Moment mal! Gabriele Pochhammer: Passable und faule Kompromisse

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Der Springausschuss im Weltreiterverband FEI plant Neuerungen der Blutregel. Darüber kann man geteilter Meinung sein, wie Gabriele Pochhammer ausführt.

Ausgerechnet Marcus Ehning war das erste prominente deutsche Opfer der „Blood Rule“, die besagt, dass auch kleine Hautverletzungen, die Blutspuren hinterlassen, zur Disqualifikation des Reiters führen. Ehning gilt als feinfühliger, fairer Reiter und niemand würde ihm, genauso wenig wie ein paar Wochen zuvor dem Briten Scott Brash unterstellen, dass er sein Pferd mutwillig traktiert hat. Besonders ärgerlich im Falle Ehning: Es traf die ganze deutsche Nationenpreismannschaft in Hickstead, Ehning hatte auf Comme il faut, dem Sohn der Olympiastute Ratina Z von Ludger Beerbaum, zwei makellose Runden hingelegt, die nun beide nicht mehr zählten und das Team vom möglichen dritten auf den vorletzten, den siebten Platz zurückwarfen.

Für Otto Becker ein schwieriger Spagat. Einerseits ist für den Bundestrainer ganz klar, dass Reiter, die ihre Pferde mit groben Schenkelhilfen wund stechen, rausfliegen müssen. „Damit kein Missverständnis entsteht, da stehe ich voll dahinter“, sagt er. Aber man müsse differenzieren. Auf der anderen Seite steht er auch hinter seinen Reitern – wäre schlimm, wenn’s anders wär – vor allem hinter einem wie Marcus Ehning. Otto Becker hat einen passablen Kompromissvorschlag: „Ich bin dafür, bei Anwendung der Blood Rule in leichteren Fällen einen Reiter nicht zu disqualifizieren, sondern zu eliminieren.“ Der feine Unterschied: Im Falle der Elimination zählt nur die Runde nicht, nach der das Blut festgestellt wurde. Gleichzusetzen mit einem Pferd, das sich im Parcours verletzt hat und lahm ist, so dass der Reiter aufgeben muss. Passiert das in der zweiten Nationenpreisrunde, bleibt das Resultat des ersten Umlaufs gültig. Im Fall einer Disqualifikation wie bei Ehning verfiele auch dieses.

So ähnlich wie Becker schlägt es auch die FEI-Springkommission vor in einem Schreiben, das St.GEORG vorliegt. Unbeabsichtigte Verletzungen durch den Reiterschenkel sollen Eliminierung zur Folge haben, „kleinere Verletzungen“ sollen folgenlos bleiben. Nur Verletzungen, die auf „exzessiven“ Gebrauch der Sporen hinweisen, sollen mit Disqualifikation bestraft werden.

Wann ist Blut am Sporn ein Fall für den Tierschutz?

Bleibt das Problem, dass wieder abgewogen werden muss, ab wann ist eine Sporenverletzung tierschutzrelevant, wann ein Versehen? Wie viel Druck wird auf Richter und Stewards ausgeübt und was heißt es für das Image des Sports, wenn über Blutmengen und Größen von Wunden diskutiert wird? Müssen Pferde eigentlich so oft geschoren werden, dass die Haut, eben auch an der Flanke, fast blank liegt?

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Ein abgerundeter Sporn verhindert Verletzungen an strapazierter Pferdehaut. (© st-georg.de)

Und muss sich nicht mancher Reiter fragen, ob die Haut durch allzu intensives Training vielleicht bereits vorgeschädigt wurde? Übrigens: Es gibt Sporen, die so abgerundet sind, dass man damit nach menschlichem Ermessen kein Pferd aufstechen kann. Vielleicht sollte man hier mit einer Regeländerung ansetzen, bevor Blut fließt.

