Moment mal! Die Welt soll staunen – Olympia 2024

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Drei Millionen Besucher werden in sechs Monaten in Paris zu den Olympische Spielen erwartet. Die größte Problem für die Veranstalter ist die Sicherheit, dafür werden jeden Tag rund um die Uhr 35.000 Sicherheitskräfte bereitgestellt. Eine olympische Zwischenbilanz.

Die Pferdesportler tragen ihre Wettkämpfe in in Versailles aus, an  der Peripherie der Olympiastadt und hoffen, dass sie unter dem Radar von terroristischen Machenschaften reiten.

Meist sind wir es, die Journalisten, die die Reiter beneiden: um ihr Können, um ihre tollen Pferde, um die Chance, auf den größten Plätzen der Welt um Ruhm und Ehre zu reiten. Und nicht zu vergessen um das satte Preisgeld, das den Besten winkt. Aber jetzt, knapp sechs Monate vor den Olympischen Spielen in Paris, mag es umgekehrt sein. Wir, die Journalisten wissen bereits, dass wir dabei sein werden, sofern uns der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) mit einer Akkreditierung bedacht hat. Wir haben unser Zimmer gebucht und bezahlt und kämpfen allenfalls noch um einen Parkschein. Für alle Fälle wissen wir, wo der Bus fährt. Wir können uns in Ruhe vorbereiten, der Stress kommt später.

Für die Reiter steht noch nichts fest. Sie müssen noch etliche Sichtungen durchlaufen, es wird ein harter Kampf um nur drei Plätze pro Mannschaft und vor allem muss ihr Pferd am Ende fit und gesund sein, eine Bedingung sine qua non, ohne die gar nichts geht. Ein Angstmoment bis zum Schluss. Den Warendorfer Funktionären geht es derweil ähnlich wie uns, sie wissen, dass sie auf jeden Fall dabei sein werden. „Ich freue mich auf Paris“, sagt Dr. Dennis Peiler, der Chef de Mission in Paris, der zusammen mit André Schoppmann die Logistik in der Hand hat. Er ist nicht der Einzige, der fantastische Spiele erwartet.

Die Reiter der meisten Nationen werden – wie schon früher oft – nicht im Olympischen Dorf wohnen, das in St. Denis am nördlichen Ende der Stadt liegt, während das Reiten südwestlich von Paris in Versailles ausgetragen wird, einem „ikonischen“ Schauplatz, wie man heute sagt, der einzigartige Fotos erwarten lässt. Auch darauf kommt es an, wenn zwar zig Tausende Zuschauer vor Ort sein werden, aber, so hofft das Internationale Olympische Komitee (IOC), weltweit Milliarden vor den Rechnern, Smartphones und TV-Geräten sitzen.

Die Reiter und ihre Entourage, auch die Pferdebesitzer und Funktionäre werden in einem Seminarhotel in Malabry, 20 Autominuten östlich von Versailles untergebracht. Die Tierärzte und Pfleger sollen im „Grooms Village“ nächtigen, es ist innerhalb der Sicherheitsblase, in die man nur nach den üblichen gründlichen Kontrollen kommt. Zwar parken die LKW nicht weit entfernt, aber dort gibt es keinen Strom, was nicht gerade zum Übernachten einlädt, vor allem nicht in der zu erwartenden Sommerhitze.

Dressur- und Vielseitigkeitsreiter absolvieren unmittelbar vor den Spielen in Frankreich ein Trainingslager, die Buschreiter wie vor der EM 2023 in Deauville, das hat ihnen Geländetrainer Rodolphe Scherrer besorgt. Die Dressurreiter gehen zu letzten Vorbereitung in eine private Reitanlage in der Nähe von Paris, die Springreiter planen noch.

