Meteor-Preis für Sönke Sönksen: „unbeugsamer Leuchtturm in einem windiger werdenden Leben“

Von
pochhammer_moment_mal_web

Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Mit zwei Jahren Verspätung bekam jetzt einer den renommierten Meteor-Preis, eine Auszeichnung eines regionalen Verlags in Schleswig Holstein, der ihn schon lange verdient hat: Sönke Sönksen, ein Dithmarscher Jung, der in Westfalen strandete.

Er war niemals zu übersehen mit seinen 1,90 Meter, ganz schön viel für einen Springreiter. Aber Sönke Sönksen war keiner, der seine Stimme lautstark erhob, um seine Interessen durchzusetzen. Und das führte manchmal dazu, dass er überhört wurde und nicht immer die Chancen bekam, die er verdient hätte. Verdient hat der heute 84-Jährige den Meteor-Preis allemal:

Stefan Stuhr

V.l.n.r.: Preisgeber Peter Rathmann vom RathmannVerlag, Preisträger Sönke Sönksen und Breido Graf zu Rantzau, Laudator und ehemaliger Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). (© Stefan Stuhr)

Mannschaftssilbermedaille der Olympischen Spiele 1976 in Montreal, EM-Mannschaftsgold und Einzelbronze 1975, deutscher Meister 1978, 26 Nationenpreiseinsätze. Die begehrte und renommierte Auszeichnung ist Persönlichkeiten vorbehalten, die sich um den Pferdesport in Schleswig-Holstein verdient gemacht haben. Eigentlich sollte Sönksen ihn schon vor zwei Jahren bekommen, Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Jetzt traf man sich in kleinem Kreis beim ehemaligen FN-Präsidenten Breido Graf zu Rantzau auf Schloss Breitenburg. „Deine Gradlinigkeit, deine Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und deine Komik zeichnen dich aus. Deine Worte hatten immer Gewicht, Du warst der unbeugsame Leuchtturm in einem immer windiger werdenden Leben,“ sagte Graf Rantzau.

Das Bild passt. Alles begann auf dem elterlichen Hof in Dithmarschen, wo bekanntlich der Wind weht und das Meer nicht weit ist. Die Bauernjungs ritten, ganz klar, im örtlichen Reiterverein, natürlich meistens auf den Holsteiner Pferden ihrer Heimat. Sönke Sönksen erwies sich trotz seiner Länge als talentiert und nervenstark. Das erste bessere Pferd hieß Odysseus und sein Vater verkaufte 1965 den Wallach an den Fleischfabrikanten Werner Stockmeyer im westfälischen Versmold, der gerade dabei war, sich einen Springstall von internationalem Kaliber aufzubauen. Zufällig suchte er auch einen jungen Reiter. Die Weichen waren gestellt. Sönke Sönksen sagte der holsteinischen Scholle adé, mehr oder weniger für immer. Er lebt immer noch in Versmold mit seiner Frau Ursula, aber wenn er anfängt zu reden, kann er den Dithmarscher Jung bis heute nicht verleugnen. Der Vater ließ den Hoferben nur murrend ziehen. „Er hat ein halbes Jahr nicht mehr mit mir geredet,“ sagt Sönke heute. Aber auch dieser Sturm legte sich, die Schwester übernahm den Hof, Sönke machte Karriere im Sport.

Archiv St.GEORG

Sönke Sönksen und Kwept beim Deutschen Springderby in Hamburg (© Archiv St.GEORG)

Das „Lebenspferd“, das die meisten großen Reiter nur einmal haben, war kein Holsteiner, sondern ein großer irischer Schimmel namens Kwept. Was ihm an Schönheit fehlte, machte er durch Springklasse und Energie wieder wett. Die erste Reise von Irland nach Versmold machte Kwept im Mutterleib. Werner Stockmeyer hatte zwei irische Stuten gekauft, nichts ahnend, dass eine von ihnen tragend war. Das Fohlen wurde geboren und ging zurück auf die grüne Insel, aufgezogen wurde es von einem befreundeten irischen Tierarzt, der bekam dafür die Hälfte des Fohlens. Vier Jahre später ritt Sönke Sönksen auf der Dublin Horse Show und wollte bei dieser Gelegenheit den Youngster mal inspizieren. Was der Schimmel in einem A-Springen zeigte, ließ hoffen. Kwept siedelte über nach Versmold und kam in Sönke Sönksens Beritt. Ganz einfach war er schon deswegen nicht, weil er sehr nervig war und auch sonst nicht dem Idealbild eines rittigen Pferdes entsprach. Sechsjährig startete Sönksen ihn in der Halle Münsterland im Sb-Springen. Nach dem dritten Stechen über 1,90 Meter war nur er dabei zusammen mit den beiden Größen der damaligen Zeit, Hartwig Steenken und Hermann Schridde. Sönksen verzichtete mit Blick auf die Jugend seines Pferdes. Als er später zur Siegerehrung einritt, er war ja Dritter, pfiffen die Leute. Das hat ihn getroffen. „So was vergisst man nicht“, sagt er heute.

Kontinuierlich gingen die beiden ihren Weg in die erste Garnitur des deutschen Springsports und wurden für die Olympischen Spiele in Montreal 1976 nominiert, zusammen mit Hans Günter Winkler und Paul und Alwin Schockemöhle. Drei Reiter pro Nation waren für das Einzelspringen im Reitstadion Bromont zugelassen, einer des Quartetts musste also draußen bleiben. Alwin Schockemöhle überzeugte im Training vor Ort, Paul Schockemöhle demonstrierte wilde Entschlossenheit und Hans Günter Winkler war damals schon eine Legende. Und für Legenden gelten ja irgendwie andere Gesetze. Zwar lieferte Sönke im Qualifikationsspringen einen von nur fünf fehlerfreien Ritten bei mehr als 80 Startern. Es nützte ihm wenig. „So kam der Springausschuss, leider erst nach langem Zögern, in der Bromonter Gluthitze auf den Mann, der zwar reiterlich bestanden, aber in Sachen Lobby immer ein Amateur geblieben war: Sönke Sönksen“, schrieb Helmut Müller im Buch „Olympische Reiterpiele Montreal 1976. „Die Entscheidung traf ihn hart – er konnte sie kaum fassen. Aber dann nahm er sie hin in der Haltung eines Verlierers, der nicht im Wettstreit besiegt wurde, sondern am Grünen Tisch – tief enttäuscht, aber doch ein Gentleman.“ Der Rest ist Geschichte: Alwin Schockemöhle wurde Olympiasieger, Hans Günter Winkler mit 20 Fehlern Zehnter. Paul Schockemöhle mit 24 Fehlern im 1. Umlauf 36. Wenige Tage später trugen Sönke Sönksen und Kwept entscheidend zur Silbermedaille der deutschen Mannschaft im Nationenpreis bei. Das war gewiss ein Trost, aber Sönke Sönksen hat die olympische Benachteiligung bis heute nicht vergessen.

Nach seiner aktiven Karriere begleitete er deutsche Springreitermannschaften noch viele Jahre als Equipechef auf viele Nationenpreisturniere, wurde gerade für die jüngeren Leute der besagte „Fels in Brandung.“ Der größte Unterschied heute zu damals? „Heute reisen sie ja kreuz und quer über die Kontinente, eine Woche in Brüssel, die nächste in Katar. Die Welt ist so klein geworden. Früher hieß es, du musst einen, der in Amerika war, erstmal ein halbes Jahr wegstellen!“ Auf die Idee käme heute keiner mehr.Cheap Air Jordans 1 low For Sale | jordan retro shoes mens release dates

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.