Roeser fordert aktive Beteiligung an neuen Ideen zum Richten in der Dressur

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Featurebild Richten Richterhäuschen

Richten - Richterhäsuchen in Aachen biem CHIO (© Featurebild Richterhäuschen)

Die Diskussion über teilweise abstruse Ideen (ein Richter beurteilt lediglich die Anlehnung, ein anderer guckt nur nach Korrektheit der Lektionen etc.), nach welchen neuen Regeln zukünftig Dressurprüfungen international gerichtet werden sollen, hält weiter an. Nun hat sich auch ein Deutscher zu Wort gemeldet.

Dass Dressur etwas komplexeren Regeln folgt als Fußball – ok, die Abseitsregel wollen wir jetzt nicht diskutieren – ist nicht ganz neu. Trotzdem wurde gerade international in den vergangenen Monaten viel über die Zukunft des Sports im Viereck diskutiert. Dressurrichten, so die Kernthese, müsste transparenter, klarer und konsistenter werden. Dahinter steckt die Absage an nationalistisch angehauchtes Richten, an das berüchtigte „Promi-Judging“, was allerdings, wie der Fall des Niederländers Diederik van Silfhout bei den Europameisterschaften 2015 in Aachen gezeigt hat, bereits geahndet wird.

Mehr Transparenz

Würde tatsächlich das gerichtet, was am Tage X im Viereck zu sehen ist, könnte das den Dressursport sicherlich transparenter und damit vielleicht auch spannender machen.

Die unterschiedlichsten Gremien fühlten sich berufen, neue Ideen zu entwickeln, wie man den Dressursport attraktiver und das bedeutet konkret auch immer TV-tauglicher machen kann. Nicht nur durch neue Outfits oder Quadrillenreiten, sondern auch durch anderes Richten. Als Vorbild gilt seit längerem beispielsweise das Eiskunstlaufen, wo jeder Richter nur einen Aspekt während der Vorstellung des Athleten beurteilt. Angewandt für die Dressur würde dabei theoretisch folgendes Szenario herauskommen: Eine Piaffe, bei der das Pferd zwar deutlich gegen die Hand, aber korrekt am Punkt seine geforderten 12 bis 15 Tritte auf der Stelle absolviert, dabei aber sperrt und die Zunge (im schlimmsten Fall blau) zu sehen ist, könnte Höchstnoten für „Präzision/Korrektheit“ erhalten, im „Kontakt“ gäbe es Abstriche, der feste Rücken, die Zunge, Indizien dafür, dass hier etwas grundsätzlich falsch ist, würden zwar auch in eine Bewertung einfließen, aber eben durch „technische“ Noten kompensiert werden. Die Diskussion um „mechanische Tritte“ in Piaffen flammte gerade hinter den Kulissen in der Ära van Grunsven/Salinero häufig auf, aber eben nur hinter den Kulissen. All dies sind freilich Nuancen, die dem Gelegenheits-Dressurzuschauer vorm TV kaum auffallen werden. Der versteht Kür ist, wenn das Pferd tanzt – und in Sachen Kürbeurteilung gibt es ja bereits ein neues Verfahren, wie man zu einer objektiveren Einschätzung des Schwierigkeitsgrades kommen kann, der erstmals in der Weltcupsaison 2016/17 mit dem Finale in Omaha zum Einsatz gekommen ist. Das Dressurkomitee der FEI hat deswegen eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die Dressage Judging Working Group (DJWG) bestehend aus Frank Kemperman (niederländischer Organisator des CHIO Aachen), Maribel Alonso (mexikanische Dressurrichterin, international im Einsatz auf 5*-Niveau), Kyra Kyrklund (finnische Weltklassereiterin und jetzt Trainerin), Richard Davison (britischer Dressurreiter mit Championatseinsätzen) und David Stickland (Statistiker, Physiker von der Princeton University).

Interessant: In einer Ausarbeitung des IDRC, die ST.GEORG vorliegt, steht hinter den Bewertungskriterien „Subtlenes and Submissiveness“, also Lockerheitsgrad und Durchlässigkeit der Vermerk „Needed?“ – „benötigt“?

