Warum St.GEORG nicht vom Weltcup-Finale Springen und Dressur in Saudi-Arabien berichtet

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Weltcup-Finale Springen Dressur 2024

Weltcup-Finale Springen Dressur 2024 (© fei.org)

Am kommenden Wochenende findet das Weltcup-Finale der Spring- und Dressurreiter in Riad in Saudi-Arabien statt. St.GEORG wird nicht ausführlich berichten. Und das hat Gründe, der wichtigste: Wir wollen nicht Teil des „Sportswashings“ des Königreichs sein.

Nie gab es so viel Gewinngeld beim Weltcup-Finale Springen und Dressur wie in diesem Jahr in Riad in Saudi-Arabien. Der Reitsport folgt damit anderen Sportarten. Spektakuläre Fußballertransfers mit kolportierten dreistelligen Millionenbeträgen für die Fußball Liga Saudi-Arabien, ein Tennisturnier außerhalb der ATP Tour, bei dem der Sieger mit 7,5 Millionen US-Dollar nach Hause fliegt, oder die Golfserie LIV, die den Golfsport zu spalten drohte. Das sind nur einige Beispiele, wie der Wüstenstaat versucht, sein Image weltweit zu verbessern.

Sportswashing durch das Weltcup-Finale Springen und Dressur in Saudi-Arabien

Gerade in den Ölstaaten auf der Arabischen Halbinsel ist die Praxis, sich mit der Ausrichtung großer Sportveranstaltungen ein besseres Bild in der Weltöffentlichkeit zu verschaffen, weit verbreitet. Die umstrittene Fußballweltmeisterschaft in Katar 2022 war bislang einer der Höhepunkte dieses Versuchs, das Image eines Landes mit problematischer Menschenrechtslage aufzupolieren. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von „Sportswashing“. Dieser Begriff ist abgeleitet vom „Greenwashing“, bei dem Firmen sich einen „grüneren Anstrich“ geben als ihre Produkte es eigentlich verdienen. Verbraucherschützer geißeln weltweit diese Marketingstrategie, die auf eine gezielte Desinformation setzt.

Menschenrechte und Sport

Saudi-Arabien steht aufgrund seiner Menschenrechtsverletzungen weltweit scharf in der Kritik. International sorgte der Tod des Journalisten Jamal Khashoggi 2018 in der Türkei für Schlagzeilen. Die Ermordung des regimekritischen Autors wird der Regierung, also dem Königshaus Saudi-Arabiens, angelastet.

Der Fall Khashoggi ist beileibe nicht der einzige Vorfall, der für das negative Image des durch seine Erdölvorkommen unermesslich reich gewordenen Staats sorgt. Die Rolle der Frau ist ein weiterer großer Kritikpunkt. Frauen dürfen nur heiraten, wenn ein männlicher Vormund das erlaubt, im Fall einer Scheidung sind sie mehr oder weniger rechtlos. Selbst wenn sie sich um die Kinder nach einer Scheidung kümmern, können sie nicht als Vormund ihrer Kinder fungieren. Auch jüngere Gesetzesänderungen haben am Status der Frauen kaum etwas verbessern können. Human Rights Watch schreibt in einem Report: „Artikel 42 Absatz 3 besagt, dass keiner der Ehegatten ohne die Zustimmung des anderen Ehegatten auf sexuelle Beziehungen oder das Zusammenleben mit dem anderen verzichten darf, was ein eheliches Recht auf Geschlechtsverkehr impliziert.“

Im selben Gesetzestext wird die Eheschließung mit unter 18-Jährigen ausdrücklich erlaubt. Voraussetzung: Die betroffenen potenziellen Eheleute sind bereits in der Pubertät und die Ehe würde „nachweislichen Nutzen“ für sie bringen.

Autofahren ist Frauen seit einiger Zeit erlaubt, was pro-saudi-arabische Stimmen als Erfolg feiern.

Keine freie Meinungsäußerung

Auch der Fall der jungen Zahnmedizinerin Salma al-Schihab hat weltweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Wegen ein paar Tweets, in denen sie sich positiv über Frauenrechte äußerte, wurde die zweifache Mutter zu mehr als 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Ergänzt wurde das Urteil in einem weiteren Verfahren um ein 34-jähriges Ausreiseverbot nach Ablauf der Haftzeit.

Regimekritiker müssen mit Gefängnisstrafen rechnen oder anderen Strafen. Öffentliches Auspeitschen zählt beispielsweise dazu.

Todesstrafe an der Tagesordnung

Die Todesstrafe besteht noch in vielen Ländern. Saudi-Arabien taucht immer wieder in Reports von Menschenrechtsorganisationen auf. Am 12. März 2022, so dokumentiert es der Jahresreport von Amnesty International, kam es zu einem traurigen Rekord: 81 Männer wurden an diesem einen Tag exekutiert.

Zu den „Taten“, die eine Todesstrafe nach sich ziehen können, gehört auch Homosexualität. Weltweit ist Saudi-Arabien eines von zehn Ländern, in denen auf einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen die Todesstrafe steht. Neben Saudi-Arabien sind das noch der Iran, Yemen, Nigeria, Mauretanien, Somalia, Pakistan, Afghanistan, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Saudi-Arabien, der Pferdesport und das Weltcup-Finale Springen und Dressur

In Pressemitteilungen des Weltreiterverbandes (FEI) heißt es: „Die Ausrichtung der FEI World Cup™ Finals spiegelt das Engagement Saudi-Arabiens für die Förderung des Pferdesports wider und feiert den Wettkampf. Kommen Sie mit uns nach Riad, um das anhaltende Vermächtnis des Pferdes in Saudi-Arabien zu feiern und die faszinierende Zukunft dieser bemerkenswerten Stadt zu erleben“.