Apropos Regeländerung: Die Springkommission hat noch weitere Vorschläge. So soll das weiche Plastikband, das Hufabdrücke am Wassergraben festhält, künftig noch im Wasser liegen, so dass Pferde, die den Graben sauber überspringen, keinen Fehler angerechnet bekommen, wenn sie auf das Plastikband dahinter treten. Außerdem soll in der Ausschreibung festgelegt werden können, dass Reiter ab 16 Strafpunkten ausscheiden. Die meisten geben in solchen Fällen ohnehin freiwillig auf. Schade wäre es fürs Springderby in Hamburg. Da hat ein Reiter schnell 16 Fehler an den Füßen, die Runde kann trotzdem noch ganz ordentlich sein.

Im Fokus: Gamaschen an den Hinterbeinen

Ein international renommierter Parcourschef erklärte mir kürzlich, dass die Häufung von Nullfehlerritten auf höchstem Niveau für ihn und seine Kollegen zunehmend zum Problem wird. In solchen Fällen gerät das Stechen oft zu einer eigenen Prüfung – ermüdend für die Zuschauer, schwierig für die TV-Übertragungen. Auch hierüber hat man in der FEI nachgedacht. Es herrsche Einigkeit darüber, dass gewisse Typen von Hinterbeingamaschen „die Leistung des Pferdes beeinflussen“. Zu deutsch: Sie werden so stramm angezogen, dass das Pferd sich hütet, mit den Hinterbeinen die Stangen zu berühren. Bei einigen Körungen, etwa in Holstein, sind Gamaschen hinten inzwischen verboten. Bei Turnieren nicht. So konnte man selbst in Aachen beobachten, wie das Hilfspersonal, manchmal auch das familieneigene, kurz vor dem Start die Gamaschen nochmal kräftig nachzog. Damit es schön drückt. Kontrollen gibt es nur nach dem Start, vorher wäre eigentlich sinnvoller. Und sanktioniert wird so gut wie nie. Die FEI-Springkommission will das also ändern. Wie demonstriert man wilde Entschlossenheit, ohne bei den Akteuren und ihren – Geldgebern – anzuecken? Man sagt erst mal, dass man sich verantwortlich dafür fühlt, die „Integrität des Sportes zu schützen.“ Das klingt klasse. Dann ergreift man Maßnahmen. Ernste Maßnahmen! Im Falle Gamaschen geht das so: Vom 1. Januar 2019 an dürfen an den Hinterbeinen nur noch Gamaschen genutzt werden, deren einziger Zweck es ist, die Hinterbeine zu schützen. ABER: das gilt zunächst nur für Ponyreiter, Kinder, Amateure und Veteranen. Ab 1. Januar 2020 müssen dann auch Reiter U25, Junge Reiter und Junioren auf die Druck-und Presshilfen verzichten. Und ab 1. Januar 2021 schließlich alle Reiter. Warum wartet man drei Jahre, um „die Integrität des Sportes“ zu schützen, wenn sie einem so am Herzen liegt? Wenn man, so wie im Regelvorschlag der FEI-Springkommission formuliert, so besorgt ist, dass durch spezielle Gamaschen Springvermögen und Vorsicht vorgetäuscht werden können, die das Pferd in Wirklichkeit nicht hat und damit sogar Konsequenzen für die Zucht haben kann (so schreibt es FEI Spring Direktor John P. Roche explizit)? Wenn man Missstände erkennt, sollte man sie abstellen. Sofort. Und keine faulen Kompromisse machen.

Gabriele Pochhammer

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Conny Keil

    Ich finde, die Blood-Rule sollte an sich bestehen bleiben – wird Blut am Pferd gefunden, war es das. Dass man in minder schweren Fällen nur eliminiert geht für mich in Ordnung. Aber nicht, dass es ohne Konsequenzen bleibt. Das kann man auch der Öffentlichkeit nicht vermitteln.

    Statt dessen sollten sich die Reiter hinterfragen, was sie tun können, um solche Vorfälle zu vermeiden. Einige Denkanstöße hat Fr. Pochhammer ja schon geliefert.

    Vor nicht allzu langer Zeit dachten auch alle, es geht gar nicht mit schärferen Doping-Kontrollen. Und heute? Konsequentes Umdenken hat genutzt. Warum sollte es nicht wieder funktionieren?


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