Olympia 2024/Reiten: Teilnehmer im Porträt – Sönke Rothenberger

Wir wollen die Geschichten über die Olympia-Teilnehmer 2024 wie Sönke Rothenberger erzählen. Wir haben die Olympiateilnehmer besucht, teilweise lange bevor sie gen Olympia Paris 2024 aufgebrochen sind.
In einer lockeren Serie stellen wir die vor, die hoffentlich aus Versailles als goldene Reiter zurückkommen.

Fendi schüttelt seinen Kopf und den imposanten Hals übermütig. Eigentlich ist der neunjährige Wallach noch im „Chill-Modus“. Sein Einstieg in das internationale Turniergeschehen in Hagen gelang spektakulär – zwei Ritte, beide mit kleineren Fehlern, aber Bewertungen von über 77 bzw. über 78 Prozent im Grand Prix und Grand Prix Special. Ja, spektakulär. Jede andere Beschreibung wäre unzureichend. Sönke Rothenberger lässt die Einschätzung unkommentiert. Er ist gerade auch zu beschäftigt, denn die eine Piaffe für die Kamera in der großen neuen Reithalle, in der ein Prüfungsviereck aufgebaut ist, schneeweiße Gatter, Buchstaben, Blumenarrangements, hat Fendi aus dem Chill-Modus geweckt. Er lauert auf die nächste kleine Hilfe. Übermütig möchte der dänische Wallach gleich alles auf einmal zeigen. Er setzt sich extrem, er schnaubt. Die Hufe trommeln auf den Boden. Er kann es, er will es zeigen. Er wetteifert mit den Superstars der Familie Rothenberger, die auf großen Bildern an einer langen Seite die aktuellen Pferde daran erinnern, dass es große Fußstapfen sind, in die sie treten wollen.

Medaillen und Siege in großen Prüfungen gehören zur familiären DNA der Rothenbergers. Die Eltern Gonnelien und Sven haben es vorgemacht, die drei Kinder, Sönke und seine Schwestern Sanneke und Semmieke sind dem Vorbild gefolgt. Sönke als Olympiasieger, Welt- und Europameister in der Mannschaft und Vize-Europameister 2017, Semmieke aktuell im U25-Lager. Und auf Ponys waren alle Rothenberger-Kinder international mega erfolgreich.

Sönke und Fendi im Hier und Jetzt

Vergangenheit? Sönke Rothenberger und Fendi sind im Hier und Jetzt, formen Kraft und Bewegungsfreude zu viel Ausdruck. Fendi scheint die Herausforderung zu suchen. Dynamisch federn seine Hinterbeine vom Boden. „Ho, ho“, bremst Sönke aus dem Sattel etwas mit der Stimme. Weiter geht’s. Fendi passagiert mit maximaler Kadenz und pendelndem Schweif an der langen Seite. Durch große Fenster fällt Licht in die Halle. Draußen schließt sich die Rennbahn an und dahinter viel Wald. „Da sind wir momentan eigentlich mehr unterwegs“, schmunzelt Sönke, der sich über den jugendlichen Überschwang seines Kraftpakets freut. 


Sönke Rothenberger über Fendi, Fohlen und Familie

Sönke Rothenberger hat mit der Mannschaft schon einmal Gold gewonnen bei Olympischen Spielen. Das war 2016 in Rio. 2024 fährt er als Reservereiter mit Fendi nach Paris. Schon als Ponyreiter hat Sönke Medaillen gesammelt, unter anderem bei den Pony-Europameisterschaften 2008 und 2009. Dann folgte ein Exkurs in den Springsport, wo er auch bis zur Klasse S erfolgreich war. 2013 dann die Rückkehr in die Dressur, 2014 wurde er Deutscher Meister der Jungen Reiter. Ab 2015 war Sönke im internationalen Viereck unterwegs, ein Jahr später folgte dann schon das Mannschaftsgold in Rio.

Mit Jan Tönjes hat der Olympia-Teilnehmer 2024 vor gut einem Jahr über Fendi, seine Pläne in Sachen Pferdezucht, seine Vorliebe für Tier-Dokus (und was seine Freundin davon hält), die Hühnerzucht und über vieles mehr gesprochen. Das Gespräch finden Sie als Podcast überall da, wo es Podcasts gibt und hier.


Hightech trifft auf Tradition 

Was gerade geschieht auf der weitläufigen Anlage, kann man auf einem Monitor am Putzplatz verfolgen. Ein Pferd macht ein Nickerchen, während ein anderes gerade in der Box etwas Heu knabbert. Auch wie weit die Trainingseinheit in der Halle ist, kann man verfolgen. Alles läuft optimiert und routiniert ab.

Dass man keine halbe Autostunde entfernt ist von den Hochhäusern der Frankfurter City, will man nicht glauben. Grün herrscht vor. Saftige Weiden mit Holz eingezäunt, meterhohe Hecken – auf dem Gestüt Erlenhof wurden einst Galopper gezüchtet. Der legendäre Ticino xx, Derbysieger, ist hier 1939 zur Welt gekommen. Heute grasen Jährlinge und Zweijährige auf den großzügigen Flächen, Warmblüter, in die genauso viel Hoffnung gesetzt wird wie einst in die Vollblüter. In der Mitte stehen die Gebäude. Nach einem verheerenden Brand im Jahr 2019 wurde vieles wieder auf- und einiges neu gebaut. Pferde waren damals im Februar ums Leben gekommen. Beim Neubau wurde streng darauf geachtet, dass keine Heulager mehr oberhalb der Stallungen sind. Brandschutz und Ästhetik gehen Hand in Hand. Traditionelles schwarz-weißes Fachwerk trifft auf die blau/roten Rennfarben des Gestüts Erlenhof. Ein stilisierter Jockey-Dress als Logo erinnert daran, dass hier schon weit über 100 Jahre Pferde für den Leistungssport gezüchtet werden.

