Olympia-Blog: Geduld ist gefragt

Von
Gabriele Pochhammer Olympia 2021 Blog

St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer bloggt von den Olympischen Spielen 2021 in Tokio. (© www.st-georg.de)

Wir lernen das Warten und warum Cathrine Dufour keine Erbse von der Gabel fallen darf.

Allmählich haben wir uns eingelebt, haben alle Wege im Griff und die Fahrpläne der Busse wenn schon nicht im Kopf, dann im Handy und vor allem die WhatsApp-Nummern von Kollegen, die Bescheid wissen. Merci in diese Richtung. Warten hat ja auch eine philosophische Dimension, wie wir spätestens seit Samuel Beckett und seinem absurden Theaterstück „Warten auf Godot“ wissen.

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Auch wir lernen hier zu warten, aber eben nicht auf diesen Godot, sondern auf den Bus. Manchmal auch nach Mitternacht, denn bis im Reitstadion alle und alles fertig sind, wir am zentralen Busbahnhof, der hier Media Transport Mall (MTM) heißt, angekommen sind, dauert es und dann vergeht gerne noch ein Stündchen, bis der Anschlussbus zum  Hotel kommt. Immerhin er kommt, und oft ist man dann der einzige Fahrgast in einem Riesenreisebus. Gekühlt und mit W-LAN immerhin. Die Route führt über verschlungene Pfade, kaum sagt unser Handy, dass es nur noch 500 Meter bis zu unserem Hotel Via Inn sind, biegt der Fahrer nochmal ab und legt eine Ehrenrunde von gefühlten zehn Kilometern ein. Ich lass mich jetzt einfach früher absetzen und gehe die letzten Meter in fünf Minuten zu Fuß zum Hotel, von einem treuen Handy sicher durchs nächtliche Tokio geleitet.

Zehn Minuten vorher hat es mir gemeldet, dass meine Hunde in Deutschland gerade spazieren geführt  werden und den virtuellen Zaun rund ums Haus verlassen haben. Man soll auf die moderne Technik wirklich nicht nur schimpfen. Man mag es gar nicht laut sagen, aber was freue ich mich auf mein kleines Auto, das jederzeit und überall genau da steht, wo ich es brauche! Man staunt, wie viele Leute zu nächtlicher Stunde noch unterwegs sind, obwohl doch die Bürger Tokios aufgerufen sind, nach 20 Uhr möglichst nicht mehr rauszugehen.

Eindrücke aus Japan

Mit Nachhaltigkeit zu werben kommt ja gut heutzutage, und die Olympiamacher möchten sich da auch gerne im Mainstream bewegen. Die Bestecke im Pressezentrum und in den Sportstätten sind aus Holz, aber eingeschweißt in eine Plastikverpackung, wie alles, was man in die Finger bekommt, der man nur mit einer Säge oder sehr guten Zähnen zu Leibe rücken kann.

Ich habe mich schon gewundert, warum der Spiegel im Bad auch nach ausgiebigem Duschen nicht beschlägt. Das Geheimnis: Er wird beheizt, wie übrigens auch die Toilettensitze. Das ist tatsächlich ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Das Zimmer ist winzig – ich kann schon deswegen kein Yoga machen, weil ich mich nirgendwo ausstrecken kann. Gute Ausrede. Immer ist was im Weg, der einzige Stuhl oder mein Koffer.

Es wird aber jeden Tag akribisch saubergemacht. Als ich gestern vom Frühstück nochmal ins Zimmer ging, hockte ein Mann in meiner Badewanne. Ich prallte irritiert zurück, bis ich sah, dass er die Wasserhähne putzte. Inzwischen beherrschen wir auch den japanischen Gruß, leichtes Neigen des Kopfes. Das kann heißen Guten Morgen oder vielen Dank oder sonst was.  Nur das begleitende „Ha“, ein tiefes kurzes Geräusch, das klingt wie bei einem chronischen Huster, wenn er sein Heu frisst, kriegen nur die Raucher unter uns hin.

Alle angekommen

Heute gibt es für die Dressurpferde die letzte Vorbereitung auf den Grand Prix Special morgen, in dem acht Mannschaften um die Medaillen kämpfen. Vielleicht gibt es ja die erste Goldmedaille fürs deutsche Team. Die Buschreiter haben heute das erste Training in der Wettkampfarena, zur so genannten Familiarization. Die Deutschen sind abends um 21.40 Uhr dran. Gestern sind die Springreiter losgeflogen, heute sind sie angekommen und haben die Ställe bezogen. Bundestrainer Otto Becker, Mannschaftstierarzt Jan Swagemakers und die Grooms sind gestern gelandet.  Allmählich füllen sich die Abreiteplätze.

Im Infosystem von Tokyo 2020 findet man allerlei, wonach man sonst nie fragen würde, etwa nach besonderen Ritualen, mit denen die Reiter den Erfolg absichern wollen. Die Dänin Cathrine Dufour, eine der Anwärterinnen auf eine Dressur-Einzelmedaille – es wird es wohl kein Mann aufs Treppchen schaffen diesmal – hält es zum Beispiel für ein gutes Zeichen, wenn sie zu einem Stein so passend hinkommt, dass sie ihn wegkicken kann. Ganz schlecht: Wenn ihr beim Essen eine Erbse von der Gabel fällt. Da kann man nur raten: Bohnen essen. Oder Erbsensuppe. Aber mit Löffel.dolce gabbana portofino lace up sneakers item | Sneaker News & Release Calendar for 2023 in UK | Grailify | mens jordan release dates 2022

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.