Olympia Paris 2024: „Es werden grandiose Spiele werden“

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Lange gab es Zweifel, ob die Olympischen Reitwettbewerbe in Paris 2024 ein Erfolg oder ein Desaster werden würden. Jetzt lief eine Art Testevent im Schlosspark von Versailles ab, das viele Bedenken zerstreute und die Vorfreude anheizte. Der Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), Dr. Dennis Peiler, ist sich sicher: „Paris ist eine Reise wert“.

Das „mulmige Gefühl“, das in den letzten zwei Jahren den einen oder anderen beschlich, wenn er an die Olympischen Spiele in Versailles dachte, ist einhelliger Begeisterung gewichen. Vorfreude statt Frust. „Wir erwarten tolle Spiele in außergewöhnlicher Kulisse“, sagt Dr. Dennis Peiler. „Die Vielseitigkeitspferde galoppieren einmal quer durch den Schlosspark, das wird großartig“. In der Tat, die Kulisse wird außergewöhnlich sein für Reiter und Zuschauer, wenn sie im 2000 Hektar großen Park des Sonnenkönigs Ludwig XIV. im nächsten Jahr um olympische Medaillen kämpfen beziehungsweise dabei zusehen: Das Schloss weit in der Ferne, unter den Füßen und Hufen historischer Boden. Nachdem die Organisation erst nicht in die Gänge kam, ist nun eine weltweit erfahrene Firma (GL Equestrian Events) mit der olympia-würdigen Durchführung beauftragt. „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagt Peiler, „die Organisation macht einen kompetenten Eindruck, hat die Sache im Griff. Wir werden phantastische Bilder haben.“ Das war unter anderem der Grund, warum die Entscheidung für Versailles fiel und nicht für einen Ort, in dem bereits erfolgreich Turniere veranstaltet werden, etwa Chantilly oder auch in Fontainebleau, wo im kommenden Frühjahr ein reguläres Testevent in Form einer Vielseitigkeit stattfinden soll, um die Abläufe zu testen, so ist es eigentlich vor Olympischen Spielen üblich.

paris2024.org

Computeranimation Olympia 2024 im Schlosspark von Versailles (ganz hinten am Horizont) (© paris2024.org)

Das ging in Versailles nicht, um die täglichen Spaziergänger nicht länger als unbedingt nötig auszusperren, und um den Park nicht zu sehr zu strapazieren – die Hüter des UNESCO Weltkulturerbes Versailles gucken den olympischen Akteuren ständig über die Schulter. Der größte Teil des Parks und auch das Schloss selbst bleiben während der Spiele für die Öffentlichkeit zugänglich

Es wird nicht wie im Greenwich Park von London 2012 – ebenfalls ein Weltkulturerbe – eine Arena auf Eisenstelzen geben, sondern der Rasen wird komplett ausgehoben und neu verfüllt, die oberste Schicht wird Sand sein. Rundherum haben 14.000 Zuschauer Platz, die Tribünen sind an drei Seiten aufgebaut, die vierte Seite ist offen und gibt den Blick auf Schloss Versailles frei. Ins Gelände werden 40.000 Besucher gelassen. „Es würden mehr reinpassen“, sagt Peiler, „aber die Verkehrsinfrastruktur rund um den Park lässt das einfach nicht zu.“ Die Reitwettbewerbe gehören zu den gefragtesten Events.

Der Geländekurs wird von Pierre le Goupil gestaltet, der im August bereits die Europameisterschaft in Haras du Pin designt hat. Die Trasse für den 5300 Meter lange Kurs ist bereits präpariert, mit einer besonderen festen Grassorte neu eingesät und teilweise mit Metallgittern abgeriegelt, damit sie nicht betreten werden kann. Archäologen haben die gesamte Strecke überprüft, damit die Pferde nicht etwa über unentdeckte historische Kostbarkeiten galoppieren. Es wurde ein künstlicher Hügel aufgeschüttet, ansonsten ist der große Park ziemlich platt. Mehrere Wassersprünge sind in Arbeit, der Grand Canal selber, der den ganzen Schlosspark durchzieht, darf dafür nicht benutzt werden, weil der Untergrund nicht beherrschbar ist und Schaden nehmen könnte.

Aber zweimal überqueren die Pferde über Pontons den Grand Canal, also temporäre Brücken, 30 Meter lang. Sie werden durch Wassertanks gehalten, die mit dem Grund verbunden sind. Der Weg über die Pontons wurde mit Matten und Sand präpariert. Die Frage beim Testlauf im August war, wie würden die Pferde reagieren? Es stellte sich heraus: überhaupt nicht. Vier Reiter galoppierten über Teile der Strecke mit zwei Hindernissen, die Pferde zuckten an den Pontons nicht mit der Wimper. Dennoch wird ein ausgebildetes Rettungsteam bereitstehen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ein Reiter und/oder Pferd ins Wasser fällt. Um den Reiter herauszufischen und das Pferd über eine Rampe ans Ufer zu geleiten.

 

Die Stallzelte werden am anderen Ende des Parks aufgebaut, dort sind auch Trainingsplätze und eine 600 Meter lange Galopppiste vorgesehen. Alles ist dicht beieinander, auch die LKW, in denen ja viel Equipment verstaut wird, parken in der Nähe. Unmittelbar nach dem Wettkampf reisen die Pferde wieder ab und räumen die Boxen für die nachrückenden vierbeinigen Athleten. Das garantiere die größtmögliche „Biosicherheit“, also minimale Ansteckungsgefahr, heißt es.

Die Reiter werden in Hotels in oder nahe Versailles wohnen. „Das Olympische Dorf ist im Stadtteil St. Denis, also am anderen Ende der Stadt, das würde jedes Mal eine Anfahrt von mehr als einer Stunde bedeuten“, sagt Peiler, „die meisten Nationen planen mit Hotels.“

Schon wenige Wochen, nachdem das Olympisches Feuer erloschen ist, soll im Park von Versailles alles wieder sein wie vorher, als hätte es Olympia nie gegeben. Von Nachhaltigkeit kann man da kaum sprechen. Das ganze Unternehmen wird mit 27 Millionen Euro veranschlagt. Es fragt sich, wie das beim IOC ankommt, das ja immer auf Kostensenkung drängt. Nicht zuletzt die Bilder von Versailles entscheiden, ob Reiter und Pferde auch bei den übernächsten und allen weiteren Spielen noch zur olympischen Familie gehören werden.

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.