Global Dressage Forum: Trainer-Highlights und Diskussionsbedarf

Von
Frank Kempermann. Vorsitzender FEI-Dressurkomitee

(© Popp)

Die „Blutregel“ war auch beim Global Dressage Forum in Hooge Mierde (NED) ein Thema. Heiß diskutiert wurde auch über die Frage, wer den Vertreter der Reiter in das FEI-Dressurkomitee wählen darf. Daneben gab es erstklassiges Dressurtraining zu sehen.

Gleich der Auftakt des Global Dressage Forums in der Academy Bartels im niederländischen Hooge Mierde bot Zündstoff. Frank Kempermann, der Vorsitzende des FEI-Dressurkomitees, der den erkrankten Leiter des FEI-Dressur-Departments Trond Asmyr vertrat, war sauer. Der Organisator des CHIO Aachens  beschwerte sich, dass einige Stakeholders, wie die Interessenvertretungen im Pferdesport seitens der FEI genannt werden, einen Konsens gebrochen hätten.  Die Vertreter von Reitern, Turnierveranstaltern und Offiziellen hatten nämlich einen Entwurf zur Blood Rule, den das FEI-Dressurkomitee auf Anregung des Trainerclubs vorgeschlagen hatte und bei der FEI-Generalversammlung Mitte November zur Abstimmung vorlegen will, öffentlich abgelehnt. Damit hätten sie dem Image des Dressursports in der Öffentlichkeit geschadet, zürnte Kempermann. Gleichzeitig griff er die Medien an, die sich nur einseitig informiert und sich nicht mit ihm persönlich in Verbindung gesetzt hätten. Was aus journalistischer Sicht auch nicht notwendig war, denn es gibt seitens der FEI eine offizielle Pressemitteilung zu diesem Thema.

Während der weiteren Diskussion stellte sich schnell heraus, dass das FEI-Dressurkomitee anscheinend nicht bereit ist, anderen Interessengruppen wie dem Internationalen Dressur-Reiter-Club (IDRC), der Vertretung der Richter oder der der Turnierorganisatoren überhaupt nur zuzuhören. Stattdessen übernahm das Komitee der Vorschlag des Internationalen Dressur-Trainer-Clubs (IDTC). Er besagt, dass auf Senioren-Championaten, also zum Beispiel bei Welt- und Europameisterschaften und Olympischen Spielen, ein wegen Blut am Körper während der Aufgabe abgeläutetes Pferd nach einer tierärztlichen Untersuchung erneut starten darf, sollte es sich um eine geringfügige, nicht- tiersschutzrelevante Verletzung handeln. Die Vertreter der genannten Gruppen, die offiziell eine andere Meinung als das FEI-Dressur-Komitee vertreten, hatten dennoch im Dressur-Komitee für den Vorschlag des IDTC gestimmt. Wie kann das passieren? Nun, für eine Befragung der Mitglieder habe es laut Frank Kempermann keine Möglichkeit gegeben. Hier besteht ganz offensichtlich eine Kluft zwischen der Meinung der Reiter, Offiziellen und Veranstalter und ihrer Vertreter im Dressurkomitee. Meinungsunterschiede wurden in Hooge Mierde auch innerhalb der Clubs wurden bei den parallel abgehaltenen Mitgliederversammlungen von IDTC und IDRC und bei zahlreichen Wortmeldungen im Forum deutlich.

