Der Fall Andrew Kocher – Die Stunde der Whistle Blower

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Die Anzeige gegen den US-amerikanischen Springreiter Andrew Kocher wegen der Ausrüstung mit Elektrosporen ging anonym beim Weltreiterverband FEI ein, der für solche Fälle eine eigene Abteilung, die Equestrian Community Integrity Unit (ECIU), eingerichtet hat. Mehrfach wurde sie in den vergangenen Jahren eingeschaltet.

Der US-amerikanische Springreiter Andrew Kocher hat seine vom Weltreiterverband verhängte Zehnjahressperre nicht akzeptiert. Wie eine FEI-Sprecherin auf meine Nachfrage mitteilte, hat er angekündigt, den Sportgerichtshof CAS anzurufen (Court of Arbitration of the Sport).

Die FEI sah es als erwiesen an, dass sich Kocher auf acht Turnieren zwischen Herbst 2018 und Frühjahr 2019 bei mehreren Pferden während des Parcours mit elektrischen Sporen ausgestattet hat (SG-online berichtete). Wegen des schwebenden Verfahrens gibt es derzeit keine weiteren Informationen der FEI. Die Veröffentlichung auf der FEI-Seite beschränkt sich auf den technischen Ablauf des Verfahrens, erlaubt keinen weiteren Einblick in die Details, wie bei abgeschlossenen juristischen Fällen üblich.

Es geht also weiter, und angesichts der Freisprüche, mit denen der CAS in den letzten Wochen die FEI in Verlegenheit gebracht hat, schwindet die Hoffnung, dass ein Reiter zur Rechenschaft gezogen wird, der – darauf deutet jedenfalls vieles hin – sein Pferd mit tierquälerischen Methoden über die Sprünge hat fliegen lassen.

Verräterisches Kabel

Die Vorwürfe stammen aus den Jahren 2018/2019, die Mühlen von FEI und CAS mahlen bekanntlich langsamer als die vom lieben Gott, aber das wissen wir ja schon.

Anders als bei den meisten Doping- und Medikationsfällen, bei denen nüchterne Laborwerte die Täter überführen, war es hier ein anonymer Informant, der sich an das französische Online Magazin Grand Prix Replay wandte, ein so genannter Whistle Blower. Die Redaktion erhielt Fotos, auf denen zu erkennen ist, dass aus dem Handschuh des Reiters ein kleines schwarzes Gerät guckt, von dem aus ein Draht in den Ärmel führt, und von da, so wird jedenfalls angenommen, durch die Reithose, die unter dem Knie eine kleine Erhebung aufweist, und die Stiefel zum Sporen.

Die Fotos wurden von Sportfotografen bei acht verschiedenen Turnieren, darunter beim Nationenpreis-Finale in Barcelona 2018 und beim CSIO Calgary 2018, aufgenommen. Also nicht von jemandem, der dem Reiter Böses will, so wie es der 37-jährige Kocher selbst darstellt.

Allerdings finde ich, dass man schon sehr genau hingucken muss, um auf den Fotos etwas zu erkennen. Eindeutig ist jedenfalls das dünne Kabel, das von der Hand in den Hemdsärmel führt. Ob das dem CAS als Beweis reicht, bleibt abzuwarten.

Der FEI reichte es jedenfalls für die hohe Strafe, die in so einem Fall angemessen ist. Der Weltreiterverband wurde nicht durch Recherchen des eigenen Bodenpersonals auf den Fall aufmerksam sondern durch eine Anzeige bei der Equestrian Community Integrity Unit (ECIU), an die sich der anonyme Whistle Blower als erstes gewandt hatte.

Auch Zuschauer können der FEI melden

Die ECIU wurde 2009 ins Leben gerufen, auf Anraten von Lord Stevens, einem pensionierten Chef von Scotland Yard, der von der damaligen FEI-Präsidentin Prinzessin Haya ins Boot geholt wurde, um Licht ins Dunkel der Doping- und Medikationsfälle rund um die Olympischen Spiele in Hongkong 2008 zu bringen. Stevens war unter anderem in die Ermittlungen um den Unfalltod von Prinzessin Diana beteiligt gewesen.

Gemäß den Statuten hat die ECIU die Aufgabe, den „sauberen Sport“ zu schützen, nicht nur im Sinne von Anti-Doping und verbotener Medikation, sondern auch in anderen Fällen wie unerlaubte Wetten, Korruption oder sexueller Belästigung.

Alle am Sport Beteiligten unterliegen der Beobachtung durch die ECIU, auch die Zentrale in Lausanne und alle Ehrenamtler. Die ECIU ist zwar der FEI angeschlossen, arbeitet aber davon unabhängig, so die offizielle Formulierung.

Nicht nur die Pferdesportgemeinschaft kann sich an die ECIU wenden, auch Medienvertreter oder Zuschauer können, wenn sie wollen anonym, ihre Anliegen vorbringen (Tel.: 0044 207935 5822, E-Mail: [email protected]). Auf Wunsch werden die Aussagen vertraulich behandelt. Auch Fotos und Videobeweise reichen aus; man muss nicht vor Ort gewesen sein, um einen Missstand anzuzeigen. Der CAS hat vor nicht allzu langer Zeit ausdrücklich das Recht der Zuschauer bekräftigt, in Fällen von Tierquälerei tätig zu werden.

Sieben unbeteiligte Zuschauer haben bisher von der ECIU Gebrauch gemacht, die erste im Februar 2014 war unsere britische Kollegin Pippa Cuckson, die Pferdemissbrauch im Distanzreiten bei der FEI anzeigte, sie gewann diesen und zwei weitere Proteste.

Zum ersten Mal Elektroschocks

Zwischen 2018 und 2020 wurde die ECIU diverse Male eingeschaltet, in acht Fällen ging es um Tierschutzfragen, in 13 Fällen um Fehlverhalten, in vier Fällen um Doping, in sieben Fällen um Regelverletzungen. Zum ersten Mal hatte sich das FEI-Tribunal im Fall Kocher mit Elektroschocks zu befassen. Die Frage ist, ob der (vermutlich schwer nachweisbare) Einsatz oder nur die Möglichkeit des Einsatzes geahndet werden muss.

Übrigens sieht das FEI Endurance Reglement vor, dass jeder der eine Tierquälerei, ein Vergehen gegen das Wohl des Pferdes beobachtet, dies unverzüglich der FEI melden muss. Bereits das Nicht-Anzeigen von Pferdequälerei gilt als strafbares Vergehen. Nachzulesen im FEI Endurance Reglement §801.4. Warum, so fragt man sich, gilt dieser Paragraph bisher nur fürs Distanzreiten?Nike Jordan Jumpman hoodie in grey – release dates & sneakers., Jordans – Yeezys, Urlfreeze News | michael kors outlet in wisconsin

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.