Moment mal! Kasse machen auf Kosten der Sportfans

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Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Noch nie war es so schwierig, Tickets für die Olympischen Reitsportveranstaltungen zu bekommen wie für die Spiele in Paris 2024. Wer es versucht hat, musste einen mühsamen Marathon durchs Netz antreten und ging meist dennoch leer aus. Selbst die überteuerten „Hospitality Packages“, also eine Art bezahlte VIP-Tickets mit Essen, die exklusiv von einer US-Agentur vermarktet werden und bis zu 5000 Euro für eine Prüfung kosten, sind nur noch sehr begrenzt zu haben. Aber es gibt noch Hoffnung.

Julia L. hat Glück. Die passionierte Reiterin hat zwar nicht den Jackpot geknackt, aber fast: Sie hat für sich und ihren Mann mehrere Karten für die Olympischen Spiele in Paris 2024 ergattert, darunter zwei für das Springreiter-Einzelfinale. 300 Euro hat sie pro Karte bezahlt, kein Schnäppchen, aber machbar, dachte sie. Die Kartenpreise schwanken zwischen 24 und 980 Euro, je nach Attraktivität der Sportart und der Prüfungsart. Vorläufe sind logischerweise billiger als Finals.

Das Organisationskomitee „Paris 2024“ hat zwar angekündigt, dass eine Million der insgesamt knapp zehn Millionen Tickets für 24 Euro erhältlich sein werden. Doch in den Stadien machen oft die teuren Kategorien A und B den Großteil der Plätze aus. In den meisten Kategorien, auch beim Reiten, sind die C-Tickets, und nicht nur diese, ausverkauft. Sportfans, die verschiedene Sportarten in verschiedenen Wettkampfstätten besuchen möchten, müssen mit mehreren hundert bis über tausend Euro rechnen. Ohne Hotel und Verpflegung, versteht sich. Um die Eröffnungsfeier auf den kostenpflichtigen Plätzen am unteren Seine-Ufer zu verfolgen, muss man zwischen 90 und 2.700 Euro pro Eintrittskarte berappen. Am oberen Seine-Ufer kann die Eröffnungsfeier kostenlos verfolgt werden. Dort werden auch Großbildschirme aufgestellt. Tickets für die Abschlussfeier kosten zwischen 45 und 1.600 Euro.

Da Millionen von Menschen sich derzeit um Tickets bemühen rät das Europäische Verbraucherzentrum (evz.de) zu besonderer Vorsicht. Auf seiner Website warnt es aktuell vor neuen Betrugsmaschen und empfiehlt dringend, Karten nur auf der offiziellen Olympiawebsite (tickets.paris2024.org) zu kaufen. Das Organisationskomitee von Olympia 2024 warnt ebenfalls vor inoffiziellen Seiten, die Tickets anbieten. Die Organisatoren haben angedroht, dort erworbene Tickets zu stornieren und den Zutritt zu den Wettbewerben zu verwehren. Beim Ticketkauf aus zweiter Hand auf Ticketbörsen gehe man ein sehr hohes Risiko ein, so das EVZ. Vermeintliche Emails von Olympiaveranstaltern sollten besonders auf Absenderadresse und Richtigkeit geprüft werden, es bestehe „Phishing-Gefahr“, das heißt das unberechtigte Abgreifen von sensiblen Daten in betrügerischer Absicht.

Losglück

Julia L. startete ihre Aktion Olympia startete bereits im Februar diesen Jahres. Da versuchte sie zum ersten Mal an das Ticket-Portal im Internet zu kommen (dDie Karten werden ausschließlich online verkauft, man kann sie dann mit einer App herunterladen). Dort sollte es in einer ersten Tranche Karten zu „Normalpreisen“ geben, aber Reiten war leider schon weg. Weitere Kaufmöglichkeiten wurden angekündigt. Julia meldete sich für den Olympia-Newsletter an, um auf dem Laufenden zu bleiben, schaute häufig auf die Website, um ihr Interesse zu bekunden. Kann ja nicht schaden, dachte sie. Tatsächlich wurde sie eingeladen, an der Verlosung teilzunehmen. Sie fände unter der Aufsicht eines Rechtsanwaltes statt, heißt es, zu kontrollieren ist das nicht. Julia L. war bei den glücklichen „Gewinnern“: Ihr wurde ein Zeit-Slot am 10. Mai zugeteilt, um Tickets zu kaufen, sie hatte noch eine große Auswahl „Ich habe erstmal alles mögliche angeklickt“, sagt sie. Am Ende bekam sie die gewünschten Karten fürs Basketballfinale, Skateboarden und vor allem fürs Springreiterfinale. Was für ein Akt! Inzwischen ist auch die zweite Portion Karten komplett ausverkauft, jedenfalls für die Pferdesportwettbewerbe. Zum Ende des Jahres bzw. im Frühjahr 2024 sollen weitere Tickets auf den Markt kommen.

