Zirkel, Wendungen – klar, die gehören zum Standardprogramm im täglichen Training. Und irgendwie „kommt man ja auch immer rum“. Doch was so einfach aussieht, ist in Wahrheit die Quintessenz des Zusammenspiels der Reiterhilfen und der Prüfstein des korrekt gerittenen Pferdes. Grund genug, das einmal näher zu beleuchten.
Wenn es sich leicht anfühlt, ist es richtig. Der Weg dorthin ist lang. Kein Wunder – für das Pferd ist auf dem Zirkel reiten ein Kraftakt. Je schwungvoller das Pferd, desto größer die Herausforderung.
Idealerweise passt sich die Längsachse des Pferdes der Hufschlagfigur an. Das Pferd ist von Kopf bis Schweif so stark gebogen, wie die Linie es vorgibt. Auf dem Zirkel weniger, in der Volte stärker. Die Beweglichkeit der Wirbelsäule des Pferdes ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Am beweglichsten ist die Halswirbelsäule. Das kann dazu verleiten, den Hals sehr stark abzustellen. Das birgt jedoch die Gefahr, dass die Pferde über die jeweils äußere Schulter ausweichen (die innere Seite ist immer die, zu der hin das Pferd gestellt und gebogen ist). Die Folge können Taktstörungen sein. Außerdem gymnastiziert die Stellung das Pferd dann nicht mehr, sondern sorgt auf Dauer für frühzeitigen Verschleiß durch Fehlbelastungen.
Die Basis-Gymnastik: Zirkel reiten

Stellung und Biegung sollen einander entsprechen. Hier ist es der Perspektive geschuldet, dass das Pferd zu stark gestellt ist. (© KiKi Beelitz)
Daher: Nur so weit stellen, dass man das innere Auge und den Nüsternrand schimmern sehen kann! Die Brustwirbelsäule, also der Bereich, auf dem der Reiter sitzt, ist recht starr. Schon allein aufgrund des Rippenbogens sind der Beweglichkeit hier enge Grenzen gesetzt. Die Lendenwirbelsäule ist dann wieder beweglicher. Darum können sich Vor- und Hinterhand auf einem Hufschlag bewegen. Das Pferd ist geradegerichtet.
Ob ein Pferd sich biegen lässt oder nicht, ist auch eine Frage der Muskulatur. Mit der „hohlen Seite“ ist die Seite des Pferdes gemeint, auf der die Muskulatur verkürzt ist. Wenn das Pferd sich leichter nach rechts stellen und biegen lässt, ist diese die hohle Seite – und damit das eigentliche Problem! Denn auf der linken Hand hat das nach rechts hohle Pferd Schwierigkeiten, sich zu stellen und zu biegen. Ergo geht es darum, die Muskulatur auf der rechten Seite zu dehnen. Das ist eine unabdingbare Voraussetzung für jeden weiteren Ausbildungsschritt, denn nur ein Pferd, das sich auf beiden Händen gleichmäßig gut stellen und biegen lässt, ist geradegerichtet und tritt gleichmäßig an beide Zügel heran. Nur wenn das gegeben ist, kann das Pferd sein volles Bewegungspotenzial entfalten und ist gleichzeitig für den Reiter leicht und angenehm zu führen. Osteopath Stefan Stammer: „Für den Reiter fühlt sich das Ideal an, als bewege sich das Pferd auf der gebogenen Linie wie auf Schienen.“
Eine Frage der Kraft
Doch das, was am einfachsten aussieht, ist ein Kraftakt für das Pferd, denn es muss seinen Körper in der Kurve gegen Schwer- und Fliehkraft gleichzeitig stabilisieren. Junge Pferde können das noch nicht. Darum balancieren sie sich auf gebogener Linie aus, indem sie sich nach außen stellen und den Hals von der Mittelachse wegführen. So können sie der Fliehkraft, die es nach außen treibt, entgegenwirken. Im Laufe der Ausbildung versucht der Reiter, den Hals behutsam nach innen zu führen. Je weiter der Hals sich der Innenseite nähert, desto größer wird die Kraft, die auf die äußere Schulter einwirkt. Der Reiter muss daher darauf achten, dass beim Stellen Takt, Losgelassenheit und Anlehnung erhalten bleiben. Dann wird die Belastung direkt in die Muskelfaszienkette des Schultergürtels geleitet – ein super Trainingseffekt! Je kleiner der Radius bzw. je höher die Kurvengeschwindigkeit, desto größer die Kraftanstrengung.
„In den Lektionen mit Längsbiegung kann der Antrieb nur voll erhalten bleiben, wenn die Kraftlinie, die von der Hinterhand ausgeht, nicht an der Vorhand vorbeigeht.“ – Udo Bürger
Zirkel reiten? Alles andere als Basic!

