Pionierinnen – die „First Ladys“ des Reitsports

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Wenn man heute die Siegerlisten kleiner und großer Turniere durchliest, wenn man durch die Reitställe geht oder beim Reitunterricht über die Bande schaut, dann kann man sich nicht vorstellen, dass es mal eine Zeit gab, in der Frauen nur sehr eingeschränkt mitmachen durften. Eine kleine Parade der „First Ladys“, die im Reitsport Pionierarbeit leisteten.

Lange hielten zähe Vorurteile Frauen davon ab, nicht nur spazieren zu reiten, sondern sich auch sportlich zu messen. Gynäkologen (natürlich vorwiegend männliche) waren der Ansicht, dass Reitsport, vor allem das wettkampfmäßige Reiten über Hindernisse, den weiblichen Fortpflanzungsorganen abträglich sei und deswegen zu unterbleiben habe. Heute dominieren Mädchen und Frauen den Alltag in den Reitbetrieben und wenn jemand eine Quote gebrauchen könnte, dann die dressurreitenden Herren. Damit sie auch mal was abkriegen.

Zwar haben Frauen vor allem der höheren Schichten immer geritten, wie schon die höfischen Damen im Mittelalter auf ihren kleinen „Zeltern“, aber bis ins 20. Jahrhundert galt alles andere als der Damensattel als unschicklich. Obwohl man auf britischen Turnieren und im Jagdfeld bis heute fabelhaft sitzende Ladies sieht, die ihre Pferde souverän in jedem Terrain beherrschen, wurde die gläserne Decke erst durchstoßen, als sich die erste Frau einfach rittlings aufs Pferd setzte, wie die Herren der Schöpfung, und losgaloppierte. Trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, bis Frauen wirklich auch der Leistungssport offenstand.

Als die Industriellen-Tochter Irmgard von Opel 1934 auf Nanuk als erste Frau das Hamburger Spring-Derby gewann, war das eine kleine Sensation. Sie galt damals als die beste Reiterin der Welt in Spring- und Vielseitigkeitsprüfungen.

Menzendorf

Die erste Frau, die das Hamburger Spring-Derby gewinnen konnte: Irmgard von Opel auf Nanuk. (© Menzendorf)

Frauen in der Dressur

Bis zum Zweiten Weltkrieg bestanden die offiziellen Equipen fast ausschließlich aus Kavallerieoffizieren, gelegentlich schaffte ein Zivilist wie Freiherr von Langen den Sprung ins Team, aber natürlich keine Frau. Erst 1952 durften bei den Olympischen Spielen in Helsinki Frauen mitreiten, vorerst nur in der Dressur. Springen und Vielseitigkeit galten nach wie vor als viel zu gefährlich. Im deutschen Bronzemedaillenteam der Olympischen Spiele in Helsinki, das von dem berühmten Reitmeister Otto Lörke trainiert wurde, ritt als erste Frau Ida v. Nagel auf Afrika olympisch für Deutschland.

Lis Hartel mit Jubilee

Noch eindrucksvoller gestaltete sich die Damen-Premiere durch die dänische Reiterin Lis Hartel, die auf Jubilee Einzelsilber gewann. Durch eine Polio-Erkrankung als Kind war sie von den Knien abwärts gelähmt und konnte auch die Arme nur eingeschränkt bewegen. Sie konnte nur deswegen das Medaillenpodest erklimmen, weil ihr der Sieger, der Schwede Henri St. Cyr galant heraufhalf.

Liselott Linsenhoff auf Piaff, auch eine Lörke-Schülerin, wurde 1972 erste Olympiasiegerin im Dressurviereck gegen ihre Dauerkonkurrentin, die Russin Elena Petushkova aus Pepel, die zwei Jahre zuvor als erste Frau den Weltmeistertitel gewonnen hatte.

Reitende Frau mit eigener Briefmarke: Liselott Linsenhoff auf Piaff.

Revolution im Parcours

Pat Smythe

Es dauerte nochmal vier Jahre bis zu den Spielen in Stockholm 1956, bis die erste Frau in den olympischen Parcours ritt. Die Britin Pat Smythe auf Flanagan trug zur Bronzemedaille ihres Teams bei. Bis heute ist der Springsport diejenige Reitsportdisziplin, in der mehr Männer als Frauen auf den vorderen Rängen zu finden sind, freilich mit abnehmender Tendenz. Die Britin Liz Edgar gewann auf Forever als erste Frau den Großen Preis von Aachen im Jahre 1980. Und 1999 wurde die Französin Alexandra Ledermann erste Springreiter-Europameisterin in einem gemischten Championat. Bis 1975 gab es nach Geschlechtern getrennte Welt- und Europameisterschaften.

Bei dieser EM schaffte ausgerechnet die gebürtige US-Amerikanerin Meredith Michaels-Beerbaum als erste Deutsche den Sprung in ein Championatsteam. Mit Stella trug sie zum deutschen Teamsieg bei, immerhin zu Zeiten, in denen Amazonenspringen noch gerne als „Bienensausen“ beschmunzelt wurden. Meredith hat noch mehr „Firsts“ vorzuweisen. Im Dezember 2004 führte sie als erste Frau die Springreiter-Weltrangliste an. Im September 2009 unterbrach sie ihre Karriere aufgrund ihrer Schwangerschaft und profitierte als erste Reiterin von der Neuregelung der FEI, nach der Reiterinnen während einer Schwangerschaftspause nicht alle Weltranglistenpunkte nach einem Jahr verlieren, sondern sie zu 50 Prozent behalten dürfen. So konnte sie sich schnell an die Spitze zurückarbeiten.

Toffi

Meredith Michaels-Beerbaum und Stella (© Toffi)

Noch gibt es keine Springreiter-Olympiasiegerin, als erste Reiterin gewann Marion Coakes auf dem Pony Stroller 1968 Einzelsilber in Mexiko. 1986 wurde die Kanadierin Gail Greenough auf dem mächtigen Hannoveraner Mr. T in Aachen Weltmeisterin. Im Finale mit Pferdewechsel ließ sie den Mannschaftolympiasieger von 1984, Conrad Homfeld, hinter sich sowie die späteren Olympiasieger Nick Skelton (2016) und Pierre Durand (1988). Aber dann hörte man nichts mehr von ihr, sie blieb eine Eintagsfliege.

Marion Coakes und ihr Pony Stroller

Königinnen von Badminton & Co.

St.GEORG

Bettina Hoy war mit Peacetime die erste Frau in einem deutschen olympischen Vielseitigkeitsteam, hier auf dem Weg zu Mannschafts-Bronze in Los Angeles 1984. (© St.GEORG)

Lange bevor auch die olympische Vielseitigkeit den Frauen offenstand, hatten in Großbritannien Reiterinnen schon das Querbeetreiten für sich entdeckt, viele von ihnen waren schon als kleine Mädchen auf ihren Ponys den Hunden gefolgt. Bereits im Jahr 1954 gewann erstmals eine Frau die schwerste Vielseitigkeit der Welt in Badminton, Margaret Hough mit Bambi V – mindestens so sensationell wie der Sieg Irmgard von Opels im Hamburger Springderby 20 Jahre zuvor.

Von 1957 bis 1959 gewann Sheila Wilcox die Prüfung in Badminton dreimal hintereinander, bis heute unerreicht. 1957 wurde sie die erste Europameisterin, sieben Jahre bevor Frauen auch im Busch olympisch antreten durften.

Erst 1964 in Tokio war es soweit. Die US-Amazone Lana Du Pont vertrat als erste Frau ihr Land in der olympischen Vielseitigkeit. Seitdem waren in fast allen angelsächsischen Championatsteams auch Frauen dabei.

1984 standen erstmals zwei Frauen bei der Einzelwertung auf dem olympischen Treppchen, Karen Stives (USA) und Virginia Holgate (Bronze). Auch für Deutschland ritt in diesem Jahr die erste Frau im deutschen Olympiateam. Bettina Overesch, später Hoy, half mit Peacetime, Mannschaftsbronze zu gewinnen. 13 Jahre später wurde sie in Burghley mit Watermill Stream die erste deutsche Europameisterin.

Noch gibt es keine Olympiasiegerin in der Vielseitigkeit, aber Busch-Ladys wie Ingrid Klimke, und Sandra Auffarth, beide auf Championaten bereits hochdekoriert, werden sich nicht abhalten lassen, auch unter dem olympischen Feuer einmal ganz oben stehen. Ist doch nur eine Frage der Zeit.womens air jordan 6 barely rose dh9696 100 release date | cheapest jordan lows

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Helmold Baron von Plessen

    Zwei beeindruckende, wunderschoene Bilder :

    Irmgard von Opel beim Abgang von grossen Wall i. HH – Klein Flottbeck. Perfekte Schenkellage der Reiterin. Tiefe Hand bei idealer Anlehnung. Nanuk gezaeumt auf einfache Wassertrense mit hannoverschem Reithalfter. Ohne jeglichen Hilfszuegel !

    Lis Hartel mit Jubilee. Das Pferd zufrieden, ohne Kapuze und sonstigem Brimborium a.d. Zaeumung. Beide, die Reiterin trotz ihrer schweren Behinderung, vollkommen in sich ruhend.

    Beide Damen perfekt gekleidet von Kopf bis Fuss ! Was da die FEI dazu wohl sagen wuerde ???!!!

    Man beachte die Details und eifere nach !

  2. Bettina Keil-Steentjes

    Großartig, dass Sie dieses vernachlässigte Thema aufgreifen!

    Erlauben Sie mir nur die Anmerkung, dass die „gläserne Decke“ erst dann durchstoßen sein wird, wenn männliche Meinungen und Klischees des 19. Jahrhunderts über Frauen im Sattel nicht weiter als historische Wahrheiten wiederholt werden. Es beraubt die Reiterinnen einer Vergangenheit, aus der sie Selbstbewusstsein ziehen sollten. Stattdessen bekommen sie ein Bild gemalt, dass ihre historischen Vorgängerinnen schwach, willen- und anspruchslos zeigt. Nur waren sie das nicht….

    Es gab bereits seit dem frühen Mittelalter Frauen mit eigenem Marstall und Gestüten. Die Liste der Königinnen und Kaiserinnen, die die Alpen zu Pferd überquerten, ist lang. Die der Frauen, die die Kreuzzüge begleiteten, ebenso. Und die Teilnahme im Herrensattel an Reitübungen der hohen Schule war auf dem Kontinent im 18. Jahrhundert unter den Frauen, die Zugang zu Pferden hatten, durchaus verbreitet. …Und der Zugang zu Pferden war auch für Männer überhaupt erst das Eintrittsticket, um dem Reiten nachgehen zu können…. 😉


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