CHIO Aachen: Totilas und Matthias Rath in Bestform siegen im Grand Prix Special

Von
Matthias Rath und Totilas

(© Ludwiga von Korff / www.toffi-images.de)

Das war heute noch so ein großer Schritt nach vorne! Mit über 83
Prozent hat Matthias Rath mit Totilas den Grand Prix Special gewonnen.
Seine Konkurrentinnen leisteten sich teure Fehler. Eine, die trotz
verpatzter Einerwechsel mit einem breiten Lachen im Gesicht in der
Aachener Soers unterwegs ist, ist Isabell Werth: Ihr El Santo hat heute
einen Schritt getan, der vielleicht noch größer ist, als der heutige
von Totilas: Der Rheinländer ist jetzt die Nummer eins in ihrem Stall,
ein Weltpferd ohne wenn und aber!

Matthias Rath und der 10-Millionen-Euro-Hengst begannen stark. Der trablastige Beginn des Grand Prix Special mit Verstärkungen, Piaffen und Passagen ist wie gemacht für den Rappen. Im starken Trab gelang es Matthias Rath über einige Phasen, dass Totilas deutlich überfußte ein Indiz für die gesamte Prüfung: Das Pferd ging weniger exaltiert, dafür umso mehr über den Rücken. Weniger das hochgerissene Vorderbein begeisterte, sondern die Harmonie des Paares, was sich auch in einer sehr sicheren Anlehnung zeigte. Auch in den Traversalen wurde der Hengst nicht zu eng, es gab mehrere mehrere Neunen, die Zwischenwertung kletterte auf 83,2 Prozent. In der Passage dann die erste Zehn. Später sollten vier weitere Maximalwertungen folgen.
Wie gut Matthias Rath Totilas heute auf sich eingestellt hatte, zeigte auch der Starke Schritt: sehr gleichmäßig, viel Übertritt, langer Hals. Wertungen von 7,5 bis acht. Die acht musste es auch sein, denn dieser starke Schritt war schlicht und einfach gut. Und zwar vom Anfang bis zum Ende der Diagonalen. Etwas früh setzte Totilas zur zweiten Piaffe an, trotzdem gab es hier die nächste Zehn.
Auch in der Galopptour gab es heute keine Schrecksekunden, wobei das Hauptproblem, die Tendenz zu eng zu werden, hier noch am deutlichsten zu Tage trat. Im Hals recht enge fliegende Wechsel von Sprung zu Sprung wurden sogar vom britischen Chefrichter bei C, Stephen Clarke, mit einer 8,5 beurteilt. Super zentrierte Pirouetten, auch hier im Hals etwas zu eng, eine Gänsehaut-Passage auf der Mittellinie und ein Schlussgruß mit Noten zwischen sechs und zehn (!) komplettierten diesen Ritt. Matthias Mutter Melitta wedelte mit dem Deutschlandwimpel auf der Tribüne und hüpfte später wie ein junges Fohlen von Sohn zu Sohn, während Stiefmutter Ann Kathrin Linsenhoff unten am Rand stand, ins Stadion grinste, strahlte und applaudierte.
Als erste der ganz großen unter den Big Names musste die Niederländerin Adelinde Cornelissen mit Parzival ins Viereck. Nach einem aus ihrer Sicht verschlafenen Grand Prix hatte sie sich einiges vorgenommen. Doch der große Zauber, den der Fuchs noch vor drei Jahren bei seinem ersten Aachen-Start zu versprühen wusste, blieb heute aus. Es war ein kleiner Taktfehler im ersten starken Trab, an das immer wieder einmal offene Maul des Fuchses hat man sich gewöhnt. Es gab Neunen für die Trabverstärkungen, aber die 80-Prozent-Marke konnte Cornelissen bis zum Schritt nicht knacken. Der starke Schritt war taktsicher, genau wie die Piaffen. Auch die fliegenden Galoppwechsel zu zwei Sprüngen (Achten) und die Einerwechsel (Neunen) waren auf gewohnt hohem Standard. Lediglich der fliegende Wechsel nach dem starken Galopp, in dem Cornelissen weniger Risiko ging als die Konkurrenz, war flach. Auch die Pirouetten, in denen Parzival normalerweise immer punktet, gelangen gut, aber nicht herausragend. Dieses Adjektiv muss allein für den Abschluss der Aufgabe, für Passagen, die Piaffe in X (drei Neunen) und vor allem die flüssigen Übergänge zwischen diesen Lektionen gelten. Der 14-Jährige wurde Zweiter (79,771), wenn man so will nicht ganz aus eigener Kraft: Erstens sah der polnische Richter Dr. Markowski den Fuchs auf Platz eins und zweitens patzte Isabell Werth mit El Santo in den 15 fliegenden Wechseln von Sprung zu Sprung die schätzungsweise mindestens 20 Punkte, die dabei auf der Strecke blieben, hätten zu einer Wimpernschlag-Entscheidung zwischen dem Special-Europameister von 2009 und dem Newcomer von Isabell Werth führen können.
