Fazit zu Badminton 2023: Versuch und Irrtum, ein offenbar Unbelehrbarer und mehr

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Badminton 2023 ist Geschichte. Gabriele Pochhammer blickt zurück auf das Wochenende.

Wie immer bei großen Events muss man am Ende sehen, dass man schnell wegkommt, damit man nicht versehentlich im Müll landet, wenn das große Aufräumen beginnt. Kaum hatte die Kaffeemaschine endgültig ihren Geist aufgegeben, kaum hatte der letzte trockene Keks einen Abnehmer gefunden, was den matschigen Sandwiches nicht gelang, war im Pressezelt von Badminton das große Tischerücken und Fernseher-Abbauen angesagt. Nun sind wir ja auch nicht wegen des Essens nach England gekommen, das wie immer zu süß, zu salzig, zu fettig und meist alles zusammen war, und nicht frei von Überraschungen, wie Hühnchenfleisch aus Pflanzen. (Habe ich aber nicht probiert).

Es schüttete am Montag, dem Tag des Abschlussspringens, seit dem frühen Morgen wie aus Eimern. Knöcheltief und gut gelaunt wateten die Zuschauer dicht an dicht durch den Matsch. Wer Glück hatte, erwischte ein Seil oder ein Absperrungsgitter zum Anklammern, was die Chance erhöhte, nicht im Dreck zu landen. Wer keine Gummistiefel anhatte, war selbst schuld.

Alle Hunde trugen Regendecken, kariert, gepunktet oder mit Leo-Print. Mehr als 30 mir bekannte Rassen habe ich gezählt, plus ungezählte Produkte illegaler caniner Liebesbeziehungen. Gefühlt kamen auf jeden menschlichen Besucher zwei Hunde.

Unter den Zuschauern vom Kontinent war auch eine FN-Reisegruppe. Als der Bus den kleinen Ort Tetbury passierte, wurde er von der Polizei angehalten. Eine Kolonne von drei Limousinen musste vorbeigelassen werden. Und wer saß in der ersten? Kein anderer als King Charles III. auf dem Weg zu seinem Landsitz Highgrove. Kann man ja verstehen, dass er mal im heimischen Drawing Room die Beine hochlegen wollte, bevor der royale Alltag wieder über ihn hereinbricht. Die Aufregung im Bus soll enorm gewesen sein.

Erbarmen kannte der Wettergott auch nicht bei der Siegerehrung. Während die Reiter immerhin noch ihre Helme aufhatten, stand der arme Duke of Beaufort, der Hausherr von Badminton, eine silberhaariger Hüne von geschätzt zwei Metern, kerzengerade und barhäuptig auf dem Rasen, bis auch der letzte Handschlag getätigt war. Das nenne ich Contenance. Dann ließ sich His Grace noch im Pressezelt auf ein Glas Champagner mit den drei Podiumsreitern Rosalind Canter, Oliver Townend und Austin O’Connor blicken, bevor er in Richtung Badminton House entschwand. House – eine grandiose Untertreibung. Kontinentale Herzöge würden sowas Schloss nennen. Ich nehme an, der Butler hatte das heiße Badewasser schon eingelassen. Da kommt Neid auf!

Sportliches Fazit

Zurück zum Sport. Was war das für ein Badminton? Wie so oft eines mit mehreren Gesichtern. Da gab es die tollen Ritte, die das Herz höher schlagen ließen. Man hat ja immer seine Lieblinge, die nicht unbedingt auf dem Podium sein müssen. Für mich war es eindeutig die Grafenstolz-Tochter Grafennacht von William Fox-Pitt. Bis auf einen kleinen Angstmoment am Eulenloch zog sie mit gespitzten Ohren ihre Runde in federleichtem Galopp ohne jegliche Ermüdungserscheinungen, perfekt unterstützt von ihrem routinierten Reiter. Ein herrliches Pferdchen, wobei ja alle Pferde unter dem 54jährigen Sitzriesen winzig zu sein scheinen, so wie alle Pferde unter Ros Canter enorm groß aussehen.

Eigentlich wollte Fox-Pitt nicht reiten, wegen Wetter und Boden, aber dann hat sein Sohn zu ihm gesagt: „Jetzt biste schon mal hier, da kannste auch reiten. Was willste sonst den ganzen Tag machen?“ Platz 14 war in diesem Jahr eine schöne Ausbeute der Fünf-Sterne-Premiere. Drei Abwürfe, es waren auch schon mal mehr, trübten das Bild der Stute dann doch ein wenig.,

Der Trakehner Grafenstolz, einst von Michi Jung international durch den Busch gesteuert, ist der Hengst der Stunde. Allerdings hat keiner seiner fünf Nachkommen, die in Badminton an den Start gingen, darunter der Sieger Graffalo, ein Trakehner Papier und da fragt man sich doch, warum das so ist. Dass er in England aufgestellt ist, kann nicht der einzige Grund sein, Samen wird ja heutzutage auch über den Kanal geschickt, trotz Brexit.