Nach dem Brand wurde eine große Reithalle neu gebaut und nicht nur Stallungen für die Turnierpferde, sondern auch noch ein Trakt für die Ponys, die Sönkes jüngere Schwester Semmieke erfolgreich trainiert. Es gibt nicht nur viele Weideflächen, sondern auch Paddocks. Die für die Top-Pferde grenzen an der langen Seite an einen großen Außenplatz. „So können sie den anderen beim Training zugucken“, sagt Sönkes Vater Sven augenzwinkernd bevor ihn die berufliche Pflicht ruft.

Vorsicht mit den kleinen Hunden

Durchdacht ist das „neue“ Gestüt Erlenhof bis hin zur Entmistungsanlage. In jeder Box verbirgt sich unter einem silbernen Blech eine quadratische Öffnung. Der Mist wird in der Nähe der Öffnung aufgehäuft, dann zieht ein Gebläse die Hinterlassenschaften der Pferde in das Loch. Ein unterirdisches Röhrensystem transportiert den Mist ab. „Da sitzt Wumms dahinter, mit kleinen Hunden sollte man in der Nähe der Öffnung bei laufender Entmistung vorsichtig sein“, sagt Sönke Rothenberger.

Das nächste Pferd ist bereits auf dem großzügigen Rondell zwischen zwei Stallgassen fertig gemacht worden. Putzplatz, Sattelkammer und Deckenschränke, die auf einer Galerie im ersten Stock stehen auf Höhe eines Leuchters aus mehreren Kränzen. In der Mitte des Rondells ist ein Hufeisen eingelassen: „Cosmo“ steht eingraviert. Es ist eines der Eisen, das der niederländische Wallach, der gleich hinter der hohen dunkelblauen Tür in der angrenzenden Stallgasse steht, bei den Olympischen Spielen von Rio getragen hat.

Cosmo, Vize-Europameister von 2017, ist nicht mehr im Sporteinsatz. Aber im Training ist er. Stolz zeigt er eine der für ihn so typischen federnden Piaffe-Pirouetten. Luftsprünge, für die er berühmt war, beherrscht er immer noch. „Ja, so ist er halt“, freut sich Gonnelien Rothenberger, die ihren Sohn beim Heimtraining mit ruhiger, aber bestimmter Stimme begleitet. Ansonsten werden Sönke und seine Schwester von Andreas Hausberger im Training unterstützt und selbstverständlich von den Bundes-trainern, Monica Theodorescu und Jonny Hilberath, zu dem Sönke manchmal auch mit seinen Nachwuchspferden fährt.

Sönkes Matchball

Sönke sitzt auf dem nächsten Pferd. Matchball, Oldenburger v. Millennium, gelangte nach dem Louisdor Preis-Finale in den Besitz der Rothenbergers. Der Rappe hat in Mannheim seinen ersten internationalen Grand Prix gewonnen. Im Special hob Sönke die Hand, der Wallach hatte plötzlich beim Herumreiten ums Viereck vorm Einreiten die Zunge über das Gebiss bekommen. „Wir lernen uns immer besser kennen“, resümiert Sönke und blickt nach vorn. Heute steht leichte Arbeit auf dem Programm. Trab und Galopp auf großen gebogenen Linien, Tempowechsel, keine Lektionen. 

Pferde fit und motiviert zu halten, ist Sönke wichtig. Er ist keiner, der Pferden seinen Willen aufzwingt. Nicht nur beim Reiten. Eine seiner großen Nachwuchshoffnungen im Sportstall ist die fünfjährige Faraglioni. Dreijährig war sie Oldenburger Siegerstute. Wenn er vom Gefühl im Sattel der Feinrich-Tochter spricht, kommt er aus dem Schwärmen nicht heraus. Aber die Dame kann auch Diva, geht zum Beispiel nicht ohne Weiteres in eine fremde Box. Da muss man warten. Tipps von anderen, sich doch mal energischer durchzusetzen, lächelt Sönke weg.

Pferde sollen Spaß haben. Daran hält er fest, genauso wie an seinen weichen Stiefeln, Reminiszenz an seine Springreiterzeit. Denn der Dressur-Mannschaftsolympiasieger ist auch im Springen bis Klasse S am Start gewesen. Unter anderem mit der For Pleasure-Enkelin Liza Minelli, die sein niederländischer Großvater Adrie Gordijn gezüchtet hat. Die hochbetagte Dame genießt das Weideleben. Züchterisch ist sie für eines von Sönkes Highlights der letzten Körsaison zuständig: Ihr Sohn Chacco d‘Or v. Chacco-Blue wurde Prämienhengst bei den Oldenburger Hengsttagen, steht jetzt bei Dirk Ahlmann.

Sönke, der Züchter

Sönke Rothenbergers bislang größter züchterischer Erfolg ist der Dunkelfuchs Bon Esprit, Oldenburger Siegerhengst 2022. Jetzt auf dem Gut Schönweide zuhause. Als Fohlen hatte Sönke ihn von Familie Fetzer gekauft. Versteigert wurde er für 1,25 Millionen Euro an Familie Gasser. „Pferde in gute Hände zu verkaufen, ist mir wichtig“, betont der Dressurreiter, auch wenn er weiß, dass das bei einer Auktion auch Glücksache ist. Bon Esprit hatte Glück und Sönke ist glücklich. Er hat ein Gewerbe aus der Aufzucht gemacht. Nicht primär, um Siegerhengste teuer zu verkaufen, sondern um schon frühzeitig Nachwuchs für die sportlichen Ambitionen sichern zu können. Früher habe man auf Körungen immer auch interessante Pferde erwerben können, heute sei das wegen der „dänischen Macht“ kaum noch möglich. Mehrere Jahrgänge werden auf dem weitläufigen Areal groß. Nur die Zuchtstuten hat er hier nicht stehen. „Da ist es besser, wenn Profis sich um sie kümmern.“

Er ist auch selbst Hengsthalter. Auf dem Gestüt Birkhof steht der Hannoveraner Filox v. Fidertanz, den er als Fohlen gekauft hat. Er könne sich für tolle Pferde begeistern, nicht nur Dressurpferde. „Sam in Rio mit Michael Jung, wie die da über den Cross geflitzt sind, trotz des Alters …“

Urlaub? Wenn’s nach Paris geht …

Sein Großvater wäre stolz gewesen, hätte er seinen Enkel als Teil der niederländischen Körkommission erlebt. „Interessant“ sei das gewesen, sagt Sönke. Die Gewichtung verschiedener Kriterien, auch abweichend von dem, was auf deutschen Körplätzen geschieht. Bei einigen Exterieurmängeln gäbe es keine Kompromisse. Hier, wie auch im Dressurtraining, hat der fließend zweisprachige Sönke Einblicke gewinnen können. Er entdecke gerne Dinge, sagt er. 

Und wenn es mal nicht um Pferde geht? Dann sind es immer noch die Tiere. Er hat Rassehühner gezüchtet, „bis der Fuchs sie in einer Nacht alle erwischt hat“. Und, sehr zum Leidwesen seiner Freundin Svenja, sieht er leidenschaftlich gerne Dokus, Tier-Dokus. Urlaub? Ja, aber ungern zu lange, „weil dann die Sehnsucht nach den Pferden hochkommt“.

Aber einen Trip nach Paris im nächsten Jahr, klar, das ist das Ziel. Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen steht für Fendi nun aber erstmal Balve an, die Deutschen Meisterschaften, dann eventuell Aachen. Die Europameisterschaft in Riesenbeck, ein Thema für den Neunjährigen? „Wenn die Bundestrainer mich brauchen, stehe ich zur Verfügung!“

Verfasst wurde dieser Text über Olympia-Teilnehmer 2024 Sönke Rothenberger von Jan Tönjes. Erschienen ist er im St.GEORG 06/2023. 

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Sandra Auffarth bei Olympischen Spielen in Paris nicht am Start

Kurz vor dem Umzug vom Trainingslager in Deauville nach Paris gibt es einen Wechsel im deutschen Vielseitigkeitsteam: Sandra Auffarth und Viamant du Matz können bei den Olympischen Spielen nicht an den Start gehen. Der 15-jährige Fuchswallach ging nicht ganz klar bei der letzten Gesundheitsüberprüfung am Dienstagabend.„Bis dahin hat das Pferd einen tollen Trainings- und Konditionseindruck gemacht, ging aber beim letzten Vortraben nicht ganz klar. Damit war für uns klar, dass die beiden leider nicht mit nach Paris kommen können“, sagte Bundestrainer Peter Thomsen. „Das ist sehr traurig für uns, aber ganz besonders natürlich für Sandra, ihren Pferdebesitzer und ihr ganzes Team. Sandra Auffarth und Viamant du Matz als Mannschaftsweltmeister, Mannschaftvize-Europameister und EM-Bronzemedaillengewinner hätten wir gerne im Team gehabt.“

Julia Krajewski ersetzt Sandra Auffarth bei Olympischen Spielen

Statt Sandra Auffarth wird nun Titelverteidigerin Julia Krajewski mit Nickel zu den Olympischen Spielen reisen. 2021 schrieb sie mit ihrer Selle Français-Stute Amande de B’Neville v. Oscar des Fontaines bei den Olympischen Spielen in Tokio Geschichte, als sie als erste Frau Einzelgold in der Vielseitigkeit gewann. 2016 holte sie auf Samourai du Thot bei den Olympischen Spielen in Rio mit der Mannschaft die Silbermedaille. Zuletzt siegte die mehrmalige Deutsche Meisterin in der Vielseitigkeit beim CHIO Aachen mit dem zehnjährigen Holsteiner Numero-Uno-Sohn Nickel, mit dem sie nun auch bei den Olympischen Spielen in Paris an den Start gehen wird. Nach ihrem Sieg in Aachen, sagte sie über Nickel, er habe gezeigt, dass man sich auf ihn verlassen könne, er sei ein total ehrliches Pferd. Der 23-jährige Calvin Böckmann ist mit dem Holsteiner Fuchswallach Phantom of the Opera v. Quo Vados Reserve-Reiter für Paris.

Am Freitag, den 26. Juli, geht es dann für die Vielseitigkeitspferde in die Verfassungsprüfung, bevor die Olympischen Spiele für die Vielseitigkeitsreiter am Samstag mit der Dressur starten. Hier geht es zur offiziellen Webseite der Olympischen Reiterspiele in Paris.

Olympia-Blog Paris 2024 #2: Willkommen in der Olympia-WG

Sie haben sich gut versteckt, unsere deutschen Buschis, um sich auf das Unternehmen „Olympia“ einzuschwören. Wie fast alle Häuser und Höfe in der Normandie ist auch die „Domaine de la Chapelle Saint Richer“, eine halbe Stunde von Deauville entfernt, hinter hohen Hecken und zwei fest geschlossenen Toren verborgen, von der Straße aus nicht zu sehen. Früher ein guter Schutz vor marodierenden Soldaten, heute vor neugierigen Journalisten.

Ich stehe ein bisschen ratlos vor dem Gittertor, bis eine junge Frau hinter mir hält, die auch rein will. Sie ruft mir eine Jahreszahl zu, der Code fürs Tor, das sich prompt aufschiebt. Als erstes fällt mir ein riesiger roter Pferde-LKW plus Anhänger mit der Aufschrift „Fischer“ auf. Hier bin ich also richtig, das Gefährt des Stalles Jung, auch wenn Chipmunk sein vorgeschraubtes „Fischer“ für Olympia ablegen musste – so wollen es die strengen IOC-Regeln.

Pochhammer
Impressionen aus der Trainingslager-WG der deutschen Vielseitigkeitsreiter

 

Für knapp eine Woche trainieren hier die deutschen Buschreiter für Versailles. Fünf Pferde mit ihrem Tross aus Reitern, Pflegern, Familie und Funktionären, fünf Luxusliner. Nicht nachhaltig, aber sehr praktisch, denn ich habe mir sagen lassen, die Mega-LKW sind zur Hälfte als kleine Wohnungen eingerichtet. Das spart das Hotel, also doch wieder nachhaltig, wenigstens fürs Portemonnaie. Kaum bin ich auf der Anlage, gerade werfe ich einen Blick in die phantastische Halle, Maße geschätzt mindestens 60 mal hundert Meter, da ruft mich Bundestrainer Peter Thomsen an. „Wenn du schnell bist, kannst du Michi noch galoppieren sehen“, sagt er. „Wir stehen hier oben auf dem Berg.“ Schnell ist relativ und als ich bei den Gestalten in den bekannten roten Polohemden der deutschen FN angekeucht komme, sehe ich gerade noch Michi Jung mit Chipmunk auf dem leicht ansteigenden Track vorbeigaloppieren, zulegen und wieder aufnehmen, beide offenbar bestens in Form. „Es nützt ja nichts, nur im 800 Meter-Tempo loszugaloppieren, man muss ja auch schnell das Tempo drosseln können“, erklärt mir Vater Jung. Klar, das nächste Hindernis kommt bestimmt. Wieder was gelernt. Die Bodentruppe sieht zufrieden aus: Peter Thomsen, Springtrainer Markus Döring, Geländetrainer Rodolphe Scherer, der die von ihm konzipierte Trainingsanlage für die Olympiavorbereitung organisiert hat, der Ausschussvorsitzende Prof. Jens Adolphsen, und Mannschaftstierarzt Dr. Matthias Niederhofer, ganz entspannt. Kein unsicherer Kandidat dabei, alle Pferde top in Schuss, versichert er mir mit großem Nachdruck. Kein tägliches angsterfülltes Vortraben. Das hatten wir ja auch schon anders, ich sage nur Rio 2016. Daumen halten, dass es so bleibt.

Die Anlage und ihr Besitzer

Den Berg herauf kommen zwei Herren, der eine der Tierarzt der benachbarten Klinik, der das Training mit Interesse beobachtet, der andere ist Monsieur Stephane Brabant, der Eigentümer der Anlage. Mit ihr, so ist unschwer zu erkennen, hat sich der 67-jährige Anwalt mit Hilfe von Rodolphe einen Kindheitstraum erfüllt. Erst mit Anfang 50 begann er intensiv zu reiten, sogar in Vielseitigkeitsprüfungen zu starten, erzählt er mir. Die Trainingsanlage ist erst ein paar Jahre alt, vieles aus Holz, die Gebäude, die Zäune, auch die Tore. Nicht protzig, sondern solide und funktionell und deswegen schön. Sie hat Platz für 47 Pferde, denen genauso viele Paddocks zur Verfügung stehen, für jedes Pferd einen, auf allen gibt es fließendes Wasser. Auf einem steht das Reitpferd von Stephane Brabant, von Kopf bis Schweif eingehüllt in Decken, wegen der Fliegen. Seine Mutter ist eine Selle Francais-Stute, die immer übergroße Fohlen brachte, bis sich der Züchter entschloss, es mit einem Ponyhengst zu versuchen. Und voilà! Ihr Sohn ist ein ganz normaler Zeitgenosse von etwa 1,65 Stockmaß, den Stephane Brabant noch jeden Tag bewegt.

Pochhammer
Wunderschönes Frankreich

Die Reiter wohnen in dem einzigen alten Gebäude auf dem Hof, einem Gutshaus mit den typischen senkrechten Balken vieler Normannenhäuser. Und hier leben sie nun in einer Art Olympia-WG. Das Musikzimmer wurde zum Physio-Studio mit Massage-Liege umfunktioniert, die alte Küche mit den dicken Holzbalken ist der Treffpunkt. Gerade ist Frühstück angesagt. Brigitte Jung kocht Kaffee, jeder holt sich, was er möchte, Käse, Schinken, Obst, Baguette. Mutter der Kompanie und zuständig für die Versorgung der Truppe ist Kirsten Thomsen, Peters Frau. Das soll sie schon als Studentenreiterin ganz toll gekonnt haben, erfahre ich aus eingeweihten Kreisen. Sie kauft nicht nur ein, sondern denkt sich aus, was man noch unternehmen könnte, damit sich keiner langweilt. Schließlich sind alle Reiter gewohnt, zig Pferde am Tag zu reiten und jetzt haben sie gerade mal eins dabei. Da bleibt für die Pfleger viel Zeit mit den Pferden spazieren zu gehen oder sie an der Longe grasen zu lassen.

Trainingsalltag

Sandra Auffarth ist für heute fertig mit der Arbeit von Viamant de Matz. Sie hat allen Grund auf Wolke sieben zu schweben, als frische Gewinnerin des Fünf-Sterne-Grand Prix in Falsterbo. Das muss ihr erstmal einer nachmachen. Auf dem Weg zum Reitplatz komme ich am Longierzirkel vorbei, Christoph Wahler bewegt seinen Carjatan, ganz locker ohne Stress. Der Schimmel hat gestern galoppiert, Dienstag wird noch mal Dressur geritten, bevor es nach Versailles geht. Familie Wahler kommt nach. „Alle“, sagt Christoph, „Vater, Mutter und Freundin“. Nur der anderthalbjährige Carl bleibt zu Hause. „Der hat noch nichts davon, der schläft noch nicht richtig durch“. Also nichts für die Nerven eines jungen Vaters unter Olympiastress.

Dressurtrainerin Anne-Kathrin Pohlmeier ist unten auf dem Reitplatz, wo Julia Krajewski mit Nickel ihre Runden zieht. Die Olympiasiegerin von 2021 hat hier den schwierigsten Job: Damit sie starten kann, was ja wohl jeder im Dunstkreis des olympischen Feuers will, müsste erst ein anderer ausfallen, und das wünscht niemand irgendjemandem.

Als Fünfter ist Calvin Böckmann dabei. Nach seinem zweiten Platz in Aachen in schnellster Zeit durfte der 23-Jährige mit in die Normandie reisen, allerdings darf er nicht mit den anderen am Mittwoch auf die Olympiaanlage umziehen. Bis zu zwei Stunden vor der ersten Verfassungsprüfung kann er noch eingetauscht werden, weswegen er in der Nähe von Versailles in einer Reitanlage in Jardy einquartiert wird, um notfalls noch zum Einsatz zu kommen. „Dort haben fast alle Nationen ihre Reservepferde stehen“, sagt Peter Thomsen. Mentale Verstärkung bekommt Calvin von seiner Mutter Simone, einst hocherfolgreiche Vielseitigkeitsreiterin. 1988 wurde sie mit dem Oldenburger Bantu als erste Frau Deutsche Meisterin. Calvin ist nachmittags mit seinem Fuchs The Phantom of the Opera auf dem Dressurviereck dran, sieht alles gut aus. Die Olympiaaufgabe ist wirklich schwierig, gehobene M-Dressur, und wie ich finde, nicht sehr geglückt. Im Mittelpunkt bei den Erfindern stand die Zeitersparnis, das ganze Starterfeld muss an einem Tag durchgezogen werden, das geht notgedrungen auf Kosten der harmonischen Abfolge, kein noch so kleiner Fehler kann ausgeglichen werden. Aber sportliche Gesichtspunkte haben ja nicht unbedingt Priorität bei den FEI-Oberen.

Die Reiter ziehen bekanntlich nicht ins olympische Dorf, weil es am ganz anderen Ende von Paris liegt, sondern in ein Tagungshotel von Lidl. Das dürfen sie aber nicht sagen, weil das Werbung für Lidl wäre und dann ärgert sich Edeka, einer der Olympiasponsoren. So die Instruktion von oben, es soll sogar schon Beschwerden gegeben haben. Da ist man doch froh, dass man wenigstens als Journalist die Dinge beim Namen nennen darf.

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Die Teilnehmerliste Olympia Paris 2024 steht

In zwei Wochen starten die Olympischen Spiele 2024 in Paris und mittlerweile haben alle Nationen ihre Reiter-Pferd-Kombinationen nominiert. Die offizielle Teilnehmerlist ist nun veröffentlicht.

Darauf stehen insgesamt 200 Paare inklusive Reservisten. 35 Nationen mit insgesamt 75 Paaren werden im Parcours vertreten sein. 20 Nationen stellen ein Team fürs olympische Springreiten. 65 Paare aus insgesamt 27 Nationen stehen für die Vielseitigkeit auf der Liste. 16 Nationen kämpfen davon um eine Teammedaille. In der Dressur gehen die wenigsten Paare an den Start, insgesamt 60 aus 30 Nationen. Am Teamwettbewerb der Dressurreiter nehmen 15 Nationen teil.