Geschmeidiges Durch den Zirkel Wechseln. Deutlich zu sehen ist auch das Umsitzen der Reiterin. (© KiKi Beelitz)
Der Grad der Biegung auf dem Zirkel ist gering, aber der Trainingseffekt ist groß – erst recht, wenn man die Zirkellinien variiert
Einen Zirkel zu reiten ist doch einfach! Wirklich? Damit er gelingt, hilft folgender Tipp: Jeden der Zirkelpunkte nutzen, um Stellung und Biegung zu überprüfen und gegebenenfalls nachzubessern. Also vor dem jeweiligen Zirkelpunkt die äußeren Hilfen durchkommen lassen, am Punkt angekommen Stellung und Biegung checken und nicht an der Bande kleben bleiben! Beim Weiterreiten Stellung und Biegung erhalten und wenn sie sichergestellt sind, weich werden am inneren Zügel und den nächsten Zirkelpunkt anpeilen.
Durch den Zirkel wechseln
Vom Zirkelpunkt an der offenen Zirkelseite aus einen Halbkreis von zehn Metern einleiten. Auf der Mittellinie umstellen und in einem weiteren Zehn-Meter-Halbkreis zum Zirkelpunkt an der gegenüberliegenden Seite weiterreiten. Kann sowohl im Arbeits- als auch im versammelten Tempo geritten werden. Geeignet für das Ende der Lösungs- bzw. die Arbeitsphase. Verbessert die Geschmeidigkeit auf beiden Händen. Tipp: Um genaues Zirkel reiten zu üben, kann man z.B. die Wechselpunkte mit Pylonen kennzeichnen.
Aus dem Zirkel wechseln
Der Reiter wechselt vom Zirkel auf der einen auf den Zirkel auf der anderen Hand. Der Wechsel erfolgt an der offenen Seite. Kurz vor X Umstellen einleiten. Dafür eine Pferdelänge geradeaus reiten, umsitzen, den neuen inneren Zügel etwas nachfassen, die Schenkel behutsam umlegen und mit den eigenen Schultern denen des Pferdes folgen. Der Oberkörper passt sich der neuen Bewegungsrichtung an.
Achtung: Wer das Pferd einfach „herumschmeißt“ riskiert Takt-, Anlehnungs- und Gleichgewichtsprobleme. Eine Grundlagenlektion, die sich wegen der großen Linien, die noch nicht viel Tragkraft verlangen, schon für junge Pferde eignet. Mögliche Varianten: Am Wechselpunkt die Gangart wechseln, z.B. einen Galopp-Trab-Übergang reiten.
Zirkel verkleinern und vergrößern
Der Zirkel wird auf eine bis zu 10 Meter-Volte verkleinert und wieder vergrößert. Gehört in die Arbeitsphase. Das innere Hinterbein wird animiert, vermehrt unter den Schwerpunkt zu treten und Last aufzunehmen. Hilfreich, um die Versammlung zu erarbeiten, zumal das Pferd beim Verkleinern von selbst zurückkommt und der Reiter „nur“ den Fleiß erhalten muss. Die diagonalen Hilfen sorgen dafür, dass das Pferd gleichmäßig gestellt und gebogen bleibt.
Tipp: Tempounterschiede reiten, Zurücknehmen beim Zirkel-Verkleinern, Zulegen beim Vergrößern – Training fürs Hinterbein! Schenkelweichen oder ggf. Schultervor/Schulterherein auf der Linie helfen, die Geraderichtung zu verbessern.
Zirkel reiten: Cavalettiarbeit

Der Trainingseffekt vom Fitmacher gebogene Linie wird noch einmal verstärkt, wenn man Cavaletti einbaut.
Gymnastizierung hoch zehn sind Cavalettireihen auf gebogenen Linien (Aufbau: siehe Skizze). Reitmeisterin Ingrid Klimke rät, nach Überwinden der Cavalettireihe die Hand zu wechseln. Ihr Tipp: Durch den Zirkel wechseln, um das Pferd geschmeidiger zu machen. Übergänge (z.B. nach den Cavalettis angaloppieren, einige Meter vorher wieder durchparieren zum Trab, überwinden, angaloppieren) unterstützen die Durchlässigkeit. Weiter ausgebildete Pferde kann man etwas weiter außen über die Bodenricks lenken. Dann müssen sie sich noch mehr dehnen und noch kräftiger abfußen. Achtung: Reiten über Bodenricks, erst recht auf der gebogenen Linie, ist richtig anstrengend fürs Pferd! Daher gut dosieren!
0 Kommentare
Schreibe einen Kommentar