Käse, Bretzeln und Couscous

In den französischen Medien dreht sich fast alles um die Eröffnungsfeier. Die Welt soll staunen, vom ersten bis zum letzten Moment dieser Spiele. Der Franzose an sich neigt halt nicht zum Understatement und die Eröffnungsfeier soll die ganze Vielfalt und Größe der französischen Kultur und Geschichte widerspiegeln. Das Konzept liegt in den Händen des 42-jährigen Thomas Jolly, von Haus aus Theaterdirektor, der nicht nur ein atemberaubendes Spektakel auf die Beine stellen soll, sondern gleichzeitig Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und Denkmalschutz im Auge behalten muss.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele wird es keine Eröffnungsfeier im Hauptstadium geben, sondern die Athleten, mehrere tausend an der Zahl, werden auf etwa 150 Schiffen die Seine herunterfahren, begleitet von 200 Beibooten. Die Strecke ist sechs Kilometer lang, mitten durch Paris, die Zuschauer stehen und sitzen am Ufer. Das bringt etliche logistische Herausforderungen mit sich, etwa die Winde, die wechselnde Wassertiefe des Flusses und die unterschiedliche Beschaffenheit der Brücken. Es wird keine einzige Generalprobe vor Ort geben, Teile der Show werden in Hangars geprobt, die Bootsführer werden in einem Navigationszentrum geschult. Wie Jolly in einem Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP sagte, soll die Show Frankreichs multikulturelles Leben widerspiegeln. „Frankreich ist Edith Piaf, aber auch Oper und RAP, alle möglichen diversen Musikstile. Frankreich ist Käse, aber auch Bretzel und auch Couscous“, erklärte er gegenüber AFP. Das ganze Spektakel wird rund drei Stunden dauern.

Von den deutschen Reitern werden allenfalls die Dressurreiter teilnehmen können. Die Vielseitigkeitsreiter haben am Morgen der Eröffnung bereits die Verfassungsprüfung, beginnen am nächsten Tag mit der Dressur. Die Springreiter sind noch nicht da. „Die Reiter würden mit An- und Abfahrt acht Stunden für die Eröffnungsfeier benötigen, das kriegen wir nicht hin“, sagt Peiler. Aber einige Funktionäre haben bestimmt Zeit.

Angst vor Hitzewelle

Neben der Organisation einer Schau, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat, gibt es weitere Herausforderungen. Das eine ist das Wetter. Experten sind auf eine Hitzewelle vorbereitet, wie sie das Land 2003 erlebte. Damals stieg das Thermometer an neun aufeinanderfolgenden Tagen auf mehr als 35 Grad, nachts kühlte es kaum ab. 15.000 Hitzetote wurden vor 21 Jahren gezählt. Aufgrund des fortschreitenden Klimawandels könnte es diesmal noch schlimmer kommen, befürchten Meteorologen.

Ein anderes Problem ist die Sicherheit von Athleten, Zuschauern und Bevölkerung. Man rechnet mit 500.000 Besuchern allein für die Eröffnungsfeier. Sie ist der Hotspot der Sicherheitsvorkehrungen, 45.000 Sicherheitskräfte werden dafür benötigt. An den anderen Tagen stehen rund um die Uhr 35.000 Leute bereit, um die Sportstätten zu schützen, nicht nur Polizisten, auch private Sicherheitsdienste und womöglich auch Soldaten. Am meisten fürchten die Organisatoren den „einsamen Wolf“, der auf sich gestellt durch die Kontrollen schlüpft und Terrorakte begeht. Auch das chaotische Champions League Finale 2022 zwischen Liverpool und Real Madrid ist noch in guter Erinnerung. Tausende von wildgewordenen Fans stürmten die Stadt, die Polizei war total überfordert und setzte am Ende Tränengas ein. Sollte die Sicherheitslage nicht beherrschbar sein, habe Präsident Macron einen Plan B mit Verlegung der Feier ins Stadion angekündigt, berichtet die Internetseite InsidetheGames.

Die Bevölkerung von Paris befürchtet einen Zusammenbruch des schon jetzt überlasteten öffentlichen Nahverkehrs, außerdem sollen während der Spiele die Fahrpreise drastisch erhöht werden. Auch in anderen Bereichen versuchen die Organisatoren, Geld wieder hereinzuholen. „Es werden die teuersten Eintrittspreise für die Leichtathletikarena sein, die wir bei Olympischen Spielen je gesehen haben“, sagt der Brite Sebastian Coe, Präsident des Internationen Leichtathletik-Verbandes, verantwortlich für die Spiele in London 2012.  Er befürchte, dass die Angehörigen einiger Athleten sich die Tickets nicht werden leisten können, berichtet Insidethegames.  Die billigste Karte soll 24 Euro kosten, die teuerste 950 Euro. In den zwei Olympiawochen werden drei Millionen Besucher erwartet und der Verkauf von sieben Millionen Karten. Die Pferdesportwettbewerbe waren mit die ersten, die ausverkauft waren, in diesem Frühjahr soll noch ein weiterer Schwung  Karten auf den Markt kommen.

„Es ist wichtig, dass unsere Stadien mit Leuten gefüllt werden, die unseren Sport lieben und nicht nur mit denen, die sich den Besuch der Olympischen Spiele leisten können“, sagt Sebastian Coe. Wenn es dafür nicht schon zu spät ist.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.