Kyra Kyrklund als Präsidentin des IDRC stellte klar: Unsere Stimme wurde gar nicht gehört, unsere Versuche, unsere Meinung kundzutun, wurden unterbunden. Es gab keine interne Diskussion seitens des FEI-Komitees mit den Stakeholders. Was den IDRC betrifft, so hat sehr wohl bei diversen Treffen wie anlässlich des CHIO Aachen oder durch eine Online-Mitgliederbefragung eine Meinungsbildung stattgefunden. Auch bei den Richtern gibt es offenbar verschiedene Meinungen. Der niederländische Championats-Richter Wim Ernes, der in diesem Frühjahr in Wellington Anja Plönzke wegen Blut am Maul hatte abläuten müssen, sagte dazu: Ein Richter sollte nicht die Entscheidung treffen müssen, ob ein Pferd im Wettkampf bleiben darf oder nicht. Was sollen wir sagen, wenn z.B. wie bei Anja Plönzke das Argument käme, sie hätte dem Pferd vor der Prüfung eine Karotte gegeben? Ich bin dafür, dass ein Pferd nach der Untersuchung durch einen Tierarzt die Prüfung gegebenenfalls fortsetzen kann. Und wenn ein Pferd in der Prüfung lahmt? Auch dann muss der C-Richter die Verantwortung übernehmen und das Pferd abläuten. Wenn es nur kurz auf einen Stein getreten ist und draußen nicht mehr lahmt, bzw. kein tierärztlicher Befund diagnostiziert wird darf dieses Pferd dann auch wieder an den Start gehen?

Überwiegend waren die rund 200 Zuhörer des Dressage Forum der Ansicht , dass ein Pferd mit Blut am Maul (oder am Sporen) von einer Prüfung ausgeschlossen werden soll. Dazu zum Beispiel FEI-Statistiker David Strickland, Man muss sich nur die Folgen für den Sport vorstellen, wenn ein Pferd, das wieder zugelassen wird, erneut in der Prüfung anfinge zu bluten, das wäre das Ende des Sports. Auch der australische Verhaltensforscher und ehemalige Vielseitigkeitsreiter Andrew McLean fügte an: Für mich besteht darüber überhaupt kein Diskussionsbedarf. Ein Pferd mit Blut am Körper muss von der Prüfung ausgeschlossen werden.

 

 

Doch das Zerwürfnis zwischen FEI-Dressurkomitee und dem IDRC ist offensichtlich weitaus tiefer, als es die Diskussion über die Blut-Regel erkennen lässt. In der Vergangenheit hatte immer der vom IDRC vorgeschlagene Kandidat Einzug in das Komitee als Vertreter der Reiter gehalten. Da den jetzigen Komiteemitgliedern offenbar der vom IDRC vorgeschlagene Kandidat Wayne Channon (Großbritannien) nicht genehm ist, versucht das Komitee, das Reglement nun nach seinen Vorstellungen auszulegen. Dafür wurde mit dem spanischen Dressurreiter und -trainer Luis Lucio ein Kandidat benannt, der erst vor kurzem in den IDRC eingetreten ist, eine Voraussetzung, um sich um einen Sitz als Reiter-Vertreter im Dressurkomitee bewerben zu können. Daraufhin hat der IDRC das FEI-Tribunal angerufen, um die rechtliche Lage zu klären. Eine Entscheidung soll heute am 2. November fallen. (Wir werden umgehend berichten.)

Anders als noch vor einigen Jahren, als die Rollkur in den Niederlanden hoch im Kurs stand, waren die Trainingsstunden der diesjährigen Referenten, von Kyra Kyrklund, Nathalie zu Sayn-Wittgenstein und Carl Hester (Letzterer gemeinsam mit Charlotte Dujardin) jenseits jeder Diskussion und man kann sich nur wünschen, dass möglichst viele Forum-Besucher das Demonstrierte und Gesagte tief in ihrem Herzen und Verstand aufnehmen. Bei allen Genannten stand das Miteinander mit dem Pferd, die harmonische Einwirkung und der Umstand, dass Geduld auch mit schwierigen Pferden vieles möglich macht, im Vordergrund. Und Carl Hester sprach für alle drei Referenten, wenn er sagte: Mein Ziel ist es, ohne Druck zu reiten.

Bei sehr persönlichen Gesprächen mit GDF-Moderator Richard Davison in Kaminfeuer-Atmosphäre bot sich den Forumbesuchern die Gelegenheit, nicht nur mehr über die Trainingsmethoden beider Reiter sondern auch die private Seite und den reiterlichen Werdegang von Nathalie zu Sayn-Wittgestein und von Carl Hester zu erfahren.

