Der einzigartige und unvergängliche Charme des Deutschen Spring-Derbys

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Ludger Beerbaum, Marcus Ehning oder auch der aktuelle Weltranglisten-Erste Harrie Smolders – die Stars des Springsports fehlen meistens auf den Startlisten des Deutschen Spring-Derbys in Hamburg. Und doch pilgern Jahr für Jahr Zehntausende nach Hamburg, um dieses Springen live zu sehen. Gabriele Pochhammer über das Derby im Allgemeinen und die Edition 2018 mit der großartigen Sandra Auffarth im Besonderen.

Der Zauber des Hamburger Spring-Derbys ist ungebrochen. Er zog auch in diesem Jahr wieder die Menschenmengen in seinen Bann, die auf den Tribünen und die Kopf an Kopf auf den Stehplätzen. Trotz des Hafengeburtstags, trotz schicksalsschweren Fußballspiels, in dem sich der HSV aus der Bundesliga verabschiedete, waren die Menschen nach Klein-Flottbek gepilgert. Pferdesport kann faszinieren, und dazu braucht es keine Top-Ten-Reiter aus der Weltrangliste und auch keine sechsstelligen Gewinngelder. Die interessieren ohnehin nur diejenigen, die sie verdienen und nicht die, die ihnen dabei zuschauen. Wobei natürlich eine Serie wie die Global Champions Tour den Veranstaltern hilft, ein Turnier dieser Machart zu finanzieren.

Der Evergreen unter den Springturnieren

Was ist der Reiz am Derby, diesem Dinosaurier unter den Springprüfungen? Es ist anders und es ist unvergänglich. Die Linienführung von erhabener Schlichtheit, dreimal rechts herum, dreimal links herum, die Hindernisse in gedeckten Farben, Braun, Grau, Dunkelrot mit einigen schneeweißen Hinguckern, wie der berüchtigten Planke hinter dem Wall. Hindernisse, die der Schöpfer des Kurses, Eduard Pulvermann, der holsteinischen Landschaft entlehnt hat, die natürlich heute auch nicht mehr so aussieht.

Wer ins Ziel kommt, ist ein Held

Wer hier mit einem guten Ergebnis nach Hause kommt, und das kann auch mit 16 Fehlern noch ordentlich sein, wird bejubelt und er weiß, dass er eine Leistung erbracht hat, die vergleichbar ist mit der seiner reiterlichen Altvorderen, die sich fast hundert Jahren zuvor abmühten. Quasi eine ewige Messlatte. Auch wenn einiges verändert wurde, sehr deutlich die beiden irischen Wälle rechts und links vom Einritt, die früher etwa doppelt so hoch waren, aber den heutigen Pferden so fremd, dass es immer wieder zu unschönen Bildern kam. Andere Sprünge wurden diskret erhöht. Geblieben ist die Tatsache, dass es so wenige Null-Fehlerritte gab, dass sie seit 1920 gezählt werden. 155, 156, 157 waren es in diesem Jahr. Es dauerte 15 Jahre bis der erste Nuller gelang.

Jahrhundertritte

Die Topreiter haben ihre Gründe, warum sie das Derby inzwischen lieber vor dem Fernseher anschauen, als in den Sattel zu steigen. Da ist einmal die besondere Vorbereitung, die der Kurs erfordert. Wer die Pferde zum ersten Mal mit den Derby-Klippen konfrontiert, hat keine Chance und längst nicht jedes Pferd ist mutig genug, sich etwa am Großen Wall vier Meter in die Tiefe zu stürzen. Dort oben ohnmächtig zu verhungern, weil das Pferd abwinkt, ist für einen Reiter auch nicht komisch. Das passiert jedes Mal wieder, auch diesmal gleich mehrfach. Immerhin ein schöner Beweis, dass Springsport nur klappt, wenn beide wollen. Die Abstinenz vieler Spitzenreiter hat das Feld für Reiter der zweiten Reihe geöffnet. Das werden in jedem Jahr mehr, und einige überschätzen ihre Fähigkeiten deutlich. Aber dann gibt es wieder die Jahrhundertritte, wie in diesem Jahr der Brite Matthew Sampson, der mit Gloria geradezu zum Sieg stürmte. Wer wagt, gewinnt!

