Olympiasieger und Reitmeister Harry Boldt feiert 90. Geburtstag

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Harry Boldt

Harry Boldt im CHIO-Museum im Verwaltungsgebäude des Aachen-Laurensberger Rennvereins 2017. (© www.toffi-images.de)

Heute vor 90 Jahren erblickte Harry Boldt das Licht der Welt. Er ist bis heute eine Größe des Dressur-Reitsports, die ihresgleichen sucht. Ein Blick auf das Leben des Reitmeisters und ehemaligen Dressur-Bundestrainers

Der Reitsport in die Wiege gelegt

Im Jahr 1930 wurde Harry Boldt im ostpreußischen Insterburg geboren. Sein Vater Heinrich Boldt verdiente im Reitsportverein seine Brötchen als renommierter Reitlehrer und Ausbilder – und zwar in Essen, wohin die Familie Boldt noch im Geburtsjahr von Harry Boldt zog.

Vater Heinrich wurde im Frühjahr 1939 von den Familien Bohlen und Halbach engagiert. Er förderte die beiden Töchter der Familien beim Einstieg in den Turniersport. Doch die Anstellung sollte nur von kurzer Dauer sein. Die Pferde der Töchter wurden im Herbst 1939 vom Militär eingezogen.

So bewegten sich auch die Möglichkeiten für Harry Boldt, selbst aufs Pferd zu kommen, während des Zweiten Weltkrieges gegen Null. Schließlich machte sich Vater Heinrich drei Jahre nach Kriegsende mit einem Reitstall selbstständig. Dort erteilte er Sohn Harry fortan regelmäßig Reitunterricht – die Liebe zum Pferd wurde ihm in die Wiege gelegt.

Vom Stangenwald in den Sandkasten

Harrys Herz schlug zunächst jedoch vor allem für das Springreiten, wo er Prüfungen bis zur Schweren Klasse bestritt. Doch dann schwenkte er auf das Dressurreiten um und trainierte bei Käthe Franke, eine zu damaligen Zeiten sehr bekannte Trainerin und Ausbilderin, die auch den jungen Dr. Reiner Klimke formte.

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Harry Boldt auf Brillant nach dem Sieg in einer Intermediaire in Rotterdam im Jahr 1958. (© St.GEORG Archiv)

Bis er 27 Jahre alt wurde, war Harry Boldt noch bei seinem Vater beheimatet. 1957 lernte er seine erste Frau kennen und bekam mit ihr ein Kind. Daraufhin zog die junge Familie nach Iserlohn, wo sich Boldt jun. mit einem Turnierstall selbstständig machte. Es dauerte nicht lange, bis Harry Boldt sich in der Szene einen Namen gemacht hatte. Regelmäßig arbeitete er mit bekannten und hoch angesehenen Ausbildern wie Felix Bürkner, Otto Lörke, Bubi Günther und Willi Schultheis zusammen und verfeinerte dadurch seine Reitkunst bis nach und nach bis hin zum Grand Prix-Niveau.

Das erste Olympiapferd: Remus

In den frühen 1960er-Jahren erritt sich Boldt jun. einen Stammplatz im deutschen Championatsteam. Sein erstes Erfolgspferd war der Schimmelwallach Remus v. Ramzes. Remus war Boldts erstes selbst ausgebildetes Pferd, und mit ihm vertrat er die deutschen Farben bei den Olympischen Spielen von Tokio im Jahr 1964. Zusätzlich zum Teamgold mit der deutschen Equipe (gemeinsam mit Josef Neckermann und Dr. Reiner Klimke) gewann er auch noch die Einzel-Silbermedaille.

Dabei hatte Boldt am Anfang noch seine Zweifel, ob Remus für das große Viereck geeignet ist: „Mit vier Jahren war er noch so klein und schmächtig. Das sah so aus, als ob ich auf einem Pony sitze. Ich hätte nie gedacht, dass aus ihm einmal ein Grand Prix-Pferd wird. Als junges Pferd fehlte ihm die Gehfreude. Er konnte mitten im Training stehenbleiben und ging keinen Schritt mehr weiter.“ Boldt bekam den Schimmel aber auf seine Seite und im Alter von nur acht Jahren konnte Remus schon seinen ersten Grand Prix gewinnen. „Ein tolles Gefühl“ war das für Harry Boldt, sein Pferd selbst bis in die höchste Klasse der Dressur zu bringen und daran auch selbst enorm zu wachsen.

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Harry Boldt auf Remus v. Ramzes. (© St.GEORG Archiv)

 

Das erste Championat für den damals 34-jährigen Harry Boldt markiert den Beginn einer Erfolgsserie, die sich über die nachfolgenden Jahrzehnte ausdehnen sollte.

Das Paar Remus/Boldt gewann gemeinsam Teamgold, Einzelsilber und -bronze bei Welt- und Europameisterschaften. 1966 entschieden sie die Deutsche Meisterschaft für sich.

Insgesamt sind 143 Siege in der Klasse S für Remus verzeichnet.