Schade war es für Anna-Katharina Vogel, dass ihr Abenteuer-Urlaub ein frühes Ende an Sprung 16 nahm. Pfeilschnell war sie aus der Startbox geschossen, vielleicht in diesem Jahr nicht ganz die richtige Taktik, und wenn man nicht passend zu den Sprüngen kam, mussten die Pferde kräftezehrende Extra-Anstrengungen unternehmen, um rüber zu kommen. Schon vor dem Sturz an dem sehr breiten „Hundezwinger“ hatte es ein paarmal gehakt. Aber Routine bekommt man ja nicht, wenn man es nicht mal versucht. Und, wie sie mir sagte, gehe es Quintana gut, ihr auch. Und das ist ja erstmal das Wichtigste.

Anna-Katharina Vogel sagte: „Quintana hat sehr für mich gekämpft und den größten Teil der schweren Komplexe super gelöst. Leider war das Wetter und der Boden gegen uns. Es war ein harter Kampf in dem sehr weichen Boden, der doch ziemlich tief wurde. Es war für alle ein Kampf. Es gibt bessere Bedingungen für das erste Mal Badminton. Dafür sind wir um einiges an Erfahrung reicher.“

Dass sie von Anfang an ein ordentliches Tempo drauf hat, hat seinen Grund: „Sie ist ein kleines Pferd mit einem kleinen Galopp, das eine gewisse Grundgeschwindigkeit braucht im Gegensatz zu den Galoppiermaschinen. Sonst wird es für sie noch anstrengender am Sprung. Durch den kleinen Galopp kann sie auch mal einen Galoppsprung mehr einbauen, als die anderen, ohne dass es deswegen hakt. Sie war zeitlich nicht schneller und die falsche Taktik war das auch nicht.“

Oliver Townend

Dann muss man noch ein Wort über Oliver Townend verlieren, dem sein zweiter Platz gegönnt sei, – aber was er sich mit seinem ersten Pferd Swallow Springs geleistet hat, geht gar nicht. Das Pferd war so müde, dass es selbst den Zuschauern auffiel, die „Stop him“ („Haltet ihn an“) riefen. Als der Steward schließlich der Sache ein Ende machte, war Ohrenzeugen zufolge die Reaktion des Reiters eher ungnädig. Der Steward machte keine offizielle Meldung, sodass zu der Gelben Karte, die Townend zu Jahresbeginn bekam, keine weitere hinzukam. Solche Vorfälle schaden dem Ansehen des Sports. “Wie soll man jungen Leuten beibringen, dass sowas überhaupt nicht geht, wenn es gar keine Folgen hat?“ sagte ein Insider zu mir.

Auf dem Abreiteplatz traf ich Mark Todd, der zweifache Olympia- und mehrfache Badminton-Sieger hat ja die Fakultät gewechselt, trainiert jetzt Rennpferde und hat gerade letzte Woche wieder einen Sieg eingefahren. Er war bestens drauf und freute sich, wieder in die Szene einzutauchen. Aber das Kapitel Eventing ist für ihn abgeschlossen, alles hat halt seine Zeit. Vor allem das Dressurreiten vermisst er gar nicht. Aber Horsemen von seiner Sorte werden wir immer vermissen.

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Garden Girl

    Hab mir gerade die Dressur von Swallow Springs bei YouTube angeschaut, kann es sein, dass das Pferd auch einfach nicht fit war? Ich finde insbesondere im Trab schnickt er ganz schön mit dem Kopf…

    • Annette

      Ja, das wird wohl so gewesen sein. Und dieser elendige Reiter merkt das nicht oder will es nicht merken und reitet einfach noch durchs Gelände, bis das Pferd fast zusammenbricht. Unmöglich, so jemand gehört gesperrt und das möglichst lange. Durch solche Leute gerät unser wunderbarer Sport immer mehr in Verruf. Und die Besitzer, die das mitmachen, gehören auch gesperrt…

      • Sabine

        Wenn das Pferd bereits in der Dressur „nicht fit war“, hätte es abgeläutet werden müssen. Natürlich trägt der Reiter in erster Linie die Verantwortung, aber auch Besitzer, Trainer, Richter und Stewards sind gefragt. Auch die Vet Checks müssen genutzt weren. Im Springen und in der Vielseitigkeit potenziert sich die Gefahr. Wenn aus Angst vor Nachteilen niemand etwas sagt, wird immer mehr passieren.

  2. Charly

    Das Glück der Pferde sind, die Reiter auf der Erde. Leider gibt es viel zu wenige davon. Warum sind die Pferde nur so dumm und begreifen das nicht.