Was den wissenschaftlichen Teil betrifft, so sind vor allem die Beiträge von Hilary Clayton, Inga Wolfram und Andrew McLean zu nennen. Die US-amerikanische Tierärztin, Biomechanikerin und ehemalige Grand-Prix-Dressurreiterin zeigte auf, dass der Galopp meistens, vom Auge nicht wahrnehmbar, ein Viertakt statt des angenommenen Drei-Takts ist, auch bei vierbeinigen Olympischen Medaillen-Gewinnern. Während beim jungen Pferd in der Phase, in der das diagonale Beinpaar gleichzeitig auffußt, das Hinterbein als erstes auf dem Boden aufkommt, ist es bei dem weiter ausgebildeten, in stärkerer Aufrichtung gehenden Pferd das Vorderbein, da es damit die Aufrichtung abstützt. Nur ein Pferd, der analysierten Olympischen Medaillengewinner Graf George verhielt sich wie ein junges Pferd und fußte zuerst mit dem Hinterbein auf. Für Hilary Clayton besteht reglementsmäßig jedoch kein Handlungsbedarf: Solange dies nicht mit bloßem Auge sichtbar ist, ist das in Ordnung. Stattdessen plädierte sie für eine Reglementsänderung bei der Galoppirouette. Hier verlangt das Reglement einen Drei-Takt. „Aber schon mit bloßem Auge ist ein Vier-Takt zu erkennen. Das geht auch gar nicht anders, aufgrund der Beugung der Hinterhand und der Arbeit der Rückenmuskeln, um die Vorhand aufzurichten, damit sie um die Hinterhand springen kann.“ Der einzige, der sich davon im Forum nicht überzeugt zeigte, war der IDTC-Präsident David Hunt. Er bestand darauf, dass eine korrekt gesprungen Pirouette einen Drei-Takt besäße.

Inga Wolfram konfrontierte die Zuhörer und vor allem die Richter unter ihnen mit der Tatsache, dass die Richter ihr Augenmerk gemessen bei 17 Fünf- und Vier-Sterne-Richtern beim Ansehen von verschiedenen Lektionen auf einem Video sowohl bei Trab- als auch Galopplektionen vor allem auf die Vorhand richten (56 Prozent). Auf die Hinterhand dem eigentlichen Motor der Bewegung des Pferdes entfällt nur zu 29 Prozent die Aufmerksamkeit, auf den Reiter sogar nur 3,5 Prozent. Irgendwie haben wir es doch geahnt, dass vor allem die spektakulären Bewegungen der Vorhand die Aufmerksamkeit der Richter anziehen! Der Tätigkeit der Kruppen- und Hinterhandsmuskelatur, dem häufig schlagendem Schweif als auch dem korrekten Sitz der Reiter scheint das Augenmerk kaum zu gelten.

Praxisorientiert waren die Ausführungen des Verhaltensforschers Andrew McLean, der an einem vor dem Scheren ängstlichen Pferd demonstrierte, wie man die Bewegungen des Pferdes kontrollieren kann (z.B. Rückwärtsrichten an der Hand) und wie verschiedene Stimuli sich so überlagern können, dass das Pferd das eigentlich Furchterregende wie eine laut klappernde Schermaschine über sich ohne Widerstand ergehen lässt.

 

An dem gemeinsam von der International Society for Equitation Science (ISES) mit dem Global Dressage Forum gestalteten Veranstaltungstag am 29. Oktober, einen Tag vor dem offiziellen Beginn des Global Dressage Forums, hatte sich Kyra Kyrklund dem unabhängigen Sitz mit am Körper anliegenden Armen und das Pferd umschließenden Beinen gewidmet, aus dem alleine heraus auch eine korrekte Einwirkung erfolgen kann. Es wäre sicherlich auch an der Zeit, das Logo des GDF, das als Plastik auf der Anlage der Acadmey Bartels steht, neu zu konzipieren.  So ist es ein Zerrbild der Dressur: die Handhaltung viel zu hoch, die Unterschenkel des Reiters viel zu weit nach vorne und das Pferd rollkurmäßig auf den Kopf gestellt. Zu allem Unglück schlägt es auch noch mit dem Schweif.

Birgit Popp

(Ein Exklusiv-Interview mit IDRC-Präsidentin Kyra Kyrklund lesen Sie in der Dezember-Ausgabe des ST. GEORG)

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