 

 

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Remus v. Ramzes, als er von Harry Boldt (rechts) und Dr. Reiner Klimke aus dem Sport verabschiedet wird. (© St.GEORG Archiv)

Die perfekte Komposition von Kaliber und Adel: Woycek

Auf Remus folgte das Pferd, das Harry Boldt bis heute als das beste Pferd seiner Karriere beschreibt: der 1,80 Meter hoch gewachsene, kalibrige aber dennoch anmutige Wunsch II-Sohn Woycek. Der Hannoveraner war bereits von Udo Nesch bis zum Grand Prix-Niveau ausgebildet worden, ehe er seinen Weg in den Stall von Harry Boldt fand.

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Harry Boldt auf Woycek. (© St.GEORG Archiv)

Der sagt über den Fuchswallach: „Er war ganz klar im Kopf. Wenn ich ihn forderte, war er da. Das ist es, was ein Spitzenpferd damals brauchte, um im Sport bestehen zu können“.

Woycek war so ausgeglichen, dass man auf seinem Rücken hätte Skat spielen können, wenn er sich zum Mittagsschlaf hingelegt hatte.

Ein aufregendes Erlebnis mit dem Hannoveraner ist Harry Boldt bis heute sehr präsent im Gedächtnis geblieben: „Als wir zur Europameisterschaft nach Kiew fuhren, fing ein anderes Pferd im Transporter an zu toben. Mitten in der Stadt mussten wir alle Pferde ausladen. Woycek schoss erst etwas übermütig und aufgeheizt aus dem LKW heraus und graste dann aber sofort ganz friedlich auf einem Grasstreifen. Er ließ sich überhaupt nicht beeindrucken von dem Trubel.“

Zwölf Jahre nach seinem ersten großen Erfolg bei Olympia ging Harry Boldt 1976 mit Woycek bei den Olympischen Spielen in Montreal, Kanada, an den Start. Erneut gab es für ihn und seinen vierbeinigen Partner im Viereck Einzelsilber und Teamgold.

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Die vergoldete Mannschaft von Olympia 1976 in Montreal: v.l. Harry Boldt auf Woycek, Gabriela Grillo auf Ultimo und Dr. Reiner Klimke auf Mehmed. (© St.GEORG Archiv)

Daneben fallen in die Ära Boldt/Woycek Team-Goldmedaillen sowie Einzelsilber und -bronze bei Europameisterschaften, Teamgold bei den Weltmeisterschaften in Goodwood (Großbritannien) sowie der Sieg beim Deutschen Dressur-Derby in Hamburg.

Boldt for Gold

In der Karriere von Harry Boldt reihte sich Erfolg an Erfolg. Und das nicht nur während seiner Zeit als Aktiver. 1980 beendete Harry Boldt im Alter von 50 Jahren seine sportliche Karriere. Fortan war er aber als Bundestrainer der deutschen Dressurreiter aktiv und das sehr erfolgreich. Seitdem kam er jedes Jahr in die Aachener Soers zurück – bis heute.  In seiner 16-jährigen Amtszeit als Bundestrainer stand seine Mannschaft in Aachen auf dem Siegertreppchen stets ganz oben. Er war Trainer von den drei Einzel-Olympiasiegern Dr. Reiner Klimke (Los Angeles 1984), Nicole Uphoff (Seoul 1988) sowie Isabell Werth (Barcelona 1992).

Hier sind seine Erfolge in der Übersicht:

• Olympische Spiele: jeweils zweimal Teamgold und Einzelsilber (Tokio 1964, Montreal 1976)
Weltmeisterschaft: Einzelsilber (1966), zweimal Teamgold (1966, 1978)
Europameisterschaft: Einzelsilber (1963), jeweils dreimal Einzelsilber und Teamgold (1965, 1975, 1977), jeweils zweimal Einzelbronze und Teamgold (1967, 1979)
Deutsche Meisterschaft: dreimal Gold (1966, 1973, 1977)
• Als Bundestrainer erreichte er zwischen 1981 und 1996 50 Medaillen bei Olympia, Europa- und Weltmeisterschaften, davon 31 mal Gold
• Ehrung zum Reitmeister (1989)
• Verleihung des Reiterkreuzes in Gold (1995)

Boldt for Bibel

Harry Boldt hat eine klare Sicht darauf, wie gute Dressurpferde gebaut sein und welches Interieur sie mitbringen müssen, und wie der Reiter sie mit einer korrekten Ausbildung bis in die höchste Klasse des Dressursports fördern kann.

FN Verlag

Aus der Fachliteratur ist „Das Dressurpferd“ von Harry Boldt nicht mehr wegzudenken. (© FN Verlag)

Die Erfahrungen, die er über Jahrzehnte selbst sammelte, brachte er bereits Ende der 1970er-Jahre zu Papier. Und wie sollte es anders sein: auch hier mit vollem Erfolg. Das 1978 erstmalig erschienene Buch „Das Dressurpferd“ und gilt als „Bibel“ der Fachliteratur. Neuere Auflagen sind neben Deutsch auch in englischer Sprache übersetzt worden – „Das Dressurpferd“ ist ein Werk von internationaler Bedeutung.

