Kryotherapie fürs Pferd: Eiskalt fit gemacht

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Eisbehandlungen können bis zu 72 Stunden durchgeführt werden und beispielsweise Hufrehe verhindern. (© St.GEORG Toenjes)

Ob als vorbeugende Maßnahme oder bei akuten Verletzungen und chronischen Erkrankungen. Es ist erstaunlich, was die Kryotherapie auch am Pferd bewirkt. Wie aber wirkt sich Kälte im Körper aus und weshalb erholen sich Sportler damit schneller?

Die Kälte ist in der Human- wie auch in der Veterinärmedizin seit Jahrhunderten eine bewährte Soforthilfemaßnahme. Bei ange­laufenen Beinen oder überanstrengten Sehnen können Eis und kaltes Wasser fast immer helfen. Die Kryotherapie beim Pferd kommt beispielsweise bei Hufrehe, Blutergüssen oder auch Nesselfieber zum Einsatz.

Kryotherapie – Was steckt dahinter?

Grundsätzlich kommt diese Kältetherapie, auch Kryotherapie im Fachjargon genannt, in zwei Bereichen zum Einsatz: Für medizinische Zwecke und im Sportbereich.

Den Sportbereich kennt man allerdings bisher eher von zweibeinigen Athleten. „Bei intensivem Training, welches die Muskulatur stark fordert, entstehen kleine Risse im Muskelgewebe und lokale Entzündungen“, erklärt Malte Krüger von der Sporthochschule Köln.

Dabei läuft Blut und Gewebeflüssigkeit in das Muskelgewebe hinein. Es schwillt an. Gleichzeitig entstehen hier bei großen körperlichen Belastungen kleinste Entzündungen. Diese signalisieren dem Körper, dass an dieser Stelle etwas zu reparieren ist.

Wie die Kältebehandlung wirkt

Trifft ein Kältereiz auf den Körper, will dieser einen Wärmeverlust verhindern und hemmt die Ausschüttung pro-inflammatorischer Zytokine (entzündungsfördernder Botenstoffe). Dafür verengt er die arteriellen Gefäße, die für den Bluttransport zuständig sind, um deren Kontaktfläche mit dem Kältereiz zu minimieren und zu verhindern, dass das Blut im Körper abkühlt.

Der Blutfluss an der gekühlten Stelle gerät ins Stocken, wodurch keine zusätzliche Flüssigkeit in das geschädigte Gewebe gelangen kann. Der zu erwartende Bluterguss fällt durch die Kryotherapie bei Pferd und Mensch dadurch deutlich geringer aus.

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Auch bei einem Bluterguss kann die Kryotherapie am Pferd Anwendung finden. (© St.GEORG)

Aber nicht nur der Blutfluss, sondern alle Stoffwechselprozesse werden unter Kälteeinfluss deutlich verlangsamt. Ist die Gewebetemperatur um zehn Grad geringer als normal, werden die Zellstoffwechsel- und enzymatischen Aktivitäten um rund 50 Prozent zurückgefahren.

Das ist auch der Grund, warum Kälteeinflüsse den Entzündungsprozess vermindern und so die Regeneration des Körpers fördern.

Wichtig: Die Eistherapie muss direkt im Anschluss an die Anstrengung erfolgen, damit die Wirkung eintreten kann.

Die Kryotherapie mit Vorsicht einsetzen!

Es ist nicht immer gut, den Körper daran zu hindern, notwendige Reparaturmaßnahmen durchzuführen. Die Kältebehandlung verlangsamt auch die Leitgeschwindigkeit in den Nervenbahnen. Das wirkt zwar wohltuend schmerzlindernd, hat allerdings auch einen Haken.

Physiotherapeutin Helle Kleven gibt zu bedenken: „Man muss sich dessen bewusst sein, dass die Kältetherapie ab einer gewissen Temperatur zu einer kompletten Schmerzunempfindlichkeit führen kann und auch die Propriorezeptoren reagieren verlangsamt. Deshalb sollten die Pferde keinesfalls gekühlt geritten oder auf die Weide gestellt werden.“

Zum einen besteht die Gefahr, dass die Pferde ins Straucheln geraten, weil sie den Untergrund nicht mehr richtig wahrnehmen können. Zum anderen können leichte Verletzungen auch verschlimmert werden, wenn das Pferd den Schmerz nicht mehr fühlt und die betroffene Gliedmaße somit auch nicht mehr schont. Unter Experten gibt es eine rege Diskussion, unter welchen Bedingungen die Kryotherapie für Pferd und Mensch sinnvoll ist. „Fakt ist aber: Wenn’s nötig ist, ist man schnell wieder fit!“

Helle Kleven stellt auch einen Bestseller im FN-Verlag für das Gesundheitsmanagement von Pferden. Er ist 2017 komplett neu überarbeitet worden und der ausführliche Praxisteil mit beispielsweise Massageübungen, Mobilisation, Dehnung und Stabilisation, sowie Möglichkeiten zur Vorbeugung und Rehabilitation, das Thema Faszien und ihre Bedeutungsowie Übungen zur Stabilität und Kräftigung, Mittelfrequenztherapie, Kinesiotaping sind umfassend beschrieben. Interessierte können das Buch zur Biomechanik und Physiotherapie von Helle Kleven  oder auch die DVD direkt im FN-Verlag bestellen.

