EXKLUSIV: PRINZESSIN HAYA IM ST.GEORG-INTERVIEW

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Die FEI-Präsidentin: Klare Regeln, strenge Strafen, die Verantwortung des Reiters. Und keine Angst vor einem europäischen Verband.

ST.GEORG: Sie haben sich hier in London getroffen mit dem FEI-Generalsekretär Alexander McLinn und Lord Stevens, der die Dopingfälle untersuchen soll. Was für eine Strategie haben Sie entwickelt, um das Problem um Doping und Medikation in den Griff zu bekommen?

Prinzessin Haya: Die FEI hat nicht erst heute begonnen, das Problem in Angriff zu nehmen, wir arbeiten schon seit längerer Zeit daran. Bereits als Folge der positiven Fälle bei den Olympischen Spiele 2004 in Athen wurde eine Task Force unter dem Vorsitz von Sven Holmberg gegründet, der später erster Vizepräsident der FEI wurde. Sie stellte Regeln auf, die FEI Equine Anti-Doping and Medication Control Rules, die seit 1. Juni 2006 in Kraft sind und bei den Spielen 2008 angewendet wurden. Seitdem wurden sie überarbeitet, denn sie reichten nicht aus. Eine neue Kommission, die Clean Sport Commission, wurde im November 2008 mit Prof. Arne Ljungvist als Vorsitzender ins Leben gerufen. Er ist der Vizepräsident der WADA (World Antidoping Agency) und Vorsitzender der Medizinischen Kommission des Internationale Olympischen Komitees (IOC) und diese Kommission ist dabei, jeden Aspekt des Problems zu untersuchen, nicht nur die einzelnen Fälle sondern auch die Regeln, die Labors, die Tierärzte.
Es werden Empfehlungen erarbeitet, die mit den Beteiligten abgesprochen sind, mit Reitern, Besitzern, Tierärzten, und die in Regeln umgesetzt werden. Der erste Schritt, das bezieht sich auf die Medien, etwa auf die Berichterstattung in Deutschland, ist Klarheit. Wo ziehen wir die Linie, das ist unser wichtigster Fokus. Deswegen wird es zwei Listen mit Substanzen geben. Auf der einen stehen die schweren Substanzen, die zu keiner Zeit etwas im Körper des Pferdes zu suchen haben, sie entspricht der Dopingliste im Humansport. Auf der anderen Liste stehen Substanzen, die zur Heilung des Pferdes eingesetzt werden können. Auch sie sind im Wettkampf nicht erlaubt. Die Listen werden jährlich überarbeitet. Hier klare Verhältnisse zu schaffen, ist das erste Ziel. Der zweite Ziel ist, dass wir die Strafen für Doping verschärfen werden.
Das dritte Ziel ist klarzumachen, dass das Wohl des Pferdes oberste Priorität hat. Zur Lösung des Problems ist es wichtig, alle Beteiligten ins Boot zu holen. Deswegen sind die Athleten in jeder Arbeitsgruppe vertreten. Wir haben jetzt eine Anzahl von Fällen, jeder hat seine eigenen Fakten, jeder wird einzeln untersucht, um zu sehen, was dahinter steckt.

ST.GEORG: Das ist ja nicht neu, dass Sie auch in Zukunft zwei Listen führen werden, also zwischen Doping und Medikation unterscheiden, haben Sie ja schon publiziert.

Prinzessin Haya: Ganz so ist es nicht, es besteht immer noch Unklarheit darüber, was auf welcher Liste steht. Diese Verwirrung ist weit verbreitet. Es gab bereits eine Unterscheidung zwischen Doping und Medikation, aber sie war nicht genau genug. Es wird eine Liste geben, der die Reiter exakt entnehmen können, was sie tun können und was nicht. An dieser Liste arbeiten außer Professor Ljungvist einige der besten Veterinäre der Welt mit. Es soll keiner kein Reiter, Veranstalter, Besitzer oder Tierarzt sagen können, er verstehe die Liste nicht. Es wird keine Verwirrung mehr geben.

ST.GEORG: Die Strafen auf der Dopingliste sind strenger, auf der Medikationsliste weniger streng. Ist das so richtig?

Prinzessin Haya: Ja, beide Listen sollen dazu beitragen, den Sport sauber und fair zu machen. Die Tatsache, dass wir zwei Listen erstellen, zeigt, dass wir wissen, dass Pferde außerhalb von Wettkämpfen behandelt werden müssen. Aber es bleibt dabei, dass im Wettkampf selbst die Pferde frei von Medikamenten sein müssen. Aber natürlich muss außerhalb des Wettkampfes eine Behandlung möglich sein.

