Von Herpes bis West-Nil-Virus – welche Impfungen empfohlen werden, welche Besonderheiten es geben kann und wie man sein Pferd unterstützt, erfahren Sie hier. Antworten auf die drängendsten Fragen.
Welche Impfungen werden von der StIKo Vet für Pferde empfohlen?
Die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet) unterscheidet bei Impfungen für Pferde, ob es sich um Impfstoffe mit sogenannten Core-Komponenten oder Non-Core-Komponenten handelt. Core-Komponenten werden dringend empfohlen, um vor schweren Krankheiten mit hoher Sterblichkeit zu schützen oder um zu einer verminderten Erregerausscheidung beizutragen – damit der Infektionsdruck in einem Bestand gesenkt und Infektionsketten teilweise sogar unterbrochen werden können. Ein Pferd sollte daher immer geimpft sein gegen:
- Equine Influenza (EIV): Pferdegrippe, die zu einer der folgenschwersten Atemwegserkankungen des Pferdes gehört – lange Schonung, nicht im Sport einsetzbar und chronische Lungenschäden mit dauerhaft eingeschränkter Leistungsfähigkeit können die Folge sein.
- Tetanus: Wundstarrkrampf, ausgelöst durch eine bakterielle Infektion mit Clostridium tetani (kommen überall in der Umwelt vor, vor allem aber im Boden), Schädigung der muskelsteuernden Nervenzellen, führt häufig zum Tod des Pferdes.
- Equine Herpesvirus-Infektionen Typ 1+4 (EHV): EHV 1 führt zu fieberhaften Atemwegsinfektionen, zu Fehlgeburten sowie Geburten lebensschwacher Fohlen. EHV 4 löst vorwiegend fieberhafte Atemwegserkrankungen aus. Beide Varianten können zu neurologischen Ausfällen wie Bewegungsstörungen oder Lähmungen bis hin zum Festliegen und Tod führen.
Non-Core-Komponenten zielen auf Krankheitserreger ab, gegen die Pferde unter besonderen Umständen geschützt sein müssen:
West-Nil-Virus: Die Infektion verläuft bei den meisten Pferde symptomlos. Sie kann aber auch zu starken neurologischen Problemen führen wie Bewusstseins- und Verhaltensstörungen, Ausfallerscheinungen der Gehirnnerven, Koordinationsstörungen (Ataxie), Muskelzittern und Schwäche bis hin zum Festliegen. Impfung wird in Gebieten empfohlen, in denen das Virus nachgewiesen wurde (siehe auch Frage.
- Equine Rotavirus-Infektionen: Impfung gegen eine durch das Virus hervorgerufene Durchfallerkrankung bei Fohlen, geimpft wird die Mutterstute im 8., 9. und 10. Monat der Trächtigkeit; empfohlen für Bestände mit nachgewiesenen Rotavirus-Infektionen bei gutem Hygienemanagement.
- Equine virale Arteritis: Infektion teils ohne, teils mit grippeähnlichen Symptomen, führt zu Fehlgeburten oder lebensschwachen Fohlen, kann die Blutgefäße schädigen. Impfung verhindert Erkrankung, aber nicht die Infektion und Virusausscheidung. EVA ist meldepflichtig!
- Druse: Impfung als Notfallmaßnahme oder in Problembeständen; verringert die Symptome; nicht als prophylaktische Impfung gedacht, da oft unzureichender Impfschutz und mögliche Nebenwirkungen
- Lyme-Borreliose: Infektion mit Borrelien, die über einen Zeckenbiss ins Pferd gelangen. Meist symptomlos. Neurologische Symptome oderGelenkentzündungen möglich.
- Tollwut: Deutschland ist seit 2008 tollwutfrei, deshalb keine allgemeine Impfempfehlung. Eine Infektion beginnt mit Symptomen wie Bewegungs- und Verhaltensstörungen und endet tödlich. Es genügt gefährdete Pferde (die z. B. in ein Land mit Tollwut reisen) zu impfen.
- Dermatomykosen (Hautpilz):
Eine Impfung wird von den Herstellern zur Vorbeugung sowie Therapie bei bereits bestehenden Erkrankungen (Trichophytie, Mikrosporie) empfohlen.