Andere hatten weniger Glück, das liegt auch am Vermarktungssystem, das sich die Pariser Veranstalter zusammen mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem „Besitzer“ der Spiele, ausgedacht haben.

Neben den regulären Tickets gibt es so genannte Hospitality Pakete, in denen zusätzliche Leistungen angeboten werden, wie Unterbringung, Eintritt für Sehenswürdigkeiten etc. Sie werden ausschließlich von der US-Agentur On Location vermarktet, die auch Riesenveranstaltungen wie den Super Bowl im Programm haben. Man kann dieses Packages direkt ohne Verlosung auf der Website kaufen, sie sind sehr teuer, vor allem in der besten, der A-Kategorie und sind ebenfalls fürs Reiten weitgehend ausverkauft – zur Zeit jedenfalls. Beispielsweise kostet das Hospitality-Paket für die Abschlusszeremonie zwischen 1.500 und 4.750 Euro zuzüglich Steuern. Mit einem Benutzerkonto können höchstens 30 Tickets gekauft werden, ziemlich theoretisch, da viele Karten gar nicht mehr im Angebot sind und nicht jeder Lust hat, statt Reiter und Pferd ersatzweise zwei dicken Ringern zuzusehen, die sie sich auf der Matte wälzen.

Keine PM-Reise?

Deswegen ist es fraglich, ob für Paris 2024 wie seit 2000 eine von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) organisierte Reise für Persönliche Mitglieder (PM) zu den Olympischen Spielen geben wird. Bisher ist es fast unmöglich, ein festes Ticketkontingent für bestimmte „Sessions“ also Prüfungsabschnitte, zu bekommen, und das zu vertretbaren Preisen.

„Die Tickets etwa für die drei Tage Vielseitigkeit kosten rund 3500 Euro in einem Hospitality Paket,“ sagt Doreen Rausch, die in Warendorf die PM-Reisen betreut. Pro Person! Ohne Hotel und Anreise. Wer hat da noch Lust, den Fernsehsessel gegen das Live-Event zu tauschen?

In früheren Jahren wurden mit Hilfe des Reiseanbieters DERTours PM-Reisen ausgearbeitet, zu denen Anreise, Hotel, Karten für die Veranstaltungen plus ein interessantes hippologisches Programm wie Gestütsbesichtigungen gehörten. Ob es das auch diesmal gelingen wird, steht in den Sternen. Doreen Rausch ist in diesen Wochen damit beschäftigt, Lösungen zu finden, telefoniert rund um die Welt und hofft, wie so viele, dass es am Ende doch noch Karten gibt, die auch für Nicht-Millionäre erschwinglich sind.

Schon bevor die Medaillen verteilt sind, stehen die ersten Gewinner und Verlierer der Spiele fest. Oben auf dem Treppchen machen die geschäftstüchtigen Organisatoren und ihre Vermarkter bequem, weit weg stehen frustrierte Sportfans aller Disziplinen. Ist es das, was das IOC will?

Eine kleine Chance gibt es noch

Ab 9. Oktober soll eine weitere Tranche Karten auf den Markt kommen, ab Frühjahr 2024 soll es eine Wiederverkaufsseite für zurückgegebene Karten geben. Es empfiehlt sich, sich umgehend auf der Paris2024-Website zu registrieren, den Newsletter zu abonnieren und ständig auf dem Laufenden zu bleiben, um sofort reagieren zu können, wenn wieder Karten zu haben sind. Dann hilft nur noch hoffen und beten.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.