 

Bei dem Sports Forum, zu dem der Weltreiterverband (FEI) vergangene Woche nach Lausanne eingeladen hatte, wurde das Thema Richten in der Dressur schnell abgehandelt, weil schon durch die Diskussionen im Vorfeld klar geworden war, dass die angedachten Veränderungen wenig sinnvoll wären und keine Mehrheit erzielen würden. Unterstrichen wurde das auch von einem Brief, den alle Teilnehmer am Weltcupfinale noch in Omaha formuliert und vor Ort unterzeichnet hatten. Tenor: Der IDRC, der Internationale Dressurreiter Club, spricht nicht für alle Reiter, man wolle sich zusammensetzen. Möglichst bald. Der Vorsitzende des IDRC, der Brite Wayne Channon, war mit eigenen Ideen weit vorgeprescht. Ideen, hinter denen viele der wirklichen Weltklasserreiter (Channon, Jahrgang 1958, hat mit 32 Jahren zu reiten begonnen und ritt 2005 und 2006 in den britischen Championatsequipen, hat aber keine internationalen Grand Prix-Ergebnisse über 70 Prozent in der Datenbank der FEI verzeichnet), nicht stehen. Die Mitgliedschaft am IDRC ist freiwillig, trotzdem geriert sich der Club gerne als Sprachrohr aller Dressurreiter. Eine der Ideen aus diesem Gremium sieht eine klar definierte Tabelle von Abzügen von der Idealnote vor: Unterteilt werden auftretende Probleme bei der Durchführung in „ernsthaft“ (serious), Abzug 2,0, „grundsätzlich/häufig“ (major), Abzug 1,0, „gelegentlich/signifikant“ (significant/occasional), Abzug 0,5 und „unbedeutend“ (minor/momentary), was die Note um 0,1 senken würde. Kritiker sprechen von einem Polizeisystem, das außerdem praktisch schon aufgrund der knapp bemessenen Zeit nicht durchführbar wäre.

Richten, aber wie?

Wie in vielen Verbänden sind an dem Brei namens „internationale Dressur“ mehrere Köche, konkret eher Kochclubs, sprich die Interessenvertretung unterschiedlicher beteiligter Gruppen, vertreten. Neben dem IDRC gibt es beispielsweise noch die Vereinigung der Offiziellen (IDOC), die der Veranstalter (IEOA) und der Trainer (IDTC).

Beim Sports Forum war man schnell übereingekommen, dass vor allem eine bessere Ausbildung der Richter von Nöten sei. Auf dem Internetportal Eurodressage hat der Däne Hans-Christian Matthiesen, Vorsitzender des IDOC, bereits vor der Zusammenkunft in Lausanne ein klares Plädoyer für diesen Weg veröffentlicht. „The key-word is Education“, so sein Fazit.

Während weltweit viele Menschen sich berufen fühlen, ihren Teil zu der Problematik beizutragen, sind die deutschen Stimmen weniger präsent. Wohl auch deswegen hat sich der Vorsitzende des deutschen Dressurkomitees, Klaus Roeser, nun auf der Webseite Dressursport Deutschland zu Wort gemeldet. In seiner Funktion als Veranstalter (er ist als Geschäftsführer der PST Paul Schockemöhle Marketing GmbH verantwortlich u.a. für Turniere wie Neumünster, Frankfurt und demnächst Redefin) sitzt er seit 2015 im Dressurkomitee der FEI. Er fordert nun ein stärkeres Engagement:

So was muss aktiv gelebt werden. Es bringt nichts, sich nicht zu beteiligen und nachher zu schimpfen.

Und wer nun meint, internationale Debatten würden ihn selbst als deutschen Turnierreiter mit regionaler Ausrichtung nicht betreffen: Sollte das Richtsystem international grundlegend über den Haufen geworfen werden, dann wird es sicherlich auch national zu einer Neuausrichtung kommen. Wo möglich zu einer, in der dann auch Lockerheitsgrad und Durchlässigkeit zur Disposition stehen.The Global Destination For Modern Luxury | JmksportShops | Chaussures, sacs et vêtements | Livraison Gratuite

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

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