Moment Mal – Ruhestand mit Reiten

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Zur Zeit ist er auf Abschiedstournee. Hans Melzer legt am Ende des Jahres sein Amt als Bundestrainer nieder. Er hat, zusammen mit Honorartrainer Chris Bartle, in der deutschen Buschreiterei den Schalter umgelegt. 34 Championatsmedaillen sind die stolze Bilanz von 21 Jahren. Er verabschiedet sich vom Amt, aber sein Lieblingsplatz bleibt ganz oben, auf dem Pferderücken.

Als ich Hans Melzer anrief, um nach seinen Erlebnissen und Erfahrungen aus der Zeit als Vielseitigkeitsbundestrainer zu fragen, war er gerade dabei, eine Reitjagd zu planen, mit seinen Freunden vom Hamburger Schleppjagdverein (HSJV). Diesen Mann lassen die Pferde nicht so schnell los, auch wenn er im Mai seinen 70. Geburtstag gefeiert hat und Ende des Jahres sein Amt als Bundestrainer abgibt an Peter Thomsen. Ein Jahr später als geplant, Corona kam dazwischen und er verlängerte bis zum Ende des Olympiajahres.

Thomas Ix/www.foto-ix.de

Hans Melzer bei seinem liebsten Hobby, dem Jagdreiten. (© Thomas Ix/www.foto-ix.de)

Im Moment ist Hans Melzer viel unterwegs, denn er muss noch überall Tschüss sagen: in Boekelo, in Pau beim Fünfsterne-CCI, in Le Lion d’Angers bei der Weltmeisterschaft der jungen Pferde, in Pratoni del Vivaro in der Nähe von Rom, Schauplatz der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr.

Erfolgsjahre eines kongenialen Duos

Toffi

Hans Melzer geht mit einem Sack voller Medaillen. Nicht weniger als 34 Championatsmedaillen haben die deutschen Vielseitigkeitsreiter gewonnen, seitdem er und der Brite Christ Bartle im Jahre 2001 als Trainergespann die Aufgabe übernahmen, die Buschis wieder zu Erfolgen zu führen.

Sie waren bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 leer ausgegangen. Das lag nicht nur, aber auch am Reglement. Nach den Regeln, die vorher und nachher galten, hätte Ingrid Klimke zumindest die Silbermedaille bekommen.

Erst allmählich stellte sich der Erfolg wieder ein. Ich sehe uns deutsche Journalisten noch enttäuscht bei der Verfassungsprüfung der Weltreiterspiele in Jerez 2002 stehen, als kein einziger der sechs deutschen Reiter mehr zum Springen antrat. Danach konnte es eigentlich nur besser werden. Und es wurde besser.

Es wurde bereits 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen besser, als die Deutschen schon die Goldmedaillen (Team und Bettina Hoy) um den Hals hatten. Die mussten sie bekanntlich wieder hergeben, weil Bettina Hoy die Startlinie versehentlich zweimal durchritten hatte, was vom Richtergremium unbemerkt geblieben war. Damit wurde ihr die Möglichkeit einer Korrektur genommen. Die sportliche Leistung des Melzer/-Bartle Teams blieb davon unberührt.

Eindrucksvoll revanchierten sich die Deutschen dann bei den Weltreiterspielen in Aachen 2006 sowie bei den Olympischen Spielen in Hongkong 2008 und London 2012. Jedes Mal Teamgold, die sieggewohnten Briten wurden allmählich nervös.

Mal hat man Glück, mal hat man Pech …

von Hardenberg

Prost, Hans! Der Erfolgstrainer ist auch Reitmeister. (© von Hardenberg)

Überhaupt, London, da kommt Hans Melzer noch heute ins Schwärmen: in dem Land, in dem das Eventing zuhause  ist, vor der eindrucksvollen Kulisse der Londoner City, die Stimmung der Zuschauer, deren Jubel die Reiter von Sprung zu Sprung trug, und dann natürlich das doppeltes Gold fürs Team und Michael Jung plus Bronze für Sandra Auffarth. Michi hat Glück gehabt damals, dass bei der Schwedin Sara Altgotsson im letzten Parcours die letzte Stange fiel.