Die unglaubliche Sandra Auffarth

Ganz anders Sandra Auffarth. Die amtierende Weltmeisterin der Vielseitigkeitsreiter, die im September in USA ihren Titel von 2014 verteidigen will, dreifache Olympiamedaillengewinnerin, war nicht nur die höchst dekorierte Reiterin des diesjährigen Starterfeldes. Die Dritte war die heimliche Heldin dieses Derbys. Wer sie mit La Vista in den beiden Qualifikationen sah, jedesmal fehlerlos in moderater Zeit, wusste: Die hat einen Plan. Auch für die hochbegabte Lordanos-Tochter war das Derby eine Premiere, da galt es, erst mal Vertrauen zu schaffen. Das Pferd in allen Parcours stets sicher an den Hilfen, mit dezidierter Einwirkung, ruhigem Bein und sicherem Auge von Sprung zu Sprung geritten – lehrfilmreif, das wusste auch das Publikum zu schätzen, das im Derby jeden gelungenen Sprung mit Beifall quittierte und schließlich, bei den beiden Fehlern an den Eisenbahnschranken, die den Sieg kosteten, tausendfach aufstöhnte. Als Buschreiterin hat Sandra Auffarth in schlimmere Schluchten geguckt als vom Derbywall herunter, breitere Gräben genommen und gewaltigere Hecken überwunden, sie konnte nichts schrecken. Eduard Pulvermann, der ja selbst am nach ihm benannten Sprung (Pulvermanns Grab) den Rasen küsste, hätte neidvoll zugeschaut und zugleich seine Freude gehabt. So kann Derby Reiten aussehen und da kommt einem doch wieder das Credo des verstorbenen Paul Stecken in Erinnerung: „Gutes Reiten reicht.“ Klingt natürlich einfacher als es ist.

Horsemanship?

Da war es schade, dass ein Reiter für den trüben Fleck auf diesem sonnigen Derbytag sorgte, Philipp Schulze, dessen Pferd Catapult sich relativ am Anfang des Parcours, am Wall verletzte, und den Kurs mit vielen Fehlern beendete. Deutlich war selbst im Galopp zu erkennen, dass das Pferd nicht in Ordnung war, die Richter unternahmen nichts. Auch nicht als der Reiter schließlich durchparierte und noch hundert Meter auf seinem stocklahmen Pferd aus dem Ring ritt, sich erst am Ausgang bequemte, abzusitzen. Jeder andere wäre sofort aus dem Sattel gesprungen. Es fand sich leider niemand, der den Kerl vom Pferd holte. Horsemanship? Wie schreibt man das? Am nächsten Tag zeigten Bilder auf Facebook, wo Catapult auf der Weide grast (SG-online berichtete). Entschuldigung? Fehlanzeige. Sorry, Catapult, dass niemand Dir zu Hilfe kam!air jordan 1 mid outlet | nike factory outlet foley al

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Petra S.

    Jahrhundertritt vom Sieger Matthew Sampson ? Der hat seinem Pferd Gloria im Normalparcours ununterbrochen brutal im Maul gerissen. Von Feinfühligkeit keine Spur. Das war eine Schande.

  2. Sigrid Seitz-Kothmann

    Ja, sehr traurig, denn schon unmittelbar nach dem Fehler sah man die Beeinträchtigung des Pferdes, die fortbestand und zu zahlreichen weiteren Fehlern führte. Das Geplapper des Fernsehkommentators über den ‚Leistungseinbruch‘ des Pferdes war ziemlich unerträglich! Pferd und Reiter unter Adrenalin, aber die Richter hätten reagieren müssen! Dass dies nicht erfolgte, bedarf der Erklärung!

  3. Edda Fengler

    Ja, der Mannschaftstierarzt hätte keine Starterlaubniss für den 2. Umlauf geben dürfen ! Stattdessen hat er direkt vor dem 2. Umlauf eine schwachsinnige Stretchübung am rechten Vorderbein gemacht. Dieses Paar hätte auf keinen Fall in den 2. Umlauf geschickt werden dürfen. Das war fahrlässig und hatte für beide schwerwiegende Folgen.


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