Wie oft muss ein Pferd gegen Influenza, Tetanus und Herpesvirus-Infektionen geimpft werden?
Wie müssen Turnierpferde geimpft sein?
Neben den „Leitlinien zur Impfung von Pferden“ gibt es von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) Impfvorschriften für Turnierpferde. Diese sind in der LPO zu finden. Bei Influenza gilt es, die rechts in der Tabelle angegebenen Impfabstände einzuhalten.
Das Pferd darf dann an einem Turnier teilnehmen:
- wenn die ersten beiden Impfungen der Grundimmunisierung erfolgt sind und seit der zweiten Impfung 14 Tage vergangen sind.
- sieben Tage nach der dritten Impfung der Grundimmunisierung oder einer Wiederholungsimpfung.
Herpesvirusinfektionen:
Derselbe Rhythmus wird aktuell von der FN gegen Herpesvirusinfektionen empfohlen, ist aber noch nicht Pflicht. Ab 2023 müssen Turnierpferde aber auch gegen Herpesvirusinfektionen (EHV-1) geimpft sein!
Welche Impfungen können gleichzeitig gegeben werden, welche auf keinen Fall?
„Theoretisch können alle Impfungen zusammen gegeben werden, wenn ein Pferd Impfungen ohne Probleme wegsteckt“, so Dr. Annette Wyrwoll. Bei Auffrischungsimpfungen ist es also möglich, je nach Pferd Influenza, Herpes und Tetanus gleichzeitig zu geben – früher gab es Kombi-Impfstoffe, mit denen man gegen alle drei Krankheiten impfen konnte sowie Kombiprodukte gegen Influenza und Herpes. Heute gibt es Kombi-Impfstoffe gegen Influenza und Tetanus. Bei der Grundimmunisierung von Fohlen rät die Tierärztin allerdings davon ab, mehrere Impfungen auf einmal vorzunehmen. „Bei Fohlen gebe ich jeden Impfstoff einzeln, weil ich eine gute Immunantwort erreichen möchte. Ich beginne mit Herpes, dann Influenza und als letztes Tetanus – über die Mutter halten sich diese Antikörper am längsten, so dass der Schutz über eine Impfung etwas später erfolgen kann.“
Gibt es Nebenwirkungen, nach denen man ein Pferd nicht mehr mit diesem Impfstoff impfen sollte?
Im Internet sind immer wieder Berichte zu finden, in denen Pferdebesitzer erzählen, mit welch schrecklichen Nebenwirkungen bzw. Impfkomplikationen ihre Pferde nach einer Impfung zu kämpfen hatten und die deswegen zukünftig auf Impfungen verzichten wollen. Dr. Annette Wyrwoll kennt solche Beiträge, hat in ihrer 40-jährigen Tätigkeit als Tierärztin für Pferde aber erst ein Pferd gehabt, das eine Impfung wirklich sehr schlecht vertragen hat. Auch andere Experten weisen daraufhin, dass tatsächlich kaum unerwünschte Nebenwirkungen gemeldet werden.
Wie kann ich das Immunsystem meines Pferdes bei einer Impfung unterstützen?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, weiß Dr. Annette Wyrwoll. Die Tierärztin verschreibt für Pferde, die nach einer Impfung oft platt und müde sind, das Medikament Zylexis. Dies ist ein sogenannter Immunmodulator, der das Immunsystem bei der Abwehr infektiöser oder stressbedingter Erkrankungen unterstützt. Auch Kräuter wie z.B. Echinacea können das Immunsystem positiv beeinflussen. Hilfreich sind zudem spezielle Zusatzfutter fürs Immunsystem wie Umjio Immun oder HippoLysin Immun. Mit deren Fütterung sollte eine Woche vor der Impfung begonnen werden, rät die Tierärztin.
Impfen und Herpes
Valencia 2021, großer Herpesausbruch mit zwölf toten Pferden: Wie häufig sind solche Herpesausbrüche?
Da es für Herpesvirusinfektionen keine Meldepflicht gibt, kann man nur schätzen, dass es pro Jahr mehrere regionale Ausbrüche gibt. Wie schlimm solche Ausbrüche verlaufen, hängt nach Meinung von Experten vor allem davon ab, um welchen Virus-Subtyp es sich handelt und wie schnell Maßnahmen gegen das Virus ergriffen werden. Man gehe davon aus, dass bei einem Ausbruch 10 bis 40 Prozent der Pferde neurologische Verlaufsformen zeigen – das sind die Folgen, um die sich Tierärzte sorgen und die sie vermeiden wollen. Die Zahl der Pferde, die bei einem Herpes-Ausbruch sterben, liegt im einstelligen Prozentbereich. Valencia sei zwar etwas schwerer gewesen, aber verglichen mit anderen Ausbrüchen nicht besonders außergewöhnlich, meinen Experten. Es gebe immer wieder Herpesvirusausbrüche, von denen man gar nichts mitbekomme, weil sie früh erkannt und gut gemanagt werden.
Warum bricht Herpes gerade im Winter häufiger aus?
Dass Herpesinfektionen vermehrt in den Monaten von November bis März/April auftreten, hat aus Sicht von Experten mehrere Gründe. Vor allem aber verträgt das Virus Kälte gut. Bei Wärme ist das Virus nur wenige Tage überlebensfähig. Im Winter hingegen kann es wochenlang in der Umgebung überleben.
Gerade bei Herpes kursieren Gerüchte über heftige Nebenwirkungen der Impfung: Ist diese wirklich schlimmer als andere Impfungen?
Jeder Impfstoff, der verwendet wird, muss in einer Zulassungsstudie bewiesen haben, dass er wirksam und sicher ist, also keine oder nur sehr selten unerwünschte Nebenwirkungen zeigt. Eine solche Nebenwirkung wäre zum Beispiel eine Unverträglichkeit, die zu Nesselfieber führt. Solche Nebenwirkungen – manche sprechen auch von Impfkomplikationen – treten aber selten auf. Man muss unterscheiden, ob es sich um Nebenwirkungen oder Impfreaktionen handelt. Letztere, zu denen allgemeine Schwäche, Fieber oder eine Schwellung an der Injektionsstelle gehören, sind zu erwarten, da sich der Körper mit dem Impfstoff auseinandersetzt und eine körpereigene Abwehr aufbaut.
Wenn man bei seinem Pferd Nebenwirkungen erlebt, die direkt mit der Impfung in Verbindung stehen, sollte man dies seinem Tierarzt oder dem Impfstoffhersteller mitteilen. Dieser ist verpflichtet, unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu melden. Die Zulassung eines Impfstoffes belegt, dass es keine oder kaum unerwünschte Nebenwirkungen gibt und wenn sich bei der Anwendung etwas anderes zeigt, dann muss das entsprechend aufgearbeitet werden.
Warum erkranken auch geimpfte Pferde an Herpesvirusinfektionen?
Geimpft heißt nicht automatisch geschützt. Bei Herpes ist der Impfschutz sehr unterschiedlich und hängt viel vom Pferd ab, heißt es von Seiten der Wissenschaft. Rasse und Geschlecht spielen zum Beispiel eine Rolle. Stuten erkranken meist schlimmer an Herpes, Kleinpferde und Araber trifft es kaum, Warmblüter und Araber-Kreuzungen hingegen sind häufig betroffen. Das Individuum spielt eine große Rolle, ähnlich wie bei Corona. Auch hier können Geimpfte erkranken: manche schwer, die meisten machen aber nur eine leichte oder gar keine Infektion durch. Eine Impfung ist in der Lage, die körpereigene Abwehr in hohen Maßen zu unterstützen. Wie bei Corona-Impfungen beim Menschen heißt es aber auch bei Herpesimpfungen fürs Pferd: Wenn wir nicht einen Großteil impfen, hilft die Impfung dem Einzelnen nicht so gut. 70 Prozent der Pferde müssten gegen Herpes geimpft sein, damit Ausbrüche und schlimmere Krankheitsverläufe reduziert werden können. Ab einem gewissen Infektionsdruck kann der Pferdekörper die hohe Viruslast nicht mehr abwehren, auch wenn das Pferd geimpft ist. Aus diesem Grund ist es aus Sicht von Tierärzten so wichtig, möglichst viele Pferde gegen Herpes zu impfen und die empfohlenen Impfintervalle einzuhalten. Es sei nach Meinung unserer Experten richtig, dass es für Turnierpferde in Zukunft eine Impfpflicht gibt, da diese Pferde vermehrt belastet werden und Turniere Orte sind, an denen sich das Virus verbreitet. Wenn im selben Stall mit den geimpften Turnierpferden aber viele ungeimpfte Freizeitpferde stehen – was vielerorts der Fall ist – dann sind auch Turnierpferde nicht gut genug geschützt.
Gibt es Daten darüber, wie viele Herpesviren ein geimpftes Pferd im Vergleich zu einem ungeimpften ausscheidet?
Es gibt darüber Zahlen, die aber für einzelne Pferde sehr unterschiedlich sind – auch in Abhängigkeit vom Krankheitsstadium. Von Bedeutung ist, dass man in Studien die Viruslast gemessen hat und dabei herausgefunden hat, dass geimpfte Pferde mildere Krankheitsverläufe zeigen und weniger Virus ausscheiden.
Im Nachbarstall gibt es Herpesfälle: Sollte in angrenzenden Ställen noch schnell geimpft werden?
Wenn bei einem Herpesausbruch sofort Hygienemaßnahmen eingeleitet werden, also keine Pferde mehr aus dem Bestand transportiert werden und Menschen ihre Kleidung etc. bei Verlassen des Stalls wechseln, ist das Risiko, das Virus in einen anderen Stall zu tragen, sehr gering, erklären Experten. Eine Übertragung von Pferd zu Pferd findet eher über kurze Distanzen statt. Eine Empfehlung: In dem Moment, in dem es in der Region einen Ausbruch gibt, kann man noch impfen, so lange kein Pferd im Stall Symptome zeigt. Die bereits geimpften Pferde profitieren von einer Booster-Impfung. Die noch nicht geimpften Pferde haben aber erst ca. zehn Tage nach der Zweitimpfung, also nach mehreren Wochen einen Impfschutz.
Wieso kann man nicht gegen Herpes Typ 2 (EHV 2) und 5 (EHV 5) impfen?
Das hat einen ganz einfachen Grund: Weil diese beiden Herpesvarianten keine so schwerwiegenden Erkrankungen hervorrufen. Eine Impfung ist erst dann sinnvoll, wenn einzelne Pferde von schweren Krankheitsverläufen betroffen wären oder die Pferdepopulation vor der Erkrankung geschützt werden müsste. Für EHV 2 und EHV 5 gilt das nicht, sie sind u.a. vermutlich Verursacher für Bindehaut-Hornhaut-Erkrankungen.
Influenza und West-Nil-Virus
Grippeviren ändern sich ständig – schützen die aktuellen Impfstoffe vor Influenza?
Impfstoffhersteller sind immer dazu aufgerufen, möglichst aktuelle und wirksame Impfstoffe bereitzustellen. Beide zugelassenen Impfstoffe schützen nach Ansicht unserer Expertin vor einer Influenzainfektion.
West-Nil-Virus: In welchen Gebieten sollte ich mein Pferd impfen?
Für das Jahr 2021 kam von der StIKo Vet die Empfehlung, in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin zu impfen, weil dort im Vorjahr über 60 Fälle bei Vögeln und mehr als 20 West-Nil-Ausbrüche bei Pferden registriert wurden – vier Pferde mussten aufgrund der Infektion eingeschläfert werden. In drei Fällen wurden WNV-Infektionen bei Vögeln in Thüringen festgestellt, und in einem Fall wurde eine Infektion bei einem Pferd im Landkreis Helmstedt in Niedersachsen nachgewiesen. Die Impfkommission riet daher dazu, auch in den benachbarten Bundesländern Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Ost-Niedersachsen Pferde gegen WNV zu impfen. Vorsorglich sollte auch an Pferde, die in diese Gebiete reisen, einer der Impfstoffe gegen die Erkrankung verabreicht werden. Die Impfung sollte rechtzeitig vor Beginn der Mückensaison, d.h. im Verlauf des Frühjahrs, stattfinden, um in der Zeit der wahrscheinlichsten Virusübertragung in der warmen Jahreszeit die höchsten Antikörpertiter zu erzielen.
Weitere Infos zu dem Thema finden Sie auch unter diesem Link.
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