„Ich habe ihm gesagt, damals hattest du Glück, in Tokio hattest du Pech, dass dieser blöde Sprung zusammenkrachte.“ Bekanntlich kostete das Auslösen des Sicherheitssystems Jung an einer Ecke im Cross seine dritte Goldmedaille in Folge. Auch wenn das Glück auf Dauer nur mit dem Tüchtigen ist, manchmal fehlt es halt, das gewisse Quäntchen.

Das blieb auch Hans Melzer in den 20 Jahren als Bundestrainer nicht erspart. Aber die Reiter wussten, auch wenn es nicht so läuft, steht da einer am Rand, der meckert nicht, der hadert nicht, sondern der ermutigt, unterstützt und baut auf, auch dann noch meistens mit seinem breiten Hans-Lächeln im Gesicht.

Aber es gab auch schlimme Momente, der schlimmste war, als Ben Winter in Luhmühlen, der letzten Sichtung für die Weltreiterspiele 2014, tödlich verunglückte. Da wusste er selbst nicht, was er seinen Reitern sagen sollte, was den Eltern. Ratlosigkeit, die quälende Frage nach dem Warum? „Das war einfach nur furchtbar“, sagt er heute.

Insider

Hans Melzer

Foto: St.GEORG Archiv (© Hans Melzer)

Hans Melzer kennt den Sport natürlich viel länger als 20 Jahre, hat selbst an Europameisterschaften teilgenommen, Pferde und Reiter bis zu schweren Klasse ausgebildet. Als er selber noch ritt, war die Vielseitigkeit ein anderer Sport, das Gelände bestand aus vier Phasen (1. Wegestrecke, Rennbahn, 2. Wegestrecke, Cross) und wurde im Laufe der Jahre Schritt für Schritt in ein weniger pferdeverschleißendes Format überführt. Heute gibt es nur noch eine Phase, den Cross.

„Die Veränderung war zum Besseren“, ist Melzer überzeugt, „das neue Format spielte unseren Reitern und Pferden in die Hand.“ Unter anderem, weil mehr Starts möglich sind und damit auch häufiger Gelegenheiten, Routine zu bekommen. „Früher ritten unsere Reiter eine, vielleicht zwei lange Prüfungen im Jahr, heute haben sie viel mehr Möglichkeiten.“

Melzer hat erkannt, dass der Satz „Reiten lernt man nur durch Reiten“ zwar immer noch stimmt, aber das auch sportwissenschaftliche Erkenntnisse zu einem modernen Training gehören, inklusive gezieltem Fitness-Training und Gymnastik. Der Besuch in der Muckibude oder Joggen gehört heute dazu. Die Stärke der deutschen Reiter liegt nach Melzers Ansicht nach in den guten Heimtrainern, die fast jeder hat, verteilt über die ganze Republik und nicht nur in Warendorf zentriert.

Unter seine Ägide wurden Startgenehmigungen liberaler gehandhabt als früher, keine noch so kleine Chance verbaut, weiterzukommen. Die Perspektivgruppe Vielseitigkeit, gedacht, um junge Talente zu fördern, habe ihren Anteil am Erfolg, sagt Melzer: „Frank Ostholt, Sandra Auffarth, Dirk Schrade, Julia Krajewski, allen gab die Perspektivgruppe den entscheidenden Schub für die internationale Karriere.“

Zu seinem Job gehörte es auch, für gute Pferde den richtigen Reiter zu finden, so kam Samourai du Thot zu Julia Krajewski, Hop and Skip und King Artus zu Dirk Schrade. Die Vermittlung des Bundestrainers war für alle Beteiligten kostenlos.

Für den Privatmann Melzer sieht das natürlich anders aus. Denn Hans Melzer bleibt in dem Geschäft, das sein Leben ist, er wird weiter Schüler trainieren, nach guten Pferden Ausschau halten und das eine oder andere Pferd selbst züchten. Nur eines will er auf keinen Fall: am Richtertisch landen. „Seit 21 Jahren kritisiere ich die Richter immer wieder, da will ich nicht selbst auf einmal dazu gehören.“

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Müller

    Schade, dass schon zu Beginn des Artikel die Recherche in Bezug auf die gewonnenen Championatsmedaillen während der Amtszeit von Hans Melzer falsch ist.


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