Eistherapie – Erste Hilfe bei Hufrehe

Viele Erkrankungen und Verletzungen betreffen häufig den Bewegungsapparat und den Pferdehuf. Besonders im Zusammenhang mit der Erkrankung der Hufrehe, wurden die Auswirkungen der Kryotherapie bei Pferden erforscht. Die Erfolge der Kältebehandlung in diesem Bereich sind verblüffend.

An der Universität von Queensland, in Australien, hat man Pferde mit einer akuten Reheerkrankung über 48 Stunden vom Huf bis zu den Karpalgelenken in Eiswasser gestellt.

Das Ergebnis: die Hufrehe verlief nur sehr geringgradig, weil durch die Kälte einer Entzündung der Huflederhaut entgegengewirkt werden konnte. Das verhinderte damit auch effektiv eine Senkung des Hufbeins.

Aber nicht nur bei Hufrehe kann die Kryotherapie beim Pferd wirksam zum Einsatz kommen. Ähnlich wie die Hydrotherapie, kann die Kryotherapie auch Pferden mit Arthritis bis Nesselfieber effektiv helfen.

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Hufrehe sind eine niederschmetternde Diagnose. Auch hier kann die Kryotherapie am Pferd den Verlauf der Hufrehe positiv beeinflussen. (© www.slawik.com)

Kryotherapie – bei Pferden ohne Erfrierungen?

An der Universität Queensland hat man im Rahmen der Versuche zur Kryotherapie bei Hufrehe, die Gliedmaßen unterhalb des Karpal- und Sprunggelenks lange gekühlt und den Versuch bis auf 72 Stunden ausgedehnt. Dabei hat man festgestellt, dass das Eiswasser auch dann keinerlei negative Effekte auf die Gesundheit der Pferde hatte.

Die Wissenschaftler in Queensland führen dieses Phänomen auf das Fehlen von Muskelgewebe am Pferdebein unterhalb von Karpal- und Sprunggelenk zurück. Hier befinden sich lediglich Knochen, Sehnen und Bänder. Diese sind, anders als das Muskelgewebe kältebeständig. Deshalb können wildlebende Pferde wochenlang in Schnee und Eis leben.

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Pferde haben überhaupt kein Problem damit, tagelang bis zu den Karpalgelenken im Schnee zu stehen. Diese Kälteresistenz macht man sich in der Medizin zu Nutze. (© www.slawik.com)

Menschen hingegen halten Temperaturen unter fünf Grad Celsius maximal 30 bis 45 Minuten aus. Danach drohen Erfrierungen und Schädigungen des Nervensystems. Dieses Phänomen wird auch Hunting oder Lewis Reaktion genannt und ist nach dem Wissenschaftler Thomas Lewis benannt. Er hatte im Jahr 1930 die Kältereaktion beim Menschen erforscht und in drei Phasen bis hin zur Erfrierung unterteilen können.

Allerdings hat man sich an der Universität Queensland auch die Frage gestellt, ob man das jedoch auch unmittelbar auf die Kryotherapie für Pferde als Therapieform übertragen kann, oder ob die andauernde Kälte nicht doch ab einem gewissen Zeitpunkt zu Gewebe- oder Nervenschäden führt.

Kältekammern und Kryosauna für Pferde?

Sportexperte Malte Krüger berichtet, dass Fußballer nach anstrengenden Spielen oder intensiven Trainings regelmäßig wahlweise die Kältekammer oder die sogenannte „Eistonne“ (Kaltwasserimmersion) besuchen.

Die „Eistonne“ ist zumeist einfach eine handelsübliche Regentonne, aufgefüllt mit Wasser und Eiswürfeln. Das ergibt eine Temperatur von ca. acht bis zehn Grad, in der es der Athlet vier bis fünf Minuten aushalten muss.

Die Kältekammer hingegen ist ein Raum, mit einer Temperatur von Minus 110 Grad Celsius. Das klingt unerträglich. Da es sich aber um eine sehr trockene Kälte handelt, ziehen die meisten Sportler einen bis zu dreiminütigen Aufenthalt in der Kältekammer dem in der Eistonne vor. Solche Kältekammern für Pferde sind derzeit größtenteils noch Zukunftsvisionen. Die Industrie berichtet, dass es bereits im arabischen Raum, wo bekanntlich auch viele Rennställe ansässig sind, eine große Nachfrage gibt.

Kryotherapie mit der „Kryosauna“

Allerdings gibt es bereits auch erste Modelle der Kryosauna fürs Pferd auf dem Markt, die individuell angefertigt werden können. Bei der Kryosauna handelt es sich aber nicht mehr um einen abgeschlossenen Raum wie bei der klassischen Kältekammer. Hohe Seitenwände mit einer vorderen Aussparung für den Kopf und gepolsterte Begrenzungsstangen vorne und hinten wie beim Pferdeanhänger – ähnlich wie ein Aquatrainer. Ob sich dieser Trend durchsetzt?

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