Über die Voraussetzungen eines guten Dressurpferdes schreibt Boldt:

Es sollte gute Grundgangarten, ein schönes Vorderbein und genügend Hals für den Reiter haben. Und natürlich wünscht man sich Eleganz und Schönheit. Aber das sollte man nicht überbewerten.

Was laut Boldt deutlich mehr zähle, ist die Einstellung. Ein Pferd müsse nicht nur können, sondern vor allem wollen.

Mit seinem für die Fachliteratur bedeutenden Buch möchte sich Boldt allerdings nicht rühmen. Theorie sei das eine, aber worauf es letztlich wirklich ankomme, sei was man in der Praxis daraus mache.

Ehre, wem Ehre gebührt

Und diese Praxis, von der Harry Boldt spricht, ist nicht ohne den Reiter zu denken. Er selbst bekam im Jahr 1989 den Titel des Reitmeisters verliehen.

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Harry Boldt (re.) im Jahr 1989, in dem er zum Reitmeister ernannt wurde. (© St.GEORG Archiv)

Nicht nur über das ideale Dressurpferd, sondern auch über die Reiter hat Boldt eine klare Meinung. Seiner Ansicht nach hat sich der Sport immer mehr hin zu einer starken Handeinwirkung entwickelt. Boldt bedauert das. Die Pferde können sich dann nicht mehr korrekt im Hals öffnen, sagt er.

Die wirklich guten Pferde werden durch die richtige reiterliche Ausbildung so geformt, dass sie von alleine schön werden.

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Harry Boldt und Woycek (© St.GEORG Archiv)

 

Reiterliche Exzellenz sieht Boldt darin, sich binnen kurzer Zeit auf viele unterschiedliche Pferdetypen einzustellen. Isabell Werth gelinge das besonders gut und „das lernt man nur durch eines: Reiten, reiten, reiten“ – so fasst es Boldt zusammen.

Vom aktiven Reiter zum Bundestrainer wechselte er im Jahr 1980. Diese Entscheidung fällte er in erster Linie aus ganz pragmatischen Gründen: „Damals durften nur Amateure Championate reiten und ich dachte mir, dass irgendwann auch mal Schluss sein muss, damit ich Geld verdienen kann.“ Insgesamt 50 Medaillen in seiner Amtszeit von 1981 bis 1996 stehen für seine Zeit als Bundestrainer zu Buche.

Wie ihm diese erfolgreiche Karriere als Trainer gelang? „Ein guter Ausbilder braucht 20 Jahre und muss 30 Pferde bis zum Grand Prix geritten haben, um seinen Schüler optimal unterrichten zu können. Das Gefühl für das Pferd und den Reiter kommt mit der Erfahrung.“

Boldt auf der Sonnenseite des Lebens

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Harry Boldt im Dressurstadion der Aachener Soers. (© www.toffi-images.de)

Im Alter von 60 Jahren entschloss sich Boldt dazu, ins australische Perth auszuwandern. Zusammen mit seiner zweiten Ehefrau betrieb er dort zwei Jahrzehnte lang eine Reitanlage. Aber auch nach der Scheidung im Jahr 2008 hielt es ihn in Down Under: „300 Tage Sonne im Jahr – das ist einfach Lebensqualität.“

Einen festen Jahrestermin gibt es für Harry Boldt aber noch. Das Weltfest des Pferdesports in der Aachener Soers, wo er selbst so viele Erfolge feiern konnte. Stets ist der Besuch der Veranstaltung auch ein Wiedersehen mit Weggefährten aus 50 Jahren Reitsport: Klaus Balkenhol, Ruth Klimke, Monica Theodorescu, Christoph Koschel, Nicole Uphoff-Selke, Christoph Hess und Madeleine Winter-Schulze. 2019 fieberte Boldt aber auch mit den deutschen Dressurreitern bei den Europameisterschaften in Rotterdam mit.

Happy Birthday, Harry Boldt!

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Harry Boldts ruhmreiche Rückkehr nach seinem Erfolg bei den Olympischen Spielen 1964. (© St.GEORG Archiv)

Der St.GEORG kann zwar nicht – wie hier im Bild zu sehen – mit einer eigenen Blaskapelle aufwarten, aber Ihnen hoffentlich mit diesem Geburtstags-Gruß eine Freude bereiten.

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Gloria Lucie AlterRedakteurin

Hat sich parallel zum Volontariat beim St.GEORG im Studium mit „Digital Journalism“ an der Hamburg Media School befasst. Als Redakteurin liefert sie Beiträge aus den unterschiedlichsten Bereichen, von Reitlehre bis zu Produktneuheiten. Ihre Erfahrungen aus Tätigkeiten bei privaten TV-Sendern in Köln ergänzen sich mit ihrer Kompetenz in Social Media und Videocontent.