Werth ritt quasi in den Applaus für Adelinde Corenelissen hinein ins Stadion. El Santo, Ernie, interessiert das nicht im Geringsten. Im Gegenteil. Noch vorm Einreiten ließ sie ihren Rheinländer einmal anpiaffieren und da zeigte Ernie, dass er es sehr wohl kann. Nur dass diese so wichtige und letztendlich immer entscheidende Lektion sehr wohl beherrscht. Und zwar in diesem Moment schon richtig gut. Angriff hatte sie versprochen, auch vor der Kamera des ST.GEORG, und so ritt sie auch. Schwungvoll dynamisch, selbst eine Windböe, die das riesengroße Fotoplakat an der kurzen Seite hinter den Richterhäuschen flattern ließ, störte die beiden nicht in ihrem Vorwärtsdrang. Auf vier der fünf Juroren sprang der Funke über: Das erste Mal an diesem Tag, Totilas ging erst später, zeigte die Anzeigentafel Zwischenresultate jenseits der 80-Prozent-Marke. Und das obwohl sich Chefrichter Stephen Clarke in britischer Zurückhaltung übte. Er gab am Ende 75,83 Prozent, seine Kollegen lagen bei 78 bzw. 79 Prozent. Erst die Piaffen, die erste zögerlich, die zweite so, dass man eine Sieben hätte geben dürfen, wie Isabell Werth nach ihrem Ritt sagte, zogen den Notenschnitt in die 78-Prozent-Region. Klasse gelangen die Zweierwechsel und auch die 15 Einerwechsel begannen viel versprechend: Der achte fliegende Wechsel genau  bei X das ist präzise eingeteilt. Doch dann setzte Ernie aus. Der entscheidende, der teuere Fehler, dieser sonst so guten Runde. Die Lektion wurde einheitlich mit Vieren bewertet, eine teure Unachtsamkeit. Die Pirouetten waren dann wieder vom Allerfeinsten, auch die letzte Piaffe war die bislang beste, die Ernie in Aachen zeigte (78,292)
Die Britin Laura Bechtolsheimer wird sicher nicht so gerne an diesen Tag in Aachen zurückdenken. Sie und ihr dänischer Michellino-Sohn Mistral Hojris gelten als die einzigen, die Totilas derzeit in Gefahr bringen könnten. Auch Matthias Rath sieht in der Amazone mit den deutschen Wurzeln die Top-Anwärterin auf den Europameistertitel Ende August in Rotterdam. Doch Alf war heute nicht in der Form, die von Nöten gewesen wäre. Schon zu Beginn der Prüfung hatte seine Reiterin allerhand damit zu tun, den Fuchs vor der Senkrechten zu halten. Sie machte sich fest in der Schulter beim Versuch die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die in der Trabtour im Grand Prix noch so begeistert hatten, zu erlangen. Der starke Trab war das, was man in Dressurreiterkreisen gerne konservativ geritten nennt schlicht und einfach nicht genug, um Neunen dafür zu bekommen.  Nach der Passage galoppierte Alf einmal an und in der Galopptour begann Laura mit Zweierwechseln, wo Traversalen gefragt waren. Im starken Schritt waren die Richter streng: Lediglich Siebenen, das war nicht zu großzügig. Für die zweite Piaffe gab es die erste Zehn, aber an beiden Stellen, die Einerwechsel verlangen gab es Fehler. Dem gegenüber standen eine gute Linkspirouette und zwei Zehnen für die Schlusspiaffe. Und ein Halten, das recht kurz ausfiel (7,5) 77,29 Prozent, Platz vier. Nur aus dem Häuschen bei C sah der Ritt nach beinahe 80 Prozent aus.
Das Wetter mochte heute kalifornischen Verhältnissen noch nicht genügen, aber anders als das Schietwetter des Grand Prix-Donnerstag war es allemal. Da fühlte sich auch der mächtige KWPN-Wallach Ravel v. Contango mit Steffen Peters (USA) gleich viel besser: 76,708 Prozent erhielten die beiden für ihren Ritt. Ravel hatte heute mehr Go als im Grand Prix. Das Pferd wirkte frischer, blieb aber in der Trabtour zunächst ganz knapp unter der Bewertung von Christoph Koschel und Donnperignon zurück. Allerdings piaffierte der niederländische KWPN-Wallach besser, auch wenn er sich immer wieder verwarf und etwas schwankte. In den 15 Einerwechseln und auch den neun Wechseln von Sprung zu Sprung zwischen den Pirouetten auf der Mittellinie unterliefen dem Paar Fehler. Dafür drehte der wuchtige Wallache vor den Richtern eine beeindruckende Rechtspirouette es hagelte Neunen, Platz fünf. 5,5 Punkte also pro Richter 1,1 Punkte betrug der Unterschied zu Christoph Koschel.
Der war überglücklich. Und das durfte er auch sein was für eine Steigerung zum Grand Prix! Den hatte er verschlafen, wie er selbst sagte. Heute war Christoph ein äußerst ausgeschlafenes Bürschchen. Und sein Pepe der finnische Donnerhall-Sohn Donnperignon ein Augenschmaus. Guter Anfang, da steht einer wie ein Denkmal. Dynamisch der Antritt, vorbildlich die Haltung, feine Anlehnung eine tolle Silhouette. Die beiden flogen förmlich durch die ersten Trablektionen.
79,5 Prozent nach den ersten zehn Lektionen, tolle Anlehnung. Im Schritt ging es nahtlos so weiter: Gleich war der Hals lang, der Übertritt da, der Takt sowieso. Die Richter knauserten ein bisschen, gaben im Schnitt eine sieben. Auch die Piaffen sind besser als im Grand Prix, die erste hatte jede Menge Tritte. Auch wenn am Ende 76,479 Prozent unterm Protokoll standen, wäre sogar noch mehr drin gewesen: Punkte verschenkte Koschel in den Pirouetten, die ja sonst immer Glanzpunkte in Pepes Repertoire sind. Beide 360-Grad-Drehungen hätten kleiner sein dürfen, warennicht hundertprozentig zentriert. Heute war das eine Mischung aus Angriff und Sicherheit. Ich bin super happy. Das Tolle ist, wie er von Anfang an durchgezogen hat. Er wollte den Eindruck vom Grand Prix vergessen machen. Geschafft Gratulation! Was mich besonders glücklich macht: Ich habe heute im Viereck gefühlt, dass da noch mehr drin ist. Ich kann also noch ne Schippe zulegen. Stephen Clarke sieht das Paar übrigens auf Rang sieben.
Siebte wurde Prinzessin Nathalie zu Sayn-Wittgenstein mit einem sehr gut gehenden Digby. Highlights: Galoppwechsel und Passagen und, wie stets, der starke Schritt. (74,958). Platz acht ging nach Schweden an Tinne Vilhelmson-Silfven und den Rheinländer Favourit. Die herrlich sitzende Reiterin hat den nicht immer kooperativen Fuchs endgültig auf dem Pfad der Tugend (73,729). Ein Problem im versammelten Galopp kostete Punkte, verhinderte aber keine bessere Platzierung. Was auffiel: Viele Pferde gingen in sehr guter Anlehnung, das Tauziehen oft und häufig in der Weltspitze zu sehen in der Vergangenheit scheint rückläufig zu sein. Noch ein Lichