Neue GOT: So leiden todkranke Pferde

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Petra Teegen ist eine Frau, die nicht lange fackelt, wenn ein Pferd in Not ist. Vor elf Jahren gründete sie die „Erste Pferdeklappe“ in Schleswig-Holstein. Rund 2300 Pferde und Ponys konnte aufnehmen, die meisten davon weitervermitteln in ein sicheres Zuhause. Doch die neue Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) macht auch ihr schwer zu schaffen.

Der Grund: Viele Pferdebesitzer können die Tierarztkosten nicht mehr tragen, nicht mal die fürs Einschläfern. Darum werden viele todkranke Tiere über hunderte von Kilometern zu Teegen gekarrt, um zu sterben.

Es gibt viele Möglichkeiten einzugreifen, wenn Not am Mann ist oder Unrecht geschieht, in unserem Fall Pferden und den Menschen, die mit ihnen zu tun haben. Die eine ist, eine Kommission ins Leben zu rufen, um Missstände zu bekämpfen, wie es die Verbände etwa die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) gerne tun. Ein Aktionismus, der selten etwas bringt. Es wird getagt, formuliert und beschlossen. Bis irgendetwas in die Tat umgesetzt wird, kann es Monate dauern, wenn überhaupt. Ein Beispiel ist die Ethik-Kommission, die der FEI ersparte, sofort im Fall des dänischen Dressurpferdehändlers Andreas Helgstrand und seiner tierquälerischen Trainingsmethoden einzuschreiten. Wir haben alles im Griff – das sollte der Hinweis auf die neugegründete Ethik-Kommission wohl signalisieren.

Nicht reden, machen!

Nicht reden, einfach handeln, das ist – auf einem ganz anderen Gebiet – seit elf Jahren das Motto von Petra Teegen, der Gründerin der ersten Pferdeklappe in Deutschland. In diesen Jahren hat die gelernte Krankenschwester auf ihrem Hof in Norderbrarup (Kreis Schleswig-Flensburg) 2079 Pferde und 209 Ponys bei sich aufgenommen, die ihre Besitzer nicht mehr versorgen konnten, aus finanziellen Gründen oder weil sie selbst alt und krank geworden sind.

Wer sich scheut, selbst sein Pferd zu übergeben, kann es anonym auf einer dafür vorgesehenen Koppel lassen, den Pferdepass und einen unterzeichneten Abgabevertrag in ein Fach legen und sicher sein, dass sich das Team um Petra Teegen seines Pferdes annimmt. Aber auch wer persönlich sein Pferd übergibt, muss keine Vorwürfe fürchten.

Die Pferde werden gleich nach Ankunft tierärztlich untersucht, wenn nötig behandelt, bis sie gesund ist. Dafür stehen 38 Boxen plus zehn Notboxen für unerwartete Neuzugänge und insgesamt zwölf Hektar Weideland zur Verfügung. 40 Prozent der Pferde sind krank, die meisten leiden unter Atemwegserkrankungen, etwa durch schlechte Haltungsbedingungen.

Jeden Montag postet Petra Teegen auf Facebook die Neuankömmlinge einschließlich der tierärztlichen Befunde. Die Pferde werden kostenlos an neue Besitzer abgeben, die einen zwei Jahre gültigen Schutzvertrag unterzeichnen und die entstandenen Kosten übernehmen müssen. Sie müssen nachweisen, dass sie über ein Einkommen verfügen, das ihnen die Haltung eines Pferdes erlaubt, und regelmäßig Bilder und Emails schicken, um das Wohlergehen des Pferdes zu dokumentieren.

„Wenn ich das nicht für gut halte, hole ich sie rigoros zurück“, sagt Petra Teegen und ihre energische Stimme lässt keinen Zweifel zu. „Wir sind kein Gnadenhof. Aber im Notfall sind wir für alle da, die Hilfe brauchen. So vergeben wir Patenschaften, damit die Tiere, die wir nicht vermitteln können, bei uns bleiben.“

Problem Tierarztkosten

Die drastisch gestiegenen Tierarztrechnungen sind ein Problem für alle Pferdehalter, aber für Einrichtungen wie die Pferdeklappe ganz besonders. Im letzten Jahr musste Petra Teegen sogar einen zeitweiligen Aufnahmestopp verhängen, weil sie der Anfragen nicht mehr Herr wurde. 50 Pferde standen im Betrieb in Norderbrarup, der auf 38 Pferde ausgelegt ist. Der Grund:

„Viele Pferdebesitzer schickten ihre sterbenskranken Pferde zu uns, zum Teil durch die ganze Republik, weil sie die Kosten fürs Einschläfern nicht bezahlen konnten.“ Das können bis zu 1000 Euro sein. „Das ist einfach nicht fair“, sagt Teegen, „die armen Tiere hatten nicht nur die Reise zu überstehen, sondern mussten weit weg von der vertrauten Umgebung eingeschläfert werden. Das hat kein Pferd verdient.“

Kosten

Die Tierarztkosten für die Pferdeklappe belaufen sich inzwischen auf 140.000 Euro im Jahr. Pro Monat kostet der laufende Betrieb inklusive aller Löhne und Gehälter 20.000 bis 25.000 Euro, auch wenn keiner des engagierten Teams Spitzenverdiener ist und Teegen selbst auf 45 Quadratmetern eher bescheiden wohnt. Das meiste wird aus Spenden finanziert. Die 1500 Mitglieder der Ersten Pferdeklappe e.V., zahlen 10 Euro im Jahr. Sachspenden machen einen wichtigen Teil des Einkommens aus. Sie werden verkauft, entweder online oder über die regelmäßigen Flohmärkte. Da kommen schon mal sechsstellige Summen zusammen. Teegen kommt zugute, dass sie wirtschaftlich denken und mit dem spitzen Bleistift rechnen kann, anders ginge es wohl nicht.

Neben der Notaufnahme für Pferde hält Petra Teegen auch einen mobilen Rettungsdienst für Pferde vor. Immer wieder passiert es, dass Pferd in Gräben rutschen oder im Moor versinken. Für diesen Fall hat Teegen einen besonderen Anhänger, der mit allem ausgestattet ist, was zur Rettung eines verunfallten Pferdes nötig ist. Sie selbst ist ausgebildet in Pferdenotrettung, aber das Equipment wird auch an Feuerwehren verliehen. In regelmäßigen Kursen können Pferdehalter lernen, was in Notsituationen zu tun ist.

Wer helfen möchte, mit Sach- oder Geldspenden, hier ist die Kontaktadresse:

Pferdeklappe e.V. / Notbox Schleswig-Holstein
Ruruper Str. 42
24392 Norderbrarup
Telefon: 04641 46 2934

E-Mail: [email protected]

Facebook: www.facebook.com/PferdeklappeNotboxSchleswigHolstein/

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Frau P.

    Klasse, dass hier darüber berichtet wird. Ich folge den Beiträgen der Pferdeklappe schon lange (übrigens auch auf Instagram!) und bewundere die Arbeit des Teams zutiefst. Toll finde ich auch die verschiedenen Angebote, wie man unterstützen kann (nicht nur über Spenden, sondern eben auch über den Flohmarkt oder das Magazin).

    Wie schon geschrieben – so viel Tatkraft und Engagement über so eine lange Zeit zu so einem (auch emotional) herausfordernden Thema! Ich wünsche dem Team der Pferdeklappe sehr, dass sie auch weiterhin (und vielleicht noch mehr) finanzielle Unterstützung und Aufmerksamkeit bekommen.

  2. M. Bach

    Wie wäre es denn, die Herren Schocke-Strand & Co. nicht nur mit Turniersperren zu belegen, sondern sie zu ermuntern, der Pferdeklappe mit einem sechsstelligen Betrag unter die Arme zu greifen – und mit ein paar dort abzuleistenden Sozialstunden?

    Es bliebe den edlen Spendern sicherlich auch dann immer noch genug übrig für ein sorgenfreies, komfortables Leben, angesichts der Millionen-Beträge, die sie umsetzen und vereinnahmen.

    Auch bei den Pferden und ihrer Versorgung geht die Schere leider immer weiter auseinander.


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