Fünf! Setzen! Vom Problem des unerwünschten Zahnkontakts

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

In einer Zeit, in der, wie berichtet, der Holsteiner Verband wahrlich andere Sorgen hat, als das korrekte Aushängen einer Stallordnung, schneite der Bericht des Veterinäramtes in Neumünster über die Beobachtungen bei der diesjährigen Hengstkörung in die Elmshorner Zentrale.  Gesamtnote: mangelhaft. Der diensthabende Tierschutzbeauftragte Dr. Alfred Wehr, ein Pferdefachtierarzt mit langjähriger Praxis, bezog jetzt dazu Stellung.

Über das Wirken der Amtstierärzte im allgemeinen und bei den Hengstkörungen in Neumünster im Besonderen wurde an dieser Stelle ja schon berichtet, womit ich mir den Zorn einiger Amtsveterinärinnen zugezogen habe, die sich ganz böse missverstanden fühlten. Die Damen, die vor Ort bei der Körung waren, berichteten  genau, das muss man ihnen lassen. Die Formfehler begannen demnach mit dem Vetcheck. „Die Anlieferung der Pferde erfolgte unkontrolliert in Eigenregie,“ heißt es. Auch fanden sie keine Aufzeichnungen über das Temperaturmessen der Pferde. Dazu muss man sagen: Natürlich sollte ein Pferd erst eingestallt werden, wenn feststeht, dass es keine Anzeichen für eine Infektion gibt. Das sollte spätestens seit den Herpes-Ausbrüchen im vergangenen Frühjahr klar sein. Dass täglich die Temperatur gemessen werden soll, daran erinnerten Schilder im Stall: „Fiebermessen nicht vergessen.“ Sollte eigentlich reichen. Auch war keine Stallordnung ausgehängt, ganz schlimm.

Dann kam der erste relevante Vorwurf: Den Pferden hätte kein Wasser zur freien Verfügung gestanden, Verstoß gegen die Leitlinien Tierschutz im Pferdesport. Albrecht Wehr widerspricht: „Die Pferde wurden mit frischem Trinkwasser aus Eimern versorgt. Das Verbleiben der Eimer in den Boxen wurde von mir untersagt, da durch das Umtreten der Eimer eine Verletzungsgefahr für die Hengste besteht. Es ist gängige Praxis bei allen Turnieren, wo Pferde in aufgestellten Boxen untergebracht  werden, die Eimer zum Tränken vor den Boxen zu positionieren.“ Natürlich muss regelmäßig getränkt werden, aber auch vor der Erfindung der Selbsttränken sind Pferde nicht reihenweise verdurstet. Es kommt halt immer auf den Menschen an, der mit dem Pferd umgeht. Auch sei das Trinkwasser nicht, wie im „Kontrollbericht“ behauptet, mit Stroh verunreinigt gewesen. Dazu Wehr: „Eine Handvoll Stroh – und mehr war in keinem Eimer festzustellen –  ist sinnvoll und soll eine zu schnelle Wasseraufnahme verhindern.“ Wer Pferde hält, weiß, wie gerne sie Heu oder Stroh in die Tränke schaufeln, das hat ja auch seinen Grund. Bei seinen stündlichen Stallrundgängen habe er sich nach der Musterung und dem Freispringen von der Versorgung der Hengste durch Fachpersonal überzeugen können, so Wehr. Wer weiß, wieviel Zeit, Mühe und Geld es kostet, einen Hengst bis zur Körung zu bringen, weiß auch, dass die professionelle Betreuung der Youngster heute die Regel ist. Alles andere wäre ja auch dumm.

Natürlich ist  die Atmosphäre in einer vollbesetzten Holstenhalle angeheizt, darauf reagieren manche Pferde heftiger als andere, auch die, bei denen zuhause in der Halle schon mal das Radio rockt. „Einige Tiere zeigten sich sehr nervös und ließen sich kaum oder nur mit Schwierigkeiten einfangen. Ein Pferd sprang über zwei hohe Abgrenzungen, wobei es diese erheblich berührte.“ Das kommt vor, aber wie jeder weiß, bestehen die Abgrenzungen aus leichten Holzlatten. Auch das Springen selbst kam nicht ungeschoren davon. „Die Begrenzung des zweiten Elements des Oxers war auf 1,30 Meter angesetzt. So gut wie alle Pferde mussten über diese Höhe springen. Eine wenige konnten dieses Hindernis nicht nehmen und krachten in den Oxer…“ Besucher der Holsteiner Körung sind meist beeindruckt, wie selten Springfehler gemacht werden. „Das Touchieren eines Hindernisses und Abwerfen einer Hindernisstange als ‚Stoßen, Reißen oder in den Oxer krachen‘ entspricht einer archaischen Wahrnehmung des Springsports“, kontert Wehr. Und, meine Meinung, ein Holsteiner, der Hengst werden will, ausgenommen er gehört zu den wenigen Dressurtalenten, sollte über 1,30 Meter springen können, was ja für mehr als 95 Prozent auch kein Problem war.

Der gravierendste Vorwurf betraf das Handling eines Hengstes während der Vorführung im Schrittring. Er sei mit „Schlägen mit dem Griff einer kurzen Gerte im Bereich von Nüstern und Maul gefügig gemacht worden“, heißt es. Ein Bild, das keinem gefällt. Dazu Albrecht Wehr: „Zum natürlichen Verhalten des Pferdes in der Herde gehören Zähneblecken und Beißen. Schnappt ein Pferd bzw. Hengst jedoch nach seinem Besitzern, kann das gefährlich werden. Auf diese Weise gingen schon Finger verloren. … Wird der Zahnkontakt zwischen Mensch und Pferd nicht von Anfang an strikt unterbunden, ist es schwierig, dem Pferd nachträglich klar zu machen, weshalb Knabbern, Beißen und Zuschnappen nun nicht mehr erwünscht sind. Es hilft nur Konsequenz in der Zurechtweisung. Das ist ein strenges NEIN verbunden mit einem Klaps auf die Nase, der dem Pferd nicht weh tut, ihm aber deutlich zeigt, dass sein Verhalten unerwünscht ist.“ Hier spricht einer, der weiß , dass die Welt der Reiter nicht Bullerbü ist und Pferde nicht die besseren Menschen. Aber wie sie haben sie es verdient, dass man sie individuell betrachtet und nicht über einen Kamm schert. Und die Menschen, die mit Pferden umgehen nicht mit Bürokratie überzieht, sondern sich fragt, ob sie nicht vielleicht doch ein bisschen mehr Ahnung haben als man selbst.

Dem Holsteiner Verband wurde für die Erarbeitung der „Mängelliste“ 2329,60 Euro in Rechnung gestellt, davon 97 mal schlappe 20,60 Euro – nicht etwa pro Stunde, sondern pro angefangene Viertelstunde.

Der Bericht rügt auch die Information der Presse über die Vor-Ort-Kontrollen. Da muss jemand was ganz falsch verstanden haben. Unterliegen solche Kontrollen der Geheimhaltung? Wenn ja warum? Die Medien kontrollieren den Staat, die Politiker und die Ausführenden auf den Ämtern. Dazu sind sie da. Kann man im Grundgesetz nachlesen.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.