbrust im Wege war, erzählt die griechische Sage. Ich finde, das ging ein bisschen weit, aber weiß noch, wie ich als Teenager jedesmal schlucken musste, wenn ich las, dass die Amzonenkönigin Penthesilea in den Armen von Achill ihr Leben aushauchte, nachdem er ihr einen Pfeil durch die noch vorhandene Brust geschossen hatte.

Auch in späteren Jahrhunderten gab es immer wieder Pferdefrauen, die den Sattel jedem Damastsessel vorzogen und einen frischen Galopp jedem zierlich-manierlichen Menuett. Neulich stieß ich in der englischen Pferdezeitschrift Horse & Hound auf die Geschichte der Marquioness von Salisbury. Eine Pferdefrau durch und durch, geboren im Jahr 1750, gründete die 25-Jährige als erste Frau eine eigene Foxhound-Meute, der sie ausgehend von ihrem Landsitz Hatfield House im Damensattel, mit wehendem Rock und flottem Hut folgte. Hatfield House, 50 Kilometer von London entfernt, ist in Wahrheit natürlich kein „Haus“, sondern ein veritables Schloss, das auch heute noch von den Nachfahren der Marchioness bewohnt wird. Bis zu ihrem 70. Lebensjahr war Lady Salisbury „Master of Hounds“, also Chefin der Meute, ein Amt, das auch heute noch von nur wenigen Frauen in Großbritannien und Irland ausgeübt wird. Schließlich ging es zumindest damals über Stock und Stein, Hecken, Wälle, Gräben und Koppelzäune, um dem Fuchs zu folgen.

Die Querfeldeinstrecken für die Fuchsjagd standen Pate bei der Erfindung des Cross Country in England. Der befreundete Adel kam zu Besuch, auch der Duke of Wellington und es geht die Mär, dass er bei der berühmten Schlacht in Waterloo den Frack der Hatfield Hounds getragen habe. Wenn es stimmt, hat er ihm jedenfalls Glück gebracht.

Lady Salisbury galt als exzentrisch und mondän. Sie war großzügig und zeigte gerne, was sie hatte. Ebenso wie das Reiten liebte sie das Fahren, saß natürlich selbst auf dem Bock und kutschierte ihren Vierspänner, bestehend aus vier perfekt zusammen passenden Pferden, selbst durch die Gegend. Sie ließ sich von livrierten Dienern begleiten, einer trug einen Samtbeutel voller Goldstücke, von denen sie jedem eins zuwarf, der aussah, als habe er es verdient.

Sie soll sich einer robusten Sprache bedient haben und brauchte wenig Schlaf. Sie stand in aller Herrgottsfrühe auf, um den Großteil des Tages im Sattel zu verbringen. Und abends wurde natürlich Party gemacht oder Karten gespielt bis in den frühen Morgen. Als der Bischof einmal ihren unchristlichen Lebenswandel tadelte, ließ sie ihm eine Einladung schicken, weil ihm ja offensichtlich langweilig war. Sie weigerte sich zu akzeptieren, dass auch sie älter wurde und ließ sich in späteren Jahren auf ihrem Pferd festschnallen, um bei der Jagd nicht herunterzufallen. Sogar als sie erblindet war, ritt sie weiter. Ihr Groom musste neben ihr reiten und vor jedem Sprung rufen: „Jump, damn you Milady jump!“

Auch das Ende von Lady Salisbury 1835 war dramatisch: Sie hatte eine Kerze umgestoßen, ein Feuer brach aus und sie konnte sich, da sie ja blind war, nicht aus dem brennenden Schloss retten. Bis zu diesem tragischen Moment hatte sie ein Reiterleben genossen, wie es nur wenigen ihrer Zeitgenossinnen vergönnt war. Sie war gewiss keine Frauenrechtlerin im heutigen Sinne, aber eine der Frauen, die schon früh zeigten, dass sie im Sattel den Männern ebenbürtig sind. Mindestens.

 

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Helmold Baron von Plessen

    Welch wunderbarer Blog. Das so herrlich anschaulich geschilderte Reiterleben der Lady Salisbury, gibt dem betagten Leser, egal welchen Geschlechts, der mittlerweile auch mit allerhand Blechschaeden behaftet ist, ungeheuren Auftrieb. Danke verehrte Frau Pochhammer


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