Diese Reiter stehen für Deutschland auf der Liste:

Springen 

  • Christian Kukuk mit Checker
  • Philipp Weishaupt mit Zineday
  • Richard Vogel mit United Touch S
  • Jana Wargers mit Dorette (Reserve)

Vielseitigkeit

  • Michael Jung mit Chipmunk
  • Sandra Auffarth mit Viamant du Matz
  • Christoph Wahler mit Carjatan S
  • Julia Krajewski mit Nickel (Reserve)

Dressur

  • Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera
  • Isabell Werth mit Wendy de Fontaine
  • Frederic Wandres mit Bluetooth
  • Ingrid Klimke mit Franziskus (Reserve)

Am Freitag, 26. Juli 2024, beginnen die Olympischen Spiele mit der Eröffnungsfeier. Diese wird zum ersten Mal nicht im Stadion, sondern auf der Seine stattfinden. Am Tag darauf (27. Juli) beginnen die Vielseitigkeitsreiter mit der Teilprüfung Dressur. Die Medaillenentscheidungen im Reitsport sind am 29. Juli (Team und Einzel Vielseitigkeit), 2. August (Team Springen), 3. August (Team Dressur), 4. August (Einzel Dressur), 6. August (Einzel Springen).

Hier finden Sie die kompletten Teilnehmerlisten für alle Reitsportdisziplinen bei Olympia 2024.

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Olympia 2024: Wie die Bundestrainer auf Paris blicken

Der 26. Juli ist in diesem Jahr der Stichtag für alle Sportfreunde. An diesem Tag beginnt Olympia 2024 und versorgt sport- und wettkampfinteressierte Zuschauer bis zum 11. August täglich mit sportlichen Highlights. Ganz besonders dürfen sich die Reitsportfreunde auf den Zeitraum vom 26. Juli bis zum 6. August freuen – das ist der kalendarische Rahmen für die Austragung der olympischen Reitsportdisziplinen in Paris. „Die kürzesten und kompaktesten Reiterspiele bisher“, lautet die Einordnung von Dr. Dennis Peiler. Das gesteckte Ziel für diesen „kompakten“ Zeitraum seien drei bis fünf Medaillen. „Das ist aber keine Vorgabe, sondern ein Medaillenkorridor für den Fall, dass alles optimal läuft“, so der Geschäftsführer des DOKR.

Ausgetragen werden Dressur, Springen und Vielseitigkeit auf dem Gelände des Schloss Versailles südwestlich von Paris. Das Olympische Dorf soll auf der Île-Saint-Denis entstehen, das sich etwas nördlich von Paris befindet. Aufgrund der großen Distanz zum Schloss Versailles werden die Reiter nicht im Olympischen Dorf, sondern näher am Schauplatz der Reiterspiele untergebracht werden.

Olympia: Vielseitigkeit, 26. bis 29. Juli 2024

Die Buschreiter machen den Anfang und starten am ersten Tag der Olympischen Spiele mit der Verfassungsprüfung ihrer Pferde. Im Dressurviereck wird es dann am 27. Juli die ersten Reiter-Pferd-Kombinationen in Aktion zu sehen geben – die Teilprüfung Dressur soll lediglich an diesem einen Tag stattfinden. Am Sonntag, den 28. Juli, folgt dann das Herzstück der Vielseitigkeit, die Geländeprüfung, bevor der Montagmorgen mit einer erneuten Verfassungsprüfung startet und danach zwei Springen ausgetragen werden. Vormittags werden im Parcours die Olympia-Mannschaftsmedaillen der Vielseitigkeitsreiter entschieden, am Nachmittag die Einzelmedaillen.

Für Peter Thomsen sind es die ersten Olympischen Spiele als Bundestrainer, er ist der Nachfolger von Hans Melzer, der bei Olympia 2021 in Tokio noch im Amt war. „Ich hoffe, dass die Saison so läuft, dass es den Selektoren möglichst schwerfällt, die besten drei rauszufinden, denn das ist meistens der beste Indikator dafür, um auch erfolgreich auf dem Championat zu sein“, sagt Thomsen. Zwei Medaillen wünscht sich der 63-Jährige, weiß aber auch, dass die Reiter „die richtige Reithose anhaben“ müssen. Ein bisschen Glück gehört eben immer auch dazu.

Olympia: Dressur, 28. Juli bis 4. August 2024

Am Sonntag (28. Juli), bevor die Vielseitigkeitsreiter ins Gelände gehen, findet bereits die Verfassungsprüfung für die Dressurpferde statt. Zwei Tage später, am 30. Juli, starten die Dressurreiter dann mit dem ersten Teil des Grand Prix, der als Qualifikation für den Mannschafts- und den Einzelwettbewerb zählt. Teil zwei der Prüfung folgt am Mittwoch, 31. Juli. „Der Grand Prix entscheidet auch über die Reihenfolge in der Teamwertung“, sagt Bundestrainerin Monica Theodorescu.

Vor dem Hintergrund der Kritik, die aktuell insbesondere den Dressursport trifft, hofft Theodorescu für Olympia 2024 auf positive Bilder aus Paris. „Im Moment gibt es ja hier und da sehr kritische Stimmen, die auch teilweise nicht unberechtigt sind, und ich hoffe, dass wir uns sehr positiv darstellen können. In den letzten Monaten und Jahren ist das von unserer Seite eigentlich recht gut gelungen, aber wir müssen da dranbleiben, weiterhin gutes Reiten zeigen, schönes Reiten zeigen und gute Leistung zeigen.“

Nach dem Grand Prix haben die Dressurreiter zwei Tage Pause, bevor am 3. August die Mannschaftsmedaillen im Grand Prix Special und am 4. August die Einzelmedaillen in der Kür entschieden werden.

Olympia: Springen, 31. Juli bis 6. August 2024

Am Tag der ersten Medaillenentscheidung im Dressurviereck beginnen die Springreiter mit der Verfassungsprüfung ihrer Pferde. An den folgenden beiden Tagen (1./2. August) wird daraufhin der Mannschaftswettbewerb ausgetragen. Dann folgen zwei Tage Pause, in denen die Medaillenentscheidungen der Dressurreiter stattfinden. Und am 5. und 6. August werden die letzten Medaillen im Reitsport vergeben, die Einzelmedaillen der Springreiter.

Bundestrainer Otto Becker betonte erneut seine Unzufriedenheit in Bezug auf den Austragungsmodus und den damit einhergehenden Wegfall des Streichergebnisses. Lediglich drei Reiter dürfen pro Mannschaft in Paris an den Start gehen. Damit zählt jedes Ergebnis, bereits in Tokio wurde nach diesem Modus geritten. „Dass alles glatt gehen muss und kein Ritt daneben gehen darf“, betonte Becker in diesem Zusammenhang. „Die Nationen liegen alle dicht beieinander.“ Doch der Bundestrainer findet auch etwas Gutes am Ablaufplan der Reiterspiele: „Immerhin fangen wir dieses Jahr mit der Teamwertung an, was sehr wichtig ist für die Teambildung. Und wer im Team gut ist, kann sich dann auch im Einzel präsentieren.“

Außerdem ist das Olympia 2024-Ziel klar für Otto Becker: „Wir wollen vor allem fairen Sport abliefern. Wir haben eine hohe Verantwortung gegenüber unseren Pferden, aber natürlich wollen wir auch Erfolg haben. […] Als erstes eine Teammedaille und alles andere wäre eine schöne Zugabe.“

Die Paralympischen Spiele, 3. bis 7. September

Wenige Wochen nach den Olympischen Spielen finden auch die Paralympics in Paris statt. Die Para-Reiter kämpfen vom 3. bis zum 7. September um Medaillen. Wie für Peter Thomsen werden das auch für Silke Fütterer-Sommer die ersten Spiele. Vier Paare pro Nation dürfen in der Einzelwertung teilnehmen. Im Mannschaftswettbewerb gilt auch hier, dass lediglich drei Paare an den Start gehen dürfen.

Ein Medaillensatz wird in der Mannschaftswertung vergeben und darüber hinaus je ein Satz in den fünf verschiedenen Graden in Einzelwertung und Kür. Meine persönliche Vorbereitung ist es, Reiter und Pferde zu kennen und immer noch mehr kennenzulernen. Für mich ist es unheimlich wichtig, die Paare zu kennen, die Besonderheiten der Pferde aber auch der Reiter, das ist ja bei uns sehr individuell. Darauf versuche ich mich ganz akribisch vorzubereiten. Denn je besser ich meine Paare kenne, umso mehr kann ich unterstützen und zur Seite stehen, wenn es darauf ankommt, gerade wenn vielleicht jemand unkonzentriert wird oder jemand ein körperliches Problem hat“, sagt die Bundestrainerin. Darüber hinaus stellen die Erfolge der letzten Saison Silke Fütterer-Sommer positiv. „Ich hoffe, dass wir diese Motivation dieses Jahr weiter mitnehmen können.“

Hier finden Sie die aktuellen deutschen Olympiakader in allen drei Disziplinen. Bis zum Start und während Olympia 2024 halten wir Sie hier auf dem Laufenden.

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Moment mal! Kasse machen auf Kosten der Sportfans

Julia L. hat Glück. Die passionierte Reiterin hat zwar nicht den Jackpot geknackt, aber fast: Sie hat für sich und ihren Mann mehrere Karten für die Olympischen Spiele in Paris 2024 ergattert, darunter zwei für das Springreiter-Einzelfinale. 300 Euro hat sie pro Karte bezahlt, kein Schnäppchen, aber machbar, dachte sie. Die Kartenpreise schwanken zwischen 24 und 980 Euro, je nach Attraktivität der Sportart und der Prüfungsart. Vorläufe sind logischerweise billiger als Finals.

Das Organisationskomitee „Paris 2024“ hat zwar angekündigt, dass eine Million der insgesamt knapp zehn Millionen Tickets für 24 Euro erhältlich sein werden. Doch in den Stadien machen oft die teuren Kategorien A und B den Großteil der Plätze aus. In den meisten Kategorien, auch beim Reiten, sind die C-Tickets, und nicht nur diese, ausverkauft. Sportfans, die verschiedene Sportarten in verschiedenen Wettkampfstätten besuchen möchten, müssen mit mehreren hundert bis über tausend Euro rechnen. Ohne Hotel und Verpflegung, versteht sich. Um die Eröffnungsfeier auf den kostenpflichtigen Plätzen am unteren Seine-Ufer zu verfolgen, muss man zwischen 90 und 2.700 Euro pro Eintrittskarte berappen. Am oberen Seine-Ufer kann die Eröffnungsfeier kostenlos verfolgt werden. Dort werden auch Großbildschirme aufgestellt. Tickets für die Abschlussfeier kosten zwischen 45 und 1.600 Euro.

Da Millionen von Menschen sich derzeit um Tickets bemühen rät das Europäische Verbraucherzentrum (evz.de) zu besonderer Vorsicht. Auf seiner Website warnt es aktuell vor neuen Betrugsmaschen und empfiehlt dringend, Karten nur auf der offiziellen Olympiawebsite (tickets.paris2024.org) zu kaufen. Das Organisationskomitee von Olympia 2024 warnt ebenfalls vor inoffiziellen Seiten, die Tickets anbieten. Die Organisatoren haben angedroht, dort erworbene Tickets zu stornieren und den Zutritt zu den Wettbewerben zu verwehren. Beim Ticketkauf aus zweiter Hand auf Ticketbörsen gehe man ein sehr hohes Risiko ein, so das EVZ. Vermeintliche Emails von Olympiaveranstaltern sollten besonders auf Absenderadresse und Richtigkeit geprüft werden, es bestehe „Phishing-Gefahr“, das heißt das unberechtigte Abgreifen von sensiblen Daten in betrügerischer Absicht.

Losglück

Julia L. startete ihre Aktion Olympia startete bereits im Februar diesen Jahres. Da versuchte sie zum ersten Mal an das Ticket-Portal im Internet zu kommen (dDie Karten werden ausschließlich online verkauft, man kann sie dann mit einer App herunterladen). Dort sollte es in einer ersten Tranche Karten zu „Normalpreisen“ geben, aber Reiten war leider schon weg. Weitere Kaufmöglichkeiten wurden angekündigt. Julia meldete sich für den Olympia-Newsletter an, um auf dem Laufenden zu bleiben, schaute häufig auf die Website, um ihr Interesse zu bekunden. Kann ja nicht schaden, dachte sie. Tatsächlich wurde sie eingeladen, an der Verlosung teilzunehmen. Sie fände unter der Aufsicht eines Rechtsanwaltes statt, heißt es, zu kontrollieren ist das nicht. Julia L. war bei den glücklichen „Gewinnern“: Ihr wurde ein Zeit-Slot am 10. Mai zugeteilt, um Tickets zu kaufen, sie hatte noch eine große Auswahl „Ich habe erstmal alles mögliche angeklickt“, sagt sie. Am Ende bekam sie die gewünschten Karten fürs Basketballfinale, Skateboarden und vor allem fürs Springreiterfinale. Was für ein Akt! Inzwischen ist auch die zweite Portion Karten komplett ausverkauft, jedenfalls für die Pferdesportwettbewerbe. Zum Ende des Jahres bzw. im Frühjahr 2024 sollen weitere Tickets auf den Markt kommen.

Andere hatten weniger Glück, das liegt auch am Vermarktungssystem, das sich die Pariser Veranstalter zusammen mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem „Besitzer“ der Spiele, ausgedacht haben.

Neben den regulären Tickets gibt es so genannte Hospitality Pakete, in denen zusätzliche Leistungen angeboten werden, wie Unterbringung, Eintritt für Sehenswürdigkeiten etc. Sie werden ausschließlich von der US-Agentur On Location vermarktet, die auch Riesenveranstaltungen wie den Super Bowl im Programm haben. Man kann dieses Packages direkt ohne Verlosung auf der Website kaufen, sie sind sehr teuer, vor allem in der besten, der A-Kategorie und sind ebenfalls fürs Reiten weitgehend ausverkauft – zur Zeit jedenfalls. Beispielsweise kostet das Hospitality-Paket für die Abschlusszeremonie zwischen 1.500 und 4.750 Euro zuzüglich Steuern. Mit einem Benutzerkonto können höchstens 30 Tickets gekauft werden, ziemlich theoretisch, da viele Karten gar nicht mehr im Angebot sind und nicht jeder Lust hat, statt Reiter und Pferd ersatzweise zwei dicken Ringern zuzusehen, die sie sich auf der Matte wälzen.

Keine PM-Reise?

Deswegen ist es fraglich, ob für Paris 2024 wie seit 2000 eine von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) organisierte Reise für Persönliche Mitglieder (PM) zu den Olympischen Spielen geben wird. Bisher ist es fast unmöglich, ein festes Ticketkontingent für bestimmte „Sessions“ also Prüfungsabschnitte, zu bekommen, und das zu vertretbaren Preisen.

„Die Tickets etwa für die drei Tage Vielseitigkeit kosten rund 3500 Euro in einem Hospitality Paket,“ sagt Doreen Rausch, die in Warendorf die PM-Reisen betreut. Pro Person! Ohne Hotel und Anreise. Wer hat da noch Lust, den Fernsehsessel gegen das Live-Event zu tauschen?

In früheren Jahren wurden mit Hilfe des Reiseanbieters DERTours PM-Reisen ausgearbeitet, zu denen Anreise, Hotel, Karten für die Veranstaltungen plus ein interessantes hippologisches Programm wie Gestütsbesichtigungen gehörten. Ob es das auch diesmal gelingen wird, steht in den Sternen. Doreen Rausch ist in diesen Wochen damit beschäftigt, Lösungen zu finden, telefoniert rund um die Welt und hofft, wie so viele, dass es am Ende doch noch Karten gibt, die auch für Nicht-Millionäre erschwinglich sind.

Schon bevor die Medaillen verteilt sind, stehen die ersten Gewinner und Verlierer der Spiele fest. Oben auf dem Treppchen machen die geschäftstüchtigen Organisatoren und ihre Vermarkter bequem, weit weg stehen frustrierte Sportfans aller Disziplinen. Ist es das, was das IOC will?

Eine kleine Chance gibt es noch

Ab 9. Oktober soll eine weitere Tranche Karten auf den Markt kommen, ab Frühjahr 2024 soll es eine Wiederverkaufsseite für zurückgegebene Karten geben. Es empfiehlt sich, sich umgehend auf der Paris2024-Website zu registrieren, den Newsletter zu abonnieren und ständig auf dem Laufenden zu bleiben, um sofort reagieren zu können, wenn wieder Karten zu haben sind. Dann hilft nur noch hoffen und beten.

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