    • Ellen

      …weil sehr viele dann leider nicht mehr lange leben würden. Insofern könnte man auch eine gehörige Portion Intelligenz unterstellen.

      • Andrea

        In dem Fall würd ich als Pferd lieber stehend sterben, als kniend leben!

        Ich bin auch Turnierreiter und früher Busch geritten.
        Wir schaffen unseren Sport systematisch ab und ich kann die Einstellung der Tierschützer und Nicht-Reiter einfach mehr und mehr verstehen.

        Wie soll ich mich denn da noch erklären und Werbung für den Spitzensport machen?
        Da bekomm ich wirklich s Würgen.

  3. Monika

    Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur falsche Kleidung?!?
    Wie kann so ein verharmlosender Satz über Badminton fallen ? Während geldträchtige Skirennen und sogar medienwirksame, millionenschwere Fußballspiele bei widrigen Boden- und Wetterbedingungen abgesagt werden, offenbaren die Kommentare so mancher Journalisten und Reiter, wie sie zum Pferd stehen. Sie lauten nämlich so:
    „Er hatte einen netten Tag an der frischen Luft“ – soll das angesichts der Verhältnisse Ironie gewesen sein? Denn die Situation war ja diese:
    „Ich habe verzweifelt versucht, noch ein bisschen grünes Gras vor den Sprüngen zu finden“, sagte Oliver Townend, der je ein Pferd morgens und nachmittags ritt. „Egal, welche Spur man sich suchte, es war alles ausgetreten. Bei so einem Boden wird ein Pferd damit fertig oder eben nicht.“ (Zitate aus St. Georg).
    Das Pferd ist hier offensichtlich nicht in erster Linie der Sportpartner, dessen Wohlergehen einem am Herzen liegt, sondern ein Sportgerät, das die Belastung aushält oder eben nicht. Das Pferd erscheint nicht als Lebewesen mit Schmerzempfinden und Gefühlen, sondern als austauschbare Sache.
    Wesentlich eindrucksvoller wäre es gewesen, wenn Reiter aus Rücksicht auf ihr Pferd nicht nur das Zeitlimit als unerreichbar eingestuft hätten, sondern auch auf den Abbruch oder zumindest auf eine extreme Verkürzung der Geländestrecke samt viel weniger Sprüngen gedrängt hätten.
    Dass Mitgefühl für das Lebewesen und seine Belastungsgrenzen weit hinter dem Kommerz zurückbleibt, zeigen ja auch die Geschehnisse in Kentucky, wo sieben Pferde in der Derby-Rennwoche starben, sowie das Springen in Madrid, das dem Sprichwort „Gut Holz“ eine ganz neue Bedeutung gab: Die Umlaufzeit war so knapp bemessen, dass viele der Pferde, gehetzt und rumgerissen, die Stangen rissen. Wer Geschwindigkeit pur sehen will, der soll doch bitte zur Formel eins oder zu Motorbootrennen gehen!
    Pferde als „Gelddruckmaschine“ oder reinen „Untersatz“ zu sehen, ist unsportlich und unmenschlich!

    • Kathrin

      Die englische VS Reiterin Piggy March sagt in ihrem Fazit für Badminton 2023, dass der Streckenbauer Eric Winter im Vorfeld bei einer Geländebesichtigung (für die Zeitschrift Horse and Hound) meinte, bei sehr nassen Bodenverhältnissen wird die Streckenführung gekürzt und u.a. der Abschnitt über Hindernis 14 und das Wasserhindernis 15 wegfallen. Das wären wohl ca. 45 Sekunden bis 1 Minute Ersparnis gewesen. Warum hat man das bei den wirklich nassen Bodenverhältnissen nicht gemacht? Klar, im Nachhinein ist man immer schlauer, aber die Verantwortlichen hatten sich scheinbar im Vorfeld die richtigen Fragen gestellt – nur die Antworten waren nicht ausreichend.

    • Fan

      Man sollte bei all dem nicht übersehen, daß es 25 Reiter und Pferde geschafft haben, den Kurs ohne Hindernisfehler zu beenden, darunter viele, die bis ins Ziel ziemlich frisch wirkten. Keiner ist gezwungen, diesen Kurs zu reiten und es ist auch keine Schande aufzugeben.
      Man kann auch den Hamburg-Marathon so verkürzen, daß JEDER Teilnehmer ausgeruht das Ziel erreicht. Das ist dann sicherlich auch eine schöne Veranstaltung, aber eben kein Marathonlauf.

      • Kathrin

        Für mich hinkt der Vergleich mit einem Marathonlauf – da sind die Bodenverhältnisse in der Regel recht stabil. Wenn ein (Hamburg-)Marathon in dem Park von Badminton House stattgefunden hätte, wäre die Distanz ungleich anstrengender gewesen. Es war so schon mühsam genug, dort zu Fuß von A nach B zu kommen.


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