Gabriele Pochhammer darüber, warum Reiten eben doch Sport ist – noch dazu ein einzigartiger

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Reiter lassen sich nur durch die Gegend tragen und den Sport macht allein das Pferd? So oder so ähnlich hat es wohl jeder Reiter schon mal zu hören bekommen. Gabriele Pochhammer über Vorurteile und Tatsachen.

Jeder, der Pferde und den Sport mit ihnen liebt, hat sich gefreut, als Isabell Werth bei der Wahl zur „Sportlerin des Jahres“ Platz drei belegte. Obwohl die Reiter, ob Einzel oder als Mannschaft, seit Jahren regelmäßig Medaillen einfahren, obwohl sie die erfolgreichsten Athleten des Deutschen Olympische  Sportbundes (DOSB) sind, schaffen sie es nur selten bei der Sportlerwahl bis aufs Treppchen. Ganz oben standen bisher nur zwei Springreiter, Hans Günter Winkler in den Jahren 1955 und 1956 und 1958 Fritz Thiedemann. Im Jahr 1969 wurde die Springreiter-Equipe zur Mannschaft des Jahres gewählt. Das war’s dann schon, trotz der über Jahrzehnte ungeschlagenen Dressurequipe, trotz eines Reiner Klimke, einer Nicole Uphoff, trotz der in den letzten zehn Jahren serienerfolgreichen Vielseitigkeitsmannschaft, trotz eines reiterlichen Wunderknaben wie Michael Jung, dreifacher Olympiasieger, zweifacher Weltmeister und fünffacher Europameister, der es im  Jahre 2016 immerhin auf Platz fünf schaffte. Wahlberechtigt sind die Sportjournalisten und ausschlaggebend ist nicht nur die herausragende Leistung im jeweiligen Sport – die natürlich auch –, sondern vor allem Popularität bei den Massenmedien und Fernsehpräsenz. Das müssen wir wohl schlucken.

Mit Isabell Werth hat es eine Sportlerin immerhin auf Platz drei geschafft, deren Leistung locker mit den größten Ikonen des Sportes mithalten kann, mit einer Steffi Graf oder einem Boris Becker. Über jetzt bald drei Jahrzehnte – 1989 zum ersten Mal in einer deutschen Championatsmannschaft – spielt sie in der ersten Liga mit, hat sich aus tiefen Tälern wieder nach oben gewühlt. Ihre Erfolge in den letzten beiden Jahren, olympisches Gold und Silber, drei EM-Medaillen, machen sie endgültig zur historischen Nummer eins des Dressurreitens. Mehr kann ein Reiter nicht erreichen und doch scheint es nicht zu reichen für den Titel in Konkurrenz zu Fußball, Turnen, Tennis, Leichtathletik und Schwimmen.

Mit Isabell Werth wurde ja nicht nur die Tagesform, sondern eine Lebensleistung gewürdigt, an der acht selbst ausgebildete und trainierte Championats-Pferden beteiligt waren. Dennoch hört man immer wieder Stimmen, die finden, Reiter seien keine „richtigen“ Sportler, das seien die Pferde. Das habe Isabell Werth in ihrer Dankesrede ja auch bekräftigt. Natürlich hat sie das, das gehört sich so. Und schließlich ist jeder Reiter nur so gut, wie sein bestes Pferd. Tatsächlich sieht man Reiter selten schwitzen und außer Atmen, tatsächlich vollführen sie im Sattel keine wilden Verrenkungen. Das ist ja gerade die Kunst beim Dressurreiten, dass man möglichst nichts sieht, und dass Reiter und Pferd sich mit unsichtbaren Signalen verständigen. Es ist auch kein Geheimnis, dass es international erfolgreiche Springreiter fortgeschrittenen Alters gibt, die bei Turnieren Stammgäste an jeder Reiterbar sind, was sich Leichtathleten und Schwimmer kaum erlauben würden.

Doch das, was einen guten Reiter ausmacht, sind andere Dinge: Feingefühl und Balance in der Dressur, Entschlossenheit und ein gutes Auge beim Springen, das alles plus Mut und die richtige Einschätzung der Pferdekräfte in der Vielseitigkeit. Und die Zeiten, in denen sich übergewichtige Reiter von ihren Pferden durch Parcours oder Viereck tragen lassen, sind auch längst vorbei. Die eigene Fitness ist – zumindest in der Spitzengruppe der Reiter – längst ebenso wichtig wie die des Pferdes. Es ist also vollkommen müßig, Sportarten miteinander zu vergleichen, ein Schütze und eine Eiskunstläuferin haben auch nicht viel gemeinsam, und doch sind beide auf olympischem Parkett unterwegs, die eine Goldmedaille ist so wertvoll wie die andere.

Oder doch nicht? Bei den Asian Games wird demnächst die Disziplin „E-Sport“ ausgetragen, zu deutsch Computerdaddeln. Ein hipper Trend für allem bei jungen Leute, der entsprechende wirtschaftliche Interessen der Branche weckt. Einer der Marktführer ist bereits Sponsor des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), von dem man weiß, dass es auf Geld so reagiert wie der Junkie auf eine Ladung Koks. Wer weiß, was uns noch erwartet unter den fünf Ringen! So neu ist das übrigens alles nicht. Schon im alten Rom gewann der blutrünstige Kaiser Nero eine Olympiamedaille in der Disziplin „Deklamieren.“ Wäre er doch dabei geblieben!

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Karl-Heinz Bange

    Ja…….toller Artikel, mit dem richtigen Ansatz! Der Reitsport ist ein ganz „besonderer Sport“……das können aber auch nur die „Insider“ wissen…….eigentlich beginnt ja die „Arbeit“ erst richtig nach!! dem „Sport“. Damals, als es Winkler oder Tiedemann noch ganz nach oben schafften, wußten noch vielmehr Menschen, was diesen „Sport“ ausmacht!!!Heute müssen die Menschen erstmal erfahren……was eigentlich ein „Pferd“ ist!!!…….und bei ihrer Recherche werden sie dann auch auf so viele negativen Facetten geleitet, die eigentlich mit dem Sport nichts zu tun haben!!! So kann eine „I.Werth“ auch nur prozentual ein relativ schlechtes Ergebnis erreichen!!!


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