Es ist derselbe Weltverband, auf dessen Webseite für Regelverstöße auf Turnieren in vielen Kategorien gerade im Bereich Distanzreiten – aber nicht nur dort – Verstöße und Verfahren gegen Reiter und Trainer mit dem Nationenkürzel KSA (Kingdom of Saudi Arabia) schon seit Jahren überproportional häufig aufgeführt werden.

Alle hier angeführten Gründe haben uns dazu bewogen, keine ausführliche Berichterstattung von den Weltcup-Finals in Saudi-Arabien zu planen.

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).

  1. Anne Heini

    Lieber Herr Tönnies,

    das ist vollkommen richtig! Eine Schande: Deutsche Spitzenreiter möchten Fans für ihren Sport gewinnen….wieso eigentlich…damit sie dort auch ihre schäbigen Geschäfte machen können!! Wo es den Menschen schlecht geht, haben die Tiere übrigens auch nichts zu erwarten-

    beste Grüße Anne Heini

  2. A.Rauf-Vater

    Guantanamo. Snowdon. Assange. Illegaler Irak-Einmarsch. Verschärfung der Abreibungsrechte inklusive Verfolgung und Ermordung entsprechender Beteiligter. Systematische Begrenzung der Rechte Schwarzer (s. Wahlrecht) Welches Land war das gleich noch?…Und nun? Sport soll Dialoge ermöglichen und Gemeinsamkeiten vorantreiben-nicht Kontakte verhindern. Aufgabe der Sportpresse ist es in erster Linie, von den sportlichen Ereignissen zu berichten. Wer frei ist von Schuld, der werfe den ersten Stein.

    • Sylvia

      Ja, es gibt überall Unrecht. Aber hier wird versucht, durch unmoralische Summen solche Sportighlights zu sich zu ziehen und damit von diesem Unrecht abzulenken. Sportswashing halt. Es wird (wieder einmal) ein konkretes Sportevent gezielt dafür missbraucht.

      Wenn man das dann nicht unterstützt, finde ich es lobenswert. Das ist schon ein sehr direkter Bezug.

  3. Gleich Barbara

    ich bin Ihnen und dem St. georg sehr dankbar für diese klaren Worte, der Bericht ist so was von wichtig, ich wünschte mir, dass die Schweiz nachzieht und ebenso handelt. Vielen Dank für Ihren Mut auszusprechen, was viele Politiker nicht tun. Das Geld regiert bereits einen Grossteil des Pferdesports, aber diese Summen toppen einfach alles. so schade, dass man diese Länder, die die Menschenrechte mit Füssen treten, mordern etc. unterstützt. nochmals herzlich Dank für Ihr wertvolles Engagement. Liebe Grüße Barbara Gleich

  4. S.Neumann

    „Es ist immer leicht, aus sicherer Entfernung mutig zu sein.“ Aesop

    Mir leuchtet die Sichtweise von Jan Tönjes ebenso ein wie die Argumentation von Herrn A. Rauf-Vater. Es wäre auch verständlich, wenn gerade jetzt niemand zu einem Sportereignis auf die Arabische Halbinsel fliegen mag. Auf jeden Fall hat der Verzicht auf eine Berichterstattung den Nebeneffekt, dass der Verlag viel Geld spart.

    Journalismus ist keine Hofberichterstattung, zumindest in der Theorie. Sollten Journalisten und Journalistinnen nicht offene Fragen stellen und neugierig sein? Statt zu (ver-)urteilen und sich auf die vermeintlich richtige Seite zu stellen? Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass die Presse aus Saudi-Arabien berichtet, auch über Sportswashing. Aber nicht nur. Wie erlebt man die Welt auf dem Mega-Event und wie sieht sie außerhalb aus? Gilt die Geschlechtertrennung auch im Reitsport? Wie tickt die Reiterwelt in Saudi-Arabien? Woher kommt das Heu? Gibt es Reitschulen? Wie schaut es mit Kontakten zwischen der deutschen und der arabischen Reiterwelt aus? Kann der Reistport vielleicht sogar etwas Positives für einen Dialog und eine Öffnung bewirken? Im letzten Jahr hatte ich Gelegenheit, mit einer Reiterin und einem Reiter aus Saudi-Arabien zu sprechen und fand es sehr interessant.

  5. Anja Sieg

    Wann ist das Weltcup-Finale nach Saudi-Arabien vergeben worden? 2919, wenn ich das richtig erinnere. Und plötzlich der große Aufschrei??? Wenige Tage vor dem Finale. Dass Saudi-Arabien jede Menge menschenrechtsverletzende Defizite hat, ist hinlänglich bekannt. Ich finde die Entscheidung per se ok, aber mit dem Timing habe ich ein Problem.

  6. RSCHMITZ

    Oh. Gerade erst gelesen.
    Meinen Respekt dafür.
    Sich nicht vor den Karren spannen lassen und die Gründe dafür benennen ist genau richtig. Sollten Reiter ( und andere Sportler) auch mal drüber nachdenken. Auch wenn noch so viele Dollars winken. Das wären gelebte westliche Werte.


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