Das Gelände bei Olympia: Viel zu springen, eine Chance für jeden

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Sprung 6

Sprung 6: "Park Footbridge" - Die Parkbrücke (© www.st-georg.de)

Gabriele Pochhammer hat bei der Besichtigung des Geländeparcours von Olympia in Tokio mit Parcoursdesigner Derek di Grazia gesprochen. Auch die deutschen Athleten rund um Bundestrainer Hans Melzer berichten der St.GEORG-Herausgeberin von ihren Eindrücken der Strecke.

„Wir mussten diesen Kurs aus dem Nichts erschaffen“, sagt Derek di Grazia. Man sieht es dem hügeligen, grasbewachsenen Sea Forest, der nur durch eine Brücke mit dem Stadtgebiet Tokyo verbunden ist, nicht an, dass hier vor einiger Zeit noch eine Mülldeponie die Gegend verpestete. Für den US-amerikanischen Parcoursdesigner stellte dies eine besondere Herausforderung dar, denn es bedeutet, dass nirgendwo tiefer als 40 Zentimeter gegraben werden durfte, quasi alles überirdisch aufgebaut werden musste. Mehrere tausend Bäume standen im Weg, sie wurden nicht gefällt, sondern innerhalb des Geländes verpflanzt, um Platz zu machen für die Trassen und Hinderniskomplexe. Mit dem bewährten britischen Aufbauer-Team um David Evans entstand ein 4420 Meter langer Kurs, bestückt mit 23 Hindernissen, die 36 „Efforts“, also Sprünge, erfordern. Auch ein Wasseraus- bzw. -einsprung zählt als Effort.

Strecke verkürzt

Das Zeitlimit beträgt 7:45 Minuten. Nach den Erkenntnissen des Testevents 2019 wurde die Strecke noch einmal verkürzt. „Ursprünglich hatten wir einen Zehn-Minuten-Kurs geplant“, sagte di Grazia. Die Prüfung wurden in den frühen Morgen verlegt, um 8.30 Uhr geht das erste Pferd ins Gelände, da ist es in Tokio schon richtig heiß. Wenn es denn nicht regnet, was aber nur bedingt Abkühlung bedeutet. Die letzten der 63 Pferde werden der Hitze nicht ganz entkommen können. Nach dem Ritt werden sie in einem großen Zelt versorgt. Dort werden von den Tierärzten nicht nur ihre Werte –  Temperatur, Atem, Herzfrequenz–  kontrolliert, hier stehen vor allem die Kühlteams bereit. Bestes Mittel, auch im Zeitalter von Hightech: eimerweise kaltes Wasser.

Sportlich, aber keine Kunstwerke

Der erste Eindruck des Kurses: ein hügeliger, technisch anspruchsvoller Vier-Sterne-Kurs mit Verwendung vieler Baumstämme und anderer relativ einfacher Materialien. Kein Kunstwerk, in dem sich ein Designer verwirklichen will, kein kreativer Schnickschnack, sondern ein Kurs, der besten olympischen Sport unter schwierigen Bedingungen ermöglichen soll. Neben dem besonderen Gelände und dem Tokioter Sommerwetter musste di Grazia noch eine dritte Herausforderung im Auge behalten: Nirgendwo ist das Starterfeld so gemischt wie bei Olympischen Spielen. Natürlich musste alle Reiter in ihrer Länderregion eine Grundqualifikation, die „Minimum Eligibility Requirements (MER)“ erbringen, um zu zeigen, dass sie und Pferd in der Lage sind, einen Olympiakurs zu bewältigen. Aber es ist schon ein Unterschied, ob einer seine „Eligibility“ in einem britischen Vier-Sterne-CCI erbracht hat oder in der Vielseitigkeits-Diaspora am anderen Ende der Welt.

Vom Aufbauer wird erwartet, dass er sie alle heil nach Hause bringt, die Guten sollen am Ende vorne sein, damit nicht ein Zufallssieger auf dem Treppchen steht. Gleichzeitig sollen von den schwächeren Paaren nicht durch überlange leichtere Alternativen zusätzliche Kraftanstrengungen gefordert werden. Di Grazia hat deswegen auf  große Umwege verzichtet, die Alternativen verlangen keinen Richtungswechsel innerhalb des Hinderniskomplexes und erlauben flüssiges Weitergaloppieren. Auch zwischendurch sind Galoppstrecken eingebaut. „Wenn das Pferd immer wieder aus dem Tempo genommen wird, wird auch der Atemrhythmus gestört“, sagt er. Allerdings muss sich der Reiter von vornherein entscheiden, ob er direkt und schnell oder lang und langsamer reiten will, zwischendurch umzuswitchen, wenn was nicht klappt, ist fast nirgendwo möglich. „Dazu sollte sich der Reiter vorher ganz genau die Ausschilderung mit den Buchstaben merken“, sagt di Grazia zu seinen eingebauten Denksportaufgaben. MIM-Sicherungssysteme, die an mehreren Hindernissen angebracht sind, vor allen an Hochweit-Sprüngen am hinteren Element, sollen schwere Unfälle verhindern. Dabei gibt es zwei Sorten, die etwas stabileren roten, die erst bei einem deutlichen Rumpler nachgeben, und die neu entwickelten gelben, die schneller aufspringen. Das Auslösen der Sicherung kostet elf Strafpunkte.

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Nach drei einladenden Anfangssprüngen wartet bereits bei 4 und 5 der erste Wasserkomplex, auch zum Schluss bekommen die Pferde nochmal nasse Hufe. Wenn denn Zuschauer zugelassen wären, hätten sie an vielen Stellen einen guten Blick auf mehrere Sprünge gehabt. Aber sie sind ja in Sea Forest genauswenig zugelassen wie im Reitstadion. Jetzt kann das Fernsehen allein diesen Vorteil nutzen.

„Der nächste Sprung ist immer der schwerste“

Den deutschen Reitern gefällt die Geländestrecke. „Ein toller Kurs“, sagt Bundestrainer Hans Melzer, „mit sehr gutem Geläuf. Die Alternativen sind fair und nicht ermüdend. Aber es gibt auch mehr zu springen als gedacht.“ Gebraucht werde ein rittiges Pferd, das „im Flow“ galoppiert , aber nicht pullt. Julia Krajewski vertraut auf das Springvermögen ihrer Stute Amande de B`Neville. „Sie behält den Überblick und bleibt cool“, ist sie sich sicher. Michael Jung spricht von Top-Bedingungen, er kann mit Chipmunk zum dritten Mal in Folge Einzelolympiasieger werden, das war noch keiner vor ihm.  Sandra Auffarth, die den französischen Fuchs Viamant du Matz satteln wird,  gibt zu, dass sie beim ersten Abgehen beeindruckt gewesen sei, sie hält den Kurs bei allen Anforderungen aber für pferdefreundlich. Selbst Reservist Andreas Dibowski, der nur im Springen zum Zuge kommt, falls ein anderer nicht antreten kann, verbuchte die Zeit in Tokio positiv. „Man muss ja abrufbar bleiben, deswegen war man die ganze Zeit voll integriert und fühlte sich nicht als Mensch zweiter Klasse“

Die Deutschen haben einen guten Startplatz erwischt, vorletzte von 15 Mannschaften.

„Das gibt uns die Chance, schon ein paar Ritte anzusehen und daraus unsere Schlüsse zu ziehen“, sagte Melzer. Die Taktik ist so einfach wie einleuchtend: „Jeder soll so gut reiten wie er kann, auf Sicherheit zu gehen, bringt uns nicht viel.“ Welches Hindernis gilt als besonders schwierig? „Da halten wir es mit unserem früheren Trainer Chris Bartel“, sagt Sandra Auffarth, „der sagte, der nächste Sprung ist immer der schwerste.“nike air jordan 1 low outlet | GmarShops

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Müller

    Wunderschön, dass Sandra Auffahrt immer noch an den früheren Co Bundestrainer Christopher Bartle denkt und seine Ratschläge befolgt, ohne die sich die deutschen Erfolge sicherlich nicht eingestellt hätten. Danke dafür.


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