Olympia-Vielseitigkeit: Dressurstart etwas holprig, Jung stark: Führung

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Dressage Eventing – Olympic Games Tokyo 2020

Jung Michael, GER, Chipmunk, Olympia Tokio 2021 (© hippofoto.be)

Die Welt wurde wieder gerade gerückt und Bundestrainer Hans Melzer grinste entspannt. Mit seiner souveränen Dressurrunde hat Michael Jung an seinem 39. Geburtstag den Grundstein für den dritten Einzelolympiasieg gelegt, das wäre Rekord, und das deutsche Team wieder in die vorderste Reihe gerückt, auf Platz zwei, nur zwei Punkte hinter den führenden Briten.

Weisheiten für die Olympia-Vielseitigkeit gibt es mehrere: „Dies ist kein Dressurturnier“ und „der nächste Sprung ist immer der schwerste“, sind oft zitiert. Für die deutsche Vielseitigkeits-Equipe war der Start in den Wettbewerb wie die Fahrt mit dem Rollercoaster, wie die Achterbahn in Großbritannien, der Heimat des Eventing heißt. Es ging hoch mit Julia Krajewski, die nach einem seitens der Richter wenig generös beurteilten Ritt Dritte im Overnight-Klassement war.

Der Geländekurs Sprung für Sprung

Bei Sandra Auffarth und Viamant du Matz lief es nicht so wie erhofft. Nun wird „Mat“ nie einer werden, der durchs Viereck schwebt, aber gestern waren einfach ein paar Kinken zu viel drin, so dass die deutsche Mannschaft als Fünfte in die Nacht vorm letzten Dressurtag ging, sich erst dank Michael Jung auf Platz zwei (80,40) vorarbeiten konnte, mit 2,1 Punkten Rückstand zu den Briten (78,30), also fast nichts. Vorläufig auf Platz drei rangieren die Neuseeländer dank eines sicheren Rittes ihres letzten Starters Time Price auf Vitali (25,60).

Olympia-Vielseitigkeit

„Turniere werden zuhause gewonnen“, oder auf dem Abreiteplatz. Michael Jung bei der Vorbereitung zuzusehen war einfach nur eine Augenweide. Pferd und Reiter in feiner Abstimmung, viele Seitengänge, immer wieder die Selbsthaltung überprüfend. Dann eine längere Schrittphase bevor es von den Abreiteplätzen auf das Vorbereitungsviereck ging. Dort, wo die Pferd/Reiter-Kombination in den letzten Minuten vorm Start für sich allein ist. Vater und Trainer Joachim Jung sorgte für den letzten Feinschliff „etwas mehr Hinterhand“ sagte er einmal, „gut!, gut!“, gefühlte 30 mal. Ideal vorbereitet kam der zweifache Olympiasieger dann ins Stadion.

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„Die Welle“ für das Geburtstagskind Michael Jung: Julia Krajewski, Jürgen Koschel, Dr. Matthias Niederhofer, Hans Melzer in Tokio 2021 (© www.st-georg.de)

Mit 21,1 Punkten setzte sich Jung mit dem 13-jährigen Hannoveraner Chipmunk v. Contendro I-Heraldik xx an die Spitze des Feldes. Schon beim Einreiten machte das Paar einen hervorragendes Bild: das Pferd geschlossen, sicher an den Hilfen, Genick der höchste Punkt, Nase vor der Senkrechten, so federte er ins Viereck und so sieht Dressur aus. Dieses Bild bewahrte Jung durch die ganze spezielle Olympiaaufgabe, die mit ihrer schnellen Lektionenfolge nicht das kleinste Fehlerchen verzeiht und keine Chance lässt, ein Versehen auszubügeln. Lediglich ein halber Tritt zu viel beim Rückwärtsrichten, der Schritt mit wenig Übertritt, das war’s schon, was Kritiker bemängeln könnten. Das Ergebnis ist rein rechnerisch nicht besonders hoch, aber das Richtergremium war streng, bedachte keinen Ritt mit weniger als 20 Minuspunkten.

Bis zu Jungs Ritt lag der Brite Oliver Townend mit Ballaghmor Class vorne (23,60), gleich der zweite Starter, der das Programm zwar fehlerlos aber nicht besonders geschmeidig mit deutlich fester Anlehnung absolvierte. Vielleicht wär es hilfreich, auch bei Olympischen Spielen vorher ein Guinea Pig loszuschicken, einen Vorreiter, nach dem die Jury noch mal abstimmen kann, was sie sehen will.

Seinen dritten Platz konnte der Chinese Alex Hua Tin für seinen sehr schönen schwungvollen Ritt  (23,90) auf dem eleganten Don Geniro halten, der sowohl Oldenburger, als auch Trakehnerblut und Dressurblut über den Hannoveraner Giorgione v. Grundstein  führt, einst unter Carl Hester olympisch unterwegs.

