Der Fall Parra und die deutsche Beteiligung – Reaktionen der Zuchtverbände

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(© Screenshot)

In einem der Videos, die „Trainingsmethoden“ im Stall des US-Reiters Dr. Cesar Parra zeigen, sind zwei Deutsche beteiligt, die hierzulande vor allem in der Zuchtszene gut bekannt sind. Wir haben die großen deutschen Zuchtverbände gefragt, wie sie damit umgehen.

Die Szenerie in Kürze: Ein Mann führt ein mit Schlaufzügeln gezäumtes Pferd mit Reiter auf dem Rücken an der Longe. Dahinter geht ein Mann, der das Pferd immer wieder mit der Peitsche schlägt. Das Pferd wehrt, sich, steigt, rennt rückwärts, wird mit der Peitsche aber wieder nach vorne getrieben. An der Bande kommen Zuschauer ins Bild, die das Ganze kommentieren. Man hört einen Kommentar, was für ein großartiges Gefühl das nun im Sattel sein müsse.

Der Mann, der das Pferd führt und die kommentierende Person am Rande sind in Deutschland gut bekannt, vor allem in der Zuchtszene. Darum haben wir am Montag, 5. Februar, die deutschen Warmblutzuchtverbände angemailt und sie gefragt, wie sie nun mit der Situation umgehen werden, ob das auf den Videos zu sehende Verhalten Konsequenzen haben wird. Von manchen kam eine Reaktion, von anderen – zumindest bislang – nicht.

Das Deutsche Sportpferd (DSP) hat erklärt:

Natürlich sind auch wir von den in den sozialen Medien verbreiteten Bildern geschockt und können das darin abgebildete Verhalten nur aufs Schärfste kritisieren und ablehnen.

Eine der in dem Video zu erkennenden Personen ist Mitglied in einem DSP-Verband. Dieser DSP-Verband hat bereits ein Ausschlussverfahren gegen diese Person eingeleitet (Es ist der Pferdezuchtverband Baden-Württemberg, Anm. d. Red.). Eine Zulassung von Hengsten zu unseren Körveranstaltungen ist ausschließlich Mitgliedern vorbehalten. Sofern keine der handelnden Personen oder deren Gesellschaften (mehr) Mitglied in einem DSP-Verband sind, ist eine Teilnahme demnach nicht möglich. Eine Aufnahmeantrag zu einem DSP-Verband würde momentan sicherlich negativ beschieden werden.

Auch über die Frage der Erteilung eines Hausverbots zu unseren erst in einigen Wochen anstehenden Veranstaltungen haben wir uns bereits Gedanken gemacht und werden versuchen, ein solches im Rahmen des rechtlich Möglichen umzusetzen. Dabei werden wir uns aber am Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.04.2018 orientieren müssen, in dem Richtlinien festgelegt wurden, wie Vereine/Verbände vorgehen müssen, wenn eine Person von öffentlich zugänglichen Veranstaltungen ausgeschlossen werden sollen und welche Mindestanforderungen an das Verfahren zur Erteilung eines Hausverbots zu stellen sind. 

Das Westfälische Pferdestammbuch hat geantwortet:

Das Foto- und Videomaterial von einem Trainingsstall in den USA, welches am vergangenen Wochenende die Öffentlichkeit erreichte, hat auch uns als Westfälisches Pferdestammbuch zutiefst schockiert.

Die in den Aufnahmen gezeigten Praktiken stehen im klaren Widerspruch zu den ethischen Grundsätzen und den Prinzipien, für die das Westfälische Pferdestammbuch eintritt. Es ist uns daher ein Anliegen, öffentlich zu betonen, dass derartige Vorgehensweisen keinerlei Akzeptanz in unserem Verband finden.

Unter Beachtung der Satzung und weiteren internen Vorgaben, haben wir bereits erste Schritte eingeleitet, um auf den Vorfall zu reagieren. Die Tagesordnung für die nächste Vorstandssitzung wurde so aktualisiert, dass ein satzungsgemäßer Ausschluss der Dressurstall Sandbrink GmbH, in Person von Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber, zeitnah eingeleitet werden kann.

Der Zuchtverband für Deutsche Pferde (ZfdP) hat auf seiner Homepage eine Stellungnahme veröffentlicht:

Erschütternde, via Social Media verbreitete Videos aus den USA zeigen, wie Dr. Cesar Parra Pferde mißhandelt, mit Hilfszügeln quält und schlägt.

Eines der Videos zeigt auch, dass er dabei von Stefan Sandbrink unterstützt wird, der das mit Schlaufzügeln von der Reiterin fixierte Pferd vom Boden aus festhält und ihr Anweisungen gibt, während das Pferd von Dr. Cesar Parra von unten und über eine lange Distanz, mehrere Minuten lang ausgepeitscht wird.

Erschreckend zudem die Rolle von Frau Dr. Kerstin Klieber, Geschäftspartnerin von Stefan Sandbrink, die an der Reithallenbande steht und diese Tierquälerei mit wohlwollenden Worten von außen unterstützt.

Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber stehen hinter der Dressurstall Sandbrink GmbH, die Mitglied des Zuchtverbandes für deutsche Pferde e.V. ist.

Der Zuchtverband für deutsche Pferde e.V. steht für liberale Werte, insbesondere für art- und tiergerechtes Verhalten und versteht sich als Teil einer am Tierwohl orientierten Leitkultur.

Das auf den Videoaufnahmen zu sehende Verhalten verstößt gegen unsere Satzung.

Aus diesem Grunde habe ich, André Hascher, in meiner Funktion als Vorstandsvorsitzender und Mitglied des Zuchtverbandes für deutsche Pferde e.V. – unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Tierquälerei –  den Antrag auf Ausschluss der Dressurstall Sandbrink GmbH aus unserem Zuchtverband an den Vorstand unseres Zuchtverbandes gerichtet.

Der Antrag wurde, nach eingehender Beratung innerhalb des Vorstandes, einstimmig befürwortet. Damit ist nun das satzungsgemäße Verfahren in Gang gesetzt, um die Dressurstall Sandbrink GmbH sämtlicher Mitgliedsrechte zu entheben und diese in Zukunft damit auch von unseren Veranstaltungen auszuschließen. Es werden die laut Satzung anzuhörenden Gremien gehört und dem betroffenen Mitglied Gelegenheit gegeben, sich zur Sache zu äußern.

Hannoveraner Verband und Oldenburger Pferdezuchtverband haben eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht mit folgendem Wortlaut:

Seit vergangenem Wochenende haben verschiedene Videosequenzen aus einem Trainingsstall in den USA viele Menschen innerhalb und außerhalb der Pferdeszene erreicht, in denen tierschutzrelevante Inhalte und verabscheuungswürdige Trainingsmethoden zu sehen sind. Auf einem dieser Videos ist die Beteiligung des deutschen Ausbilders Stefan Sandbrink zu erkennen. Der Hannoveraner Verband und der Oldenburger Pferdezuchtverband distanzieren sich klar von den Inhalten, akzeptieren keine Ausbildungsmethoden dieser Art und stehen in aller Deutlichkeit hinter der deutschen Reitlehre, den ethischen Grundsätzen zum Umgang mit dem Pferd sowie hinter den eigenen und allgemeinen Compliance-Richtlinien.

Aus diesen Gründen haben der Oldenburger Pferdezuchtverband und der Hannoveraner Verband gemeinsam ein internes Verfahren aufgrund tierschutzwidrigem Verhalten eingeleitet. Am Abend des 7.2.2024 sind Mitglieder aus Vorstand und Geschäftsführung beider Pferdezuchtverbände zu einem persönlichen Termin mit Dr. Kerstin Klieber und Stefan Sandbrink zusammengetroffen, denn beide werden u.a. in den digitalen Medien mit dem Videoinhalt in Zusammenhang gebracht. Sie wurden zur Darstellung der gesamten Sachlage aufgefordert, da bislang keine Ausführungen existierten. Unabhängig von den oben formulierten Grundsätzen, Werten und Prinzipien sowie der weiterhin bestehenden Kritik an den Inhalten des Videoausschnitts hat sich in mehreren Punkten eine veränderte Erkenntnislage ergeben. Grundlage dafür ist die mündliche Stellungnahme. Diese gilt es nach Meinung der beiden Pferdezuchtverbände zu berücksichtigen und in die Entscheidungsfindung u.a. auch im rechtlichen Sinne einfließen zu lassen. Stefan Sandbrink und Dr. Kerstin Klieber wurden aufgefordert, dass sie sich bis einschließlich zum 14.2.2024 schriftlich zu dem Sachverhalt den beiden Verbänden gegenüber äußern. Davon ausgehend werden die beiden Pferdezuchtverbände nach eingehender Prüfung anschließend mit wenigen Tagen Abstand ihre eigene Bewertung und Entscheidungsfindung zu einer möglichen Sanktionierung verkünden.

Beiden Pferdezuchtverbänden ist bewusst, dass eine schnelle Reaktion gefordert wird. Dies wurde in persönlichen Gesprächen, Schreiben und den digitalen Medien wiederholt zugetragen. Beschuldigten Personen zu einem Sachverhalt zuerst die Möglichkeit der Anhörung zu geben und erst dann Maßnahmen einzuleiten, gehört jedoch zum Rechtsverständnis der teilnehmenden Verbandsvertreter. Gleichwenn satzungsgemäße Pflichtverletzungen dann auch satzungsgemäß durch Ausschlüsse und weitere Sanktionen geahndet werden können. Auf dieser Grundlage werden beide Vorstände zu einer gemeinsamen Entscheidung über mögliche Sanktionen bis hin zum möglichen Ausschlussverfahren kommen.

Mit Blick auf den vorstehenden Videovorfall muss die Pferdeszene aus Sicht beider Pferdezuchtverbände für sich feststellen, dass tierschutzrelevantes Verhalten nicht in genügendem Maße zurückgedrängt und geächtet ist. Die aktuellen Äußerungen von vielen passionierten Menschen rund ums Pferd geben in ihrer Vehemenz, Dringlichkeit und Breite den Auftrag, sich noch viel stärker als bislang gegen entsprechende Praktiken zu stellen. Denn gerade in den letzten Monaten hat die Akzeptanz der Pferdebranche in der Gesellschaft erneut deutlich gelitten. Diesen Auftrag nehmen der Hannoveraner Verband und der Oldenburger Pferdezuchtverband an, sowohl im direkten Einflussbereich bei Eigenveranstaltungen als auch im weiteren Geltungsbereich.

Der Holsteiner Verband und der Trakehner Verband haben angegeben, dass die beschuldigten Personen keine Mitglieder sind.

Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

  1. Angelika Wismuth

    „Sie wurden zur Darstellung der gesamten Sachlage aufgefordert, da bislang keine Ausführungen existierten. Unabhängig von den oben formulierten Grundsätzen, Werten und Prinzipien sowie der weiterhin bestehenden Kritik an den Inhalten des Videoausschnitts hat sich in mehreren Punkten eine veränderte Erkenntnislage ergeben. “

    Ernsthaft? Welche andere Erkenntnisse kann man nach den Bildern mündlich erlangen??

  2. Gesa

    Ich möchte dem DSP und dem ZfdP von ganzem Herzen meinen Dank für ein mutiges und entschlossenes Vorgehen im Falle Sandbrink aussprechen. Das ist kompromisslos pferdeorientiertes Verhalten, das beide Verbände zeigen, denn etwas anderes darf in diesem Falle keinerlei Bedeutung haben.
    Dem Oldenburger und Hannoveraner Verband kann ich nur mein meine größtmögliche Missbilligung aussprechen. Wie kann man anhand solcher Bilder noch so gestelzt um den heißen Brei herumreden und sich in hochtrabenden Verklausulierungen vergehen? Besonders der Hinweis auf eine veränderte Erkenntnislage ist doch völlig absurd…welche Erkenntnis soll denn dazu führen, das man solch widerliches Verhalten in einer neuen Erkenntnislage betrachten könnte? Nichts aber auch gar nichts rechtfertigt das Verhalten gegenüber dem Pferd oder den geschmacklosen Kommentar vom Hallenrand.
    Geht gar nicht und manchmal reichen eben auch schon Indizien in Form eines Videos aus um zu erkennen was falsch oder richtig ist.

  3. ursula machner

    die akzeptanz für den reitsport in der öffentlichkeit geht bald völlig den bach runter, wenn die öffentlichkeit solche schrecklichen bilder zu sehen bekommt. die hilflosen pferde werden grausam gequält und psychisch regelrecht vergewaltigt. da wird einem ja schlecht, wenn und der blutdruck steigt hoch. was sollen sie denn bitteschön bei so einer behandlung lernen? dressurlektionen fehlerlos zu absolvieren???? sie verstehen doch überhaupt nicht mehr, was sie tun sollen und wofür sie bestraft werden, denn was anderes bedeuten die schläge doch nicht. sie lernen nur durch gutes, intelligentes reiten, gut durchdachte ausbildung und viel lob an der richtigen stelle. in solchen ställen werden begabte, gut durchgezüchtete und willige pferde völlig kaputt gemacht. diesen leuten – als menschen mag man sie gar nicht mehr bezeichnen – sollten sofort tierhaltungsverbote erteilt werden. sie müßten von pferden zum schutz derselben ferngehalten werden. sie sollten sich lieber mit motorrädern oder autos beschäftigen, da können sie draufhauen, soviel sie wollen, denen tut es wenigstens nicht weh. ein hartes durchgreifen ist hier dringend und schnellstens vonnöten.

  4. R.Schmitz

    Lob an die Redaktion für das Nachbohren in dieser Sache in der deutschen Szene. Dass die Beteiligten vor ein Gericht gehören steht sowieso ausser Frage.
    Schwieriger und langwieriger wird die Sache, wenn man die Wurzel solcher widerlicher Auswüchse angehen will. Nämlich endlich ein Bewertungssystem für LP durchsetzen, wo schon im Ansatz unsachgemässe Ausbildung sanktioniert und nicht gutiert wird. Ein Besuch beim BuCha 2023 war mir diesbezüglich wieder bitter aufgestossen. Diese Aufgabe wird eine echte Zäsur für die ganze Branche. Eine erste Hilfe ist die Blickschulung von Anja Beran und ein kritisches Hinterfragen der Richterleistungen in D mir den dort gewonnenen Erkenntnissen, die im Grunde doch nur reiterliches Grundwissen darstellen.

  5. Andreas

    DSP und ZfdP machen es richtig.
    Hannoveraner und Oldenburger Verband finden es wohl nicht so schlimm…sind ja schließlich auch Leute mit Doktortitel involviert.
    Es ist interessant, daß es nach den vielen bisherigen Skandalen um Pferdemißhandlung, immer noch Leute gibt, die glauben, daß sie machen können was sie wollen.
    Und die zwei Verbände scheinen auch nicht begreifen zu wollen, daß sie mit solchen Äüßerungen alles noch viel schlimmer machen und dem Ansehen des Pferdesports einen Bärendienst erweisen…

  6. Antje Herrig

    Was hat denn bitteschön das auspeitschen eines Pferdes mit Ausbildung zu tun?
    Seit Jahren schon werden die Pferde immer besser und sensibler, nur die Reiter nicht. Gruselig, solche Leute dürften noch nicht mal in die Nähe eines Pferdes kommen. Tierquälerei wird meines erachtens noch zu wenig bestraft.

  7. Angela Kiehl

    Wenn man auf die Website der GmbH geht , sieht man warum die Hannoveraner und die Oldenburger sich winden wie ein Fisch auf dem Trockenen. An diesem Video gibt es nichts zu beschönigen,eindeutiges Fehlverhalten! Aber wenn es um Geld geht ist wohl alles egal. Schämt euch!

  8. Nica

    Katastrophe
    Die St. Georg spricht ja schon einiges an. Aber es ist nur die Spitze des Eisberges! Wer das ganze Ausmaß der Katastrophe sehen will bzw. ertragen kann, der findet sie auf der Facebook-Seite des Reitlehrers Christoph Ackermann.
    Diese Seite zeigt in früheren Beiträgen gleichzeitig, wie wirklich gutes Dressur-Reiten aussehen kann bzw. auszusehen hat. Sie sei also v.a.D. den Richtern aller Leistungsklassen empfohlen. Welch himmelweiter Unterschied zu den (Video)Sequenzen, die eurodressage zu seinem Dressurkurs masterclass mit I. Werth/Helgstrand veröffentlicht.
    Wer immer noch meint, Reiten im Spitzensport sei vereinbar mit Social licence oder darauf beharrt, Reitausbildung gehöre zum Weltkulturerbe, muss völlig blind ggü. Tierquälerei sein. Der Fisch stinkt vom Kopf her.


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