Olympia: Chris Bartle und die Reiter erklären den Geländekurs der olympischen Vielseitigkeit

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Auf geht es zum Geländerundgang!

(© Pauline von Hardenberg)

Was sind die großen Herausforderungen, die der olympische Vielseitigkeitskurs in Deodoro den Reitern und Pferden abverlangen wird? Honorartrainer Chris Bartle erklärt St.GEORG-Lesern exklusiv, worauf es am Montag ankommen wird.

Chris Bartles Zusammenfassung:

„Der erste Eindruck ist: Beeindruckend, ein wahrer Olympiakurs. Ich spreche nicht von Sterne-Niveau, denn Olympia ist anders als eine normale Viersterne-Prüfung. Drei Komponenten spielen eine Rolle für das Ergebnis: Die Hindernisse sind hoch und breit, es werden bereits im der ersten Drittel technische Fragen gestellt und das Terrain ist durch das ständige Auf und Ab sehr anspruchsvoll. Der mittlere Teil lädt zum Vorwärtsgaloppieren ein, das Pferd kann sich erholen, steht durch die weniger technische Aufgabenstellung nicht so unter Druck. Der dritte Teil ist der faszinierendste Teil. Er stellt die Teamfrage: Go for Gold oder Geh auf Nummer sicher. Am Ende hat nur der Sieger alles richtig gemacht. Es wird schwierig sein, die Zeit einzuhalten. Das ist typisch für den Aufbauer Pierre Michelet: Er will dass Selbstvertrauen des Reiters, sein Gefühl fürs richtige Tempo, seine Fähigkeit, das Pferd schnell zu wenden testen. Hier wird nicht gefragt, welches das mutigste Pferd ist, sondern welcher Reiter die engste Partnerschaft mit seinem Pferd hat. Wer hier gewinnen will, darf nicht nur auf Sicherheit gehen. Die Sprünge sind für das Pferd klar verständlich, auch die schwierigen.“

Die Reiter sagen folgendes:

Der erste Eindruck vom Geländekurs in Rio ist auch bei den Reitern: Schwer, olympisch, vier Sterne ohne Wenn und Aber. Die Eckdaten: 5840 Meter lang, zu reiten im Tempo 570 Meter pro Minute, erlaubte Zeit 10.15 Minuten, 33 Hindernisse mit 45 Efforts, also Sprüngen. Es gibt mehrere längere und zeitraubende Alternativen, bei denen am Ende aber nur ein Sprung mehr zu machen ist. Alle Hindernisse auf Höchstmaß, vier Wasserstellen. Drei Hindernisse – 17, b, und 22 sind mit zerbrechlichen Pins versehen, 24 mit einem aufklappbaren Mechanismus, bei dem die Stange zu Boden fällt, wenn das Pferd stark touchiert.

„Anspruchsvoll, aber ich freue mich“, sagt Ingrid Klimke. Sie reitet als Vierte nach Sandra Auffarth, Michael Jung und Julia Krajewski. Eigentlich eine ideale Position für jemanden, der eine Einzelmedaille anstrebt. Zumindest wenn die Vorreiter schon gut vorgelegt haben. „Das war in Blair bei der EM auch so, aber da war der Boden so tief am Ende, da hatte ich keine Chance“, sagt Ingrid Klimke, „diesmal ist der Boden ja sehr gut.“ Federndes Geläuf, aber ständig auf und ab. „Der Kurs erinnert mich an Sydney“, sagt sie. 2000 war Ingrid Klimke nach der Mannschaftsprüfung Zweite, also auf dem Silberplatz, was leider nicht in eine Medaille umgemünzt wurde, weil die Einzelmedaillen in einer gesonderten Prüfung verteilt wurden. Die Zeit einzuhalten werde schwierig werden, sagt sie. „Jeder Meter macht was aus, man muss ständig überlegen, wo kann man Zeit gut machen.“ Vor allem am Anfang, wo es bereits bergauf geht, darf das Tempo nicht zu hoch sein. „Sonst verliert das Pferde zuviel Laktat.“

Ansonsten ist Ingrid Klimke zuversichtlich: „Bobby hat alle Aufgaben, die hier gestellt werden, schon gelöst.“ Als Klippe empfindet sie das letzte Wasserhindernis Fischermen’s Cottage (28 bis 30). Nach Einsprung und zwei versetzten Hecken im Wasser folgt nach einer Wendung der „Frosch“, laubfroschgrün mit fester, nicht nachgebender Oberkante. Hans Melzer stimmt zu: „Die Oberkante verzeiht keinen Fehler. Ich finde, man hätte dem Frosch noch eine Frisur, etwa eine kleine Bürste geben sollen. „Steht da so rum, irgendwie ist er überflüssig“, sagt Ingrid Klimke. „Ich hoffe, da gibt es keine unschönen Bilder.“

Sie glaubt nicht, dass viele Reiter in der Zeit bleiben werden. „Man muss das Pferd an den technischen Sprüngen immer wieder zurücknehmen, die Zeit ist dann schwer wieder aufzuholen.“ Zum Glück geht es nicht nur bergauf, sondern naturgemäß auch wieder bergab: „Dabei kann das Pferd mal durchatmen und sich erholen. Nach siebeneinhalb Minuten ist es mit den Bergen vorbei, aber insgesamt muss das Pferd konditionell topfit sein.“

Auch Top-Favorit Michael Jung hütet sich, den Kurs zu unterschätzen. „Wir gehen alle positiv an die Sache ran“, sagt er, „schon vom Geländeprofil her ist es ein schwerer Kurs.“ Eher untypisch für Olympische Spiele, findet er, wo im allgemeinen Rücksicht auf die schwächeren Nationen genommen wird. Dass er überall den direkten Weg anstrebt, versteht sich von selbst, aber auch Jung rechnet nicht mit vielen Reitern, die das Zeitlimit einhalten.

Die kurzfristig eingewechselte Reservistin Julia Krajewski ist beeindruckt, aber zuversichtlich: „Zum Glück haben wir alle wendige, schnelle Pferde.“ Ihr Viersterne-Debüt liegt erst sechs Wochen zurück, in Luhmühlen wurde sie Dritte. Ihr Pferd Samourai du Thot hat den Flug bestens überstanden, frisst wie ein Scheunendrescher und ist fit wie ein Turnschuh. Ostholts Enttäuschung kann sie verstehen. Als die Nachricht vom Tausch kam, war sie alles andere als euphorisch: „Ich musste erstmal schlucken. Das wünscht man keinem Sportler!“

Jetzt die Sprünge in einzelnen:

Hindernis 1: Copacabana Flowerbed

Pauline von Hardenberg

Hindernis 1 Copacabana Flowerbed (© Pauline von Hardenberg)

Chris Bartle: „Die ersten drei Sprünge sind geradeaus anzureiten. Der Reiter muss nur aufpassen, dass er nicht zu viel Tempo aufnimmt, da es bereits leicht bergauf geht.“

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.