ST.GEORG: Wie erklären Sie sich die Häufung von positiven Fällen in jüngster Vergangenheit, die sechs Fälle in Hongkong, dann neun Fälle von Distanzreitern aus den arabischen Staaten, jetzt so namhafte Reiter wie Isabell Werth und Michael Whitaker. Was ist da passiert? Sind die Labors besser, sind die Reiter nachlässiger und rücksichtsloser geworden?

Prinzessin Haya: Es handelt sich zum Teil um sehr prominente Fälle, die maximales Medieninteresse wecken. Und natürlich sind die Labors cleverer geworden, und finden buchstäblich alles. Die FEI arbeitet daran seit 2005 und wir haben jetzt einen Punkt erreicht, in dem wir einsehen, dass es so nicht weitergehen kann und die Bekämpfung von Doping oberste Priorität hat. Das war auch der Wille der Generalversammlung in Argentinien 2008. Warum die Zahl der Fälle offensichtlich angestiegen ist, darauf habe ich auch keine klare Antwort. Im Moment herrscht in den Verbänden und bei den Athleten eine Atmosphäre der Angst, der Unsicherheit, was ist Medikation. Ein Grund, warum wir die Ljungvist-Kommission eingesetzt haben, ist es, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Eine zweite Kommission, geführt von Lord Stevens, soll die Situation analysieren, damit wir dem IOC, den nationalen Verbänden und allen Beteiligten genau sagen können, wie die Situation ist. Wir brauchen harte Fakten, nicht nur Vermutungen.

ST.GEORG: Können Sie sich vorstellen, dass die Entwicklung des Sports, die größere Konkurrenz, die höheren Anforderungen, die Reiter dazu verführen, mit Doping die Leistungen ihrer Pferde zu beeinflussen? Sind es zu viele Turniere, wird zu häufig gestartet? Sind die Parcours zu kompliziert, werden in der Dressur zuviel unnatürliche Bewegungen verlangt?

Prinzessin Haya: Ja, das kann ich mir vorstellen. Es gibt viele Faktoren, wir leben in einer sich immer schneller bewegenden Welt. Unsere Pferde hingegen haben sich im Wesentlichen nicht verändert. Die Ljungvist-Kommission soll auch herausfinden, wie viele Wettbewerbe ein Pferd bestreiten kann und wird uns hoffentlich dahin gehend Empfehlungen geben. Jedes Familienmitglied und deswegen haben wir sie alle an einen Tisch gebracht, soll beteiligt werden, auch die Parcoursaufbauer und die Leute, die die Dressuraufgaben entwerfen, der Spitzenverband, die FEI, die bisher, das muss man zugeben, keine klaren Listen erstellt hat. Wir alle haben eine Verantwortung, keiner kann weggehen und sagen, das ist nicht mein Problem. Das Problem hat sich entwickelt und zugespitzt. Aber, das ist die gute Nachricht, wir haben bereits Maßnahmen ergriffen, die FEI-Administration hat bereits eine gute Grundlage geschaffen. Sven Holmberg wurde erster Vizepräsident, wir haben die Clean Sport Commission geschaffen, wir haben die Rechtsabteilung personell aufgestockt, wir haben die Zahl der Mitglieder des Tribunals erhöht, um eine wirklich unabhängige Rechtsprechung zu garantieren. Wir wachen nicht erst jetzt auf und müssen uns fragen, was haben wir bisher eigentlich getan? Aber jetzt müssen wir noch mehr tun. Deshalb setze ich auf externe Fachleute, wie Lord Stevens und Arne Ljungvist, die in den Augen aller Beteiligten akzeptiert sind. Würde man das Problem nur von innen behandeln, könnte der Eindruck entstehen, es sollte etwa vertuscht werden. Das ist für mich so wichtig, weil das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit unsers Sports in der Öffentlichkeit immens wichtig sind. Sonst ist unser Sport tot. Aus und vorbei. Wir sind der Sport, ohne den Sport würden wir als FEI nicht existieren, das kann man nicht trennen.

ST.GEORG: Man hat den Eindruck, die verwendeten Dopingsubstanzen werden immer bösartiger. Etorpine, das bei einigen Distanzpferden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gefunden wurde, zum Beispiel, dient dazu Elefanten ruhigzustellen, Todesfolge nicht ausgeschlossen. Für den Menschen kann allein der Hautkontakt mit dieser Substanz tödlich sein. Es fällt einem schon schwer zu erkennen, wozu diese Substanzen einem Pferd verabreicht werden.

Prinzessin Haya: Ich halte es für sehr wichtig, dass die Tierärzte in die Diskussion einbezogen werden. Viele Reiter verlassen sich vollkommen auf den Rat der Veterinäre. Sie stehen quasi auf beiden Seiten. Ich würde mir wünschen, dass die Veterinäre verstärkt mit der FEI zusammenarbeiten. Aber wie bereits gesagt, sind klare Regeln, was geht und was nicht, die Voraussetzung dafür. Es wird immer Leute geben, die glauben, durch Betrug könnten sie das Ergebnis beeinflussen. Das gilt nicht nur für unseren, sondern für jeden Sport. Und das werden wir nicht ändern können. Wir müssen darauf bauen, dass unsere Sanktionen streng genug sind, um abzuschrecken. Aber vorher müssen wir genau klären, was ist Betrug und was nicht.

ST.GEORG: Häufig wird bei positiven Fällen dem Tierarzt die Verantwortung zugeschoben. Haben Sie schon überlegt, die Verantwortliche Person, die ja zurzeit der Reiter ist, zu ändern, den Tierarzt bei Dopingfällen zur Rechenschaft zu ziehen?

Prinzessin Haya: Ganz klar ist unter der derzeitigen Regel der Reiter die verantwortliche Person. Das steht auch nicht zur Diskussion. Wenn ich die Verantwortung des Reiters anzweifeln würde, sähe es so aus, als wollte ich meinen Mann schützen. (Der Ehemann von Prinzessin Haha, Scheich Mohammed Maktoum, ist zur Zeit wegen Dopings u.a. mit dem Psychopharmakon Guanabenz vorläufig suspendiert.) Ich bin der festen Überzeugung, dass von einem Reiter verlangt werden muss, dass er alles, wirklich alles über sein Pferd weiß, wenn er an den Start geht. Alles andere wäre leichtfertig.

ST.GEORG: Die Reiter beklagen sich immer über die Null-Lösung. Die FEI erklärte kürzlich, sie habe niemals über die Null-Lösung gesprochen, sondern nur darüber, dass das Pferd bei einem Wettkampf frei von Medikamenten sein muss. Werden Sie Obergrenzen einführen, bis zu denen bestimmte Substanzen erlaubt sind?

Prinzessin Haya: Das Wort Null-Lösung führt in die Irre. Eine Null-Lösung im wissenschaftlichen Sinne gibt es nicht. Es gibt darüber Verwirrung in den Medien, aber das ist ein sprachliches Problem. Hier kommen wieder die zwei Listen ins Spiel. Wir haben null Toleranz für Dopingsubstanzen, zu jeder Zeit und in jeder Menge. Aber für die legitime Behandlung des Pferdes außerhalb von Wettkämpfen gibt es die Medikationsliste. Die sogenannte Medizinbox gibt die wahrscheinlichen Abbauzeiten an, für einige wenige Substanzen gibt es Obergrenzen. In den Medien, vor allem den deutschen, ist der Eindruck entstanden, dass wir damit Doping bis zu einer gewissen Grenze akzeptieren. Das ist nicht der Fall. Wir bekämpfen Doping so ernsthaft wie andere Sportorganisationen auch. Wir beabsichtigen nicht, mehr Substanzen mit Schwellenwerten zuzulassen, nein.
Aber Substanzen, die auf der Medikationsliste stehen, also Substanzen die Pferden außerhalb von Wettbewerben legitim verabreicht werden dürfen, müssen überall dieselben Analysegrenzen haben, unterhalb derer ein Fall nicht zum Fall wird. Der Level muss in allen Labors gleich sein, es geht nicht, dass das eine Labor noch geringere Mengen nachweisen kann als das andere. Wir als Verband sagen dann: Dies entspricht Null.

ST.GEORG: Auch wenn noch winzige Mengen nachzuweisen sind?

Prinzessin Haya: Wir werden die Nullgrenze nicht irgendwo hier oben ansetzen. Die Listen und die Grenzen werden jedes Jahr neu festgelegt und publiziert. Das entspricht dem Vorgehen der WADA.

ST.GEORG: Ich finde es schwierig, einem Nichtfachmann den Unterschied zwischen Medikation und Doping zu erklären.

Prinzessin Haya: Sie brauchen gar nicht so weit zu gehen. Nicht einmal die Hälfte der Athleten versteht das und da fangen die Probleme an. Deshalb brauchen wir vor allem Klarheit und bessere Kommunikation.

ST.GEORG: Sie halten sich in den Dopingkontrollen strikt an die Vorgaben der WADA, was die Reiter angeht. Wie sieht es mit Trainingskontrollen für die Pferde und mit einem Stallbuch aus?

Prinzessin Haya: Das obliegt den einzelnen Verbänden. Die irische FN verlangt das meines Wissens seit den Olympischen Spielen in Hongkong. Wir müssen uns in vielen Punkten auf die nationalen Verbände verlassen, die ihrem eigenen Publikum verantwortlich sind. Wir können die Rahmenbedingungen schaffen, aber von jedem Reiter auf der Welt das Führen eines Stallbuchs zu verlangen, ist praktisch unmöglich.

ST.GEORG: Wie sehr glauben Sie ist das Image des Sports durch die Dopingfälle bereits beschädigt, auch im Hinblick auf das IOC?

Prinzessin Haya: Das Thema Doping kann dem Sport nur schaden. Und es ist natürlich ein Problem, wenn die Hälfte der positiven Tests bei den Olympischen Spielen auf Kosten des Pferdesports geht. Das IOC sieht natürlich, dass wir Maßnahmen gegen das Doping ergreifen, das hat nichts mit mir zu tun, die ich ja auch IOC-Mitglied bin. Doping ist für das IOC der größte Feind, es erwartet von den Sportverbänden klare Führung, klares Handeln.

ST.GEORG: Auch etliche deutsche Reiter waren an den jüngsten Dopingfällen beteiligt. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen des deutschen Verbandes, die Leistungskader aufzulösen und eine unabhängige  Kommission einzuberufen, die jeden Spitzenreiter auf seine Doping-Vergangenheit untersuchen soll?

Prinzessin Haya: Wir als Spitzenverband müssen das globale Bild im Auge haben. Das Thema Doping ist grenzübergreifend. Deutschland ist das Juwel in der Krone des Pferdesports, schon aufgrund der Erfolg. Es ist normal, dass das Erdbeben auch dort beginnt. Das ist kein deutsches Problem.

ST.GEORG: Begrüßen Sie die Anstrengungen der deutschen FN, den Stall auszumisten oder sollte sie es lieber der FEI überlassen?

Prinzessin Haya: Wir haben unsere eigenen Kommissionen, gewiss, aber wir begrüßen es, wenn die nationalen Federationen versuchen, die Probleme in ihrem Land zu lösen, auf keinen Fall wollen wir irgendwelche Untersuchungen behindern.

ST.GEORG: Es wird in den starken europäischen Reiternationen immer wieder darüber diskutiert, einen eigenen europäischen Verband zu gründen, vergleichbar der UEFA im Verhältnis zur FIFA. Wie stehen Sie dazu?

Prinzessin Haya: Die Frage stellt sich jedem FEI-Präsidenten in den letzten 15 Jahren. Ich würde es begrüßen, wenn die Mitglieder des FEI-Bureaus sich aus Vertretern von Kontinenten zusammensetzen und nicht aus mehr als neun verschiedenen Ländergruppen. Kontinente haben häufig dieselben Probleme Transporte, Quarantäne etc. Es gibt Leute in der FEI, die der Gedanke einer europäischen Federation beunruhigt, ich gehöre nicht dazu. Regionen, die auf demselben Level den Sport ausüben, gehören zusammen. Für mich ist der Umgang mit den reiterlichen Entwicklungsländern wichtig. Sie können ausbildungsmäßig von den Ländern, in denen der Sport weiter entwickelt ist, profitieren. Die Europäer bleiben in den nächsten 300 Jahren führend im Pferdesport, das ist Fakt, aufgrund von Klima, Geschichte und Tradition. Die Reiter in anderen Regionen können nur davon träumen, besser zu werden, aber das braucht Ausbildung. Und es gibt keine Abkürzung. Die Verbände aus den Entwicklungsländern müssen von Europa lernen, wie der Sport funktioniert. Aber nur wenn wir den Sport weltweit entwickeln, können wir ein ernstzunehmendes Mitglied der Olympischen Familie bleiben.

Das Gespräch führte Gabriele Pochhammer (keine Reproduktion ohne Erlaubnis und Quellenangabe www.st-georg.de)

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