Rachael Blackmore: Wonderwoman des Hindernis-Turfs

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Sie hat weder besonders starke Arme, noch mangelt es ihr an Entschlossenheit und Durchsetzungskraft. Die irische Hindernisrennreiterin Rachael Blackmore zeigt allen Zweiflern, wo es langgeht, wenn man eine Frau in den Rennsattel lässt. Jetzt gewann sie den renommierten Chelsea Gold Cup, mit so einem großen Abstand, dass sie quasi schon den ersten Champagner trank, als die Konkurrenz den Zielpfosten passierte. Eine Hommage von Gabriele Pochhammer, St.GEORG-Herausgeberin.

Gleichberechtigung herrscht erst, wenn niemand mehr davon spricht. In unserem Reitsport ist es ja längst soweit. Ob auf dem vierbeinigen Dressur-, Spring- oder Buschsieger ein Mann sitzt oder eine Frau, ist kaum noch eine Nachricht wert. Jetzt schon gar nicht mehr, nachdem Julia Krajewski mit ihrem Olympiasieg in Tokio auch die vorletzte Männerdomäne kippte. Fehlt nur noch die Springolympiasiegerin in der Einzelwertung – das dürfte eine Frage der Zeit und nicht des Prinzips sein.

Doch im Rennsport gelten immer noch andere Regeln, Frauen werden selten für die besten Pferde in den besten Rennen gebucht. Und das ist nun mal die Voraussetzung für die größten Siege. Die 32-jährige Rachael Blackmore straft durch ihre sensationellen Erfolge in irischen und britischen Hindernisrennen die Vorurteile all derer Lügen, die Frauen lieber in kleinen Rennen auf mittleren Pferden sehen, wo sie ihren Spaß haben sollen, aber bitte nicht den „richtigen“ Jockeys in die Quere kommen. Und trotzdem kämpfen sich immer wieder Frauen nach vorne, in Deutschland zum Beispiel Sibylle Vogt.

Rachael Blackmore hat 2021 als erste Frau den Grand National gewonnen, den Härtetest für Pferde und Reiter, und am vergangenen Wochenende das andere große klassische Hindernisrennen, den Cheltenham Gold Cup auf A Plus Tard, wiederum als erste Frau. Ein nervenzerfetzendes Rennen auch für die Zuschauer, Blackmore lag lange im hinteren Drittel des Feldes, bis sie ganz am Schluss nach den letzten Hindernissen eine Lücke fand und ihr Pferd quasi mit dem ganzen Körper nach vorne schob. Und den Rest des Feldes einfach stehen ließ. Da soll noch einmal einer sagen, Frauen könnten im Finish nicht kämpfen wie die Männer!

Rachael Blackmore, Tochter eines Milchbauern und einer Lehrerin, wuchs auf wie viele irische Pferdemädchen vom Lande, immer ein Pony vor der Tür, jedes Wochenende ein Turnier, Springen, Rennen, Ponyspiele. Ihre Träume galten dem Filmklassiker „National Velvet“ aus dem Jahr 1944 mit der zwölfjährigen Liz Taylor in der Hauptrolle, die Geschichte eines kleinen Mädchen, das mit ihrem Pferd The Pie alle Cracks hinter sich lässt. Eigentlich wollte Rachael Blackmore Tierärztin werden, studierte dann „Equine Science“ und profilierte sich nebenbei als Amateurrennreiterin. Zur Abschlussprüfung konnte sie leider nicht kommen, weil gerade ein wichtiges Rennen anstand. 2015 wurde sie Profi, erst die zweite Frau seit 1980. Und am 10. April 2021 erfüllte sich der Kindertraum: auf einem Pferd namens Minella Times gewann Blackmore den Grand National.

„Ich fühle mich weder männlich noch weiblich, ja kaum menschlich“, sagte sie, nach Atem und um Fassung ringend, nach ihrem Sieg in die Mikrofone. Die „Wonder Woman“ der Rennplätze macht übrigens nicht nur im Rennsattel Bella Figura. Für das Outlet Dorf Kildare Village modelte die schlanke, 57 Kilo leichte Frau in sportlichem Brit Chic vor Rennbahnkulisse. Heute ist sie ein Superstar, kann sich die Pferde und die Rennen aussuchen.

Längst ist auch wissenschaftlich bewiesen, dass Rennreiterinnen ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen. Die Studie der Universität Liverpool, durchgeführt von Vanessa Cashmore, ist zwar schon vier Jahre alt, aber die Kernaussage gilt noch heute: Frauen gewinnen weniger Rennen, nicht weil sie schlechter, sondern weil sie extrem unterrepräsentiert sind, gerade in den wichtigen Prüfungen.

Dazu ein paar Zahlen: Über den gesamten Analyse-Zeitraum (2003 bis 2016) wurden 128.488 Rennen ausgewertet mit 1.255.286 Einzelstarts. Davon entfielen lediglich 5,2 Prozent auf weibliche Jockeys, davon 6,5 Prozent bei Flachrennen, 2,9 bei den Hindernisjockeys. Doch je weiter man in der Hierarchie nach oben geht, umso dünner wird die Luft für sie: In den Gruppe 1-Rennen waren Frauen nur eine exotische Randerscheinung, 1,1 Prozent der Einzelstarts. Bei ihren Untersuchungen hat Cashmore in einem komplizierten Verfahren die Qualität der Pferde herausgerechnet und kam zu dem Ergebnis, dass die „statistisch bereinigten“ Leistungen der Reiter und Reiterinnen exakt gleich gut waren.

Auch die Rennsportverbände bedauern pflichtgemäß die nicht vorhandene Chancengleichheit, jedenfalls theoretisch, und versprechen Besserung. Der Geschäftsführer der British Horse Racing Authority (BHA), Nick Rust, sagte nach Lektüre der Studie: Es gebe keinen Grund, weibliche Jockeys nicht als ebenso gut zu betrachten wie ihre männlichen Kollegen. „Wir sind stolz darauf, dass der Pferderennsport eine der wenigen Sportarten ist, in denen Männer und Frauen unter gleichen Bedingungen gegeneinander antreten können.“ Wenn weiblichen Jockeys aber nicht die gleichen Chancen eingeräumt werden wie den Männern, könne man aber nicht von echter Gleichberechtigung sprechen. „Es gilt jetzt zu verstehen und zu analysieren, warum es weniger weibliche Jockeys gibt als männliche – und warum diese auch weniger Startmöglichkeiten bekommen, speziell in höherklassigen Rennen.“

Es wurde nach bewährtem Muster eine Arbeitsgruppe gegründet, wahrscheinlich tagt sie noch heute, ohne wirklich etwas zu ändern. Denn solange die meist männlichen Pferdebesitzer glauben, Frauen fehle es an der nötigen Kraft in den Armen, an Härte und an Durchsetzungskraft, braucht es noch viele Rachael Blackmores, um das Gegenteil zu beweisen.men’s jordan retro 13 release date | cheap air jordan 1 dior

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Helmold Baron von Plessen

    Na – endlich findet ein hochbedeutendes Ereignis im Galopprennsport, in diesem Fall ein Rennen zwischen den Flaggen, in einem der von mir hochgeschaetzten Blogs der verehrtetn Herausgeberin des St.Georg, eine angemessene Wuerdigung. Das wurde auch wiklich einmal Zeit und ClipMyHorse koennte, anstatt inmmer nur Umfragen zu stellen, wie man das Programm erweitern und damit attraktiver gestalten koenne, endlich etwas tun, und solche hochinteressanten Rennen regelmaessig uebertragen, anstatt einen staendig mit Berichten ueber Online Auktionen und Hengstschauen zu ueberfuettern. So ist man gezwungen, sich sene Uebetragungen muehsam bei Youtube immer wieder zusammen zu klauben.

    Dass dabei auch noch ein leidenschaftliches Plaedoyer fuer die Vergabe von Ritten an Damen auf hochklassigeren Galoppern heraus kommt, finde ich auf grund der umfangreich durchgefuehrten Recherchen, einleuchtend und seitens der Eigentuemer und Trainer, denn diese haben bei der Vergabe von Ritten oft das letzte Wort, zielfuehrend und beherzigendswert.

    Hoffe, das Thema dieses Blogs war keine Eintagsfliege.

  2. Anja Sieg

    Hallo Herr von Plessen,
    wenn Ihre Satellitenschüssel entsprechend eingestellt ist, können Sie ITV aus UK empfangen. Die haben letzte Woche von Dienstag bis Freitag Cheltenham viele Stunden live gezeigt. Jeden Samstag ITV Racing live von verschiedenen Rennplätzen, mitunter auch an anderen Tagen. Derby z.B. oder wichtige Rennen in Irland, im Winter nur National Hunt, im Sommer Flachrennen. Lohnt sich, wenn Sie Rennsportfan sind.

  3. Helmold Baron von Plessen

    Sehr geehrte Frau Sieg, erst mal ein ganz herzliches Dankeschoen fuer Ihren zielfuehrenden Hinweis. Ich find’s einfach toll, daß sich eine freundliche Dame die Muehe macht, einer dem Galopprennsport vefallenen Person, so spontan zu helfen. Werde versuchen, unseren Techniker vom Hotel, in dem ich, wenn ich in Asunción/Py bin asteige, befragen, ob er unsere Satelliteschuessrl entsprechend aufruesten kann. Wird sicher nicht so ganz einfach sein. Mit nochmaligem Dank, bin ich,ohne mehr fuer heute, mit freundlichen Grueßen – Helmold Plessen


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