Nachmittags Richtung Sea Forest

Heute Nachmittag werden die Pferde in den Sea Forest, eine Insel vor dem Hafen Tokios, verladen und die Reiter werden die Strecke nochmal abgehen, um sich ihren Plan zurecht zu legen. Da es kein Streichergebnis gibt, kommt es auf jeden an. „Wir müssen reiten, als ob wir im Mittelfeld liegen“, sagt Michael Jung, „wir müssen kämpfen.“

Zugute kommt dem deutschen Team, dass es erst als 14. von 15 Mannschaften dran ist. „Da kann man schon sehen, wie der Kurs sich reiten lässt“, sagt Bundestrainer Hans Melzer, „es sind schon ganz am Anfang sehr starke Reiter unterwegs, da kann man einiges sehen“. Auch ob die Zeit wirklich so knapp ist, wie es bis jetzt den Anschein hat. „Aber es gibt keine Aufgabe im Gelände, die wir in der Art noch nicht gesprungen haben“, sagt Jung zuversichtlich. Vor dem Wetter hat er keine Angst, obwohl er als vorletzter Starter erst kurz vor elf Uhr dran ist: „Es soll ja bewölkt sein, meist weht eine leichte Brise. Und bei uns war es in diesem Sommer ja auch schon heiß.“ Da hilft es, wenn jemand wie Jung nach den Worten des Bundestrainers „einfach ein cooler Typ“ ist.

Startzeiten für den Geländeritt

62 Paare gehen auf den 4420 Meter langen Kurs. Das Pferd der Österreicherin Katrin Khoddam-Hazrati, DSP Cosma, hat sich beim Abreiten ein Eisen abgetreten und wurde zurückgezogen. Wenn die 62 das Ziel erreichen, idealerweise nach 7:45 Minuten, liegen 23 Hindernisse mit insgesamt 36 Sprüngen, bzw. „Efforts“ also Anforderungen, hinter ihnen. Zunächst gehen die ersten Mannschaftsreiter auf die Strecke in Sea Forest. Für die Briten ist das beispielsweise Oliver Townend mit Ballaghmor Class um 7.48 Uhr, also 0.48 Uhr in Deutschland.

Daumendrücken für die Deutschen

Julia Krajewski, Vierte nach der Dressur, ist der „Pathfinder“ für die Deutschen. Mit Amande de B’Neville wird sie um 8.24 Uhr /1.24 Uhr in Deutschland) die Startbox verlassen. Zwischen den Mannschaftsreitern werden die Einzelreiter in zwei Gruppen à jeweils neun in den Cross gehen.

So ergibt es sich, dass Sandra Auffarth eine gute Stunde nachdem Julia Krajewski und „Mandy“ im Ziel angekommen sind, auf den Kurs müssen. Startzeit für Viamant du Matz und die Weltmeisterin von 2014 ist 9.36 Uhr (2.36 Uhr). Ein Austausch darüber, wie was zu reiten ist, kann also noch stattfinden.

Auch wenn die Reiter früh auf die Geländestrecke gehen, wird es schon sehr heiß sein. Derzeit zeigt die Wetter-App für den morgigen Sonntag in Tokio 28 Grad um 8 Uhr in der Frühe an. Beim Rundgang für die Medien stellte sich schnell heraus, wo das größte Problem ist: Diese Temperaturen beziehen sich stets auf den im Schatten zu erwartenden Wert. Schatten gibt es auf Sea Forest nicht.

Michael Jung und Chipmunk sind um 10.48 Uhr (3.48 Uhr) dann die letzen für die deutsche Equipe und die vorletzten des Starterfeldes. Noch am Samstag werden die Pferde dann die Boxen in Sea Forest wieder verlassen, zurück gen Equestrian Park.

Und wer ist noch bei der Olympia-Vielseitigkeit im Auge zu behalten?

Hier die weiteren Startzeiten der Top 10 nach der Dressur und einige Tipps der St.GEORG Redaktion:

REITERPFERD NATIONERGEBNISStartzeit/Dtld
Alex Hua TinDon Geniro CHN(23,9/3.)8.03/1.03
Tim PriceVitaliNZL(25,6/5.)10.45/3.45
Laura CollettLondonGBR(25,8/6.)9.00/2.00
Kazuma TomotoVinci de la VigneJPN(25,9/7.)7.57/0.57
Felix VoggColeroSUI(26,7/8.)7.54/0.54
Fouaad MirzaSeigneurIND(28,0/9.)8.48/1.48
Louise RomeikeCatoSWE(28,0/9.)9.21/2.21
Tom McEwenToledo de KerserGBR(28,9/12.)10.12/3.12
Andrew HoyVassily de LassosAUS(29,6/13.)10.24/3.24
Martin BoydTsetserleg

USA

(31,1/20.)10.15/3.15

Wir werden keinen vollständigen Liveticker vom Gelände bringen können, da es nur eine Behelfspressestelle gibt. Dort ist der WLAN-Radius begrenzt. Dennoch werden wir aber auf jeden Fall nach jedem deutschen Starter ein Update veröffentlichen. Wer alles morgens in seinem E-Mail-Postfach finden möchte, abonniert einfach den Olympia-Newsletter.men’s jordan upcoming releases | nike factory outlet foley al

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Ralph Clasen-Hoffmann

    Der Vater heißt immer noch Joachim 😉
    Und eigentlich wäre der Ritt eine 8 vorm Komma wert gewesen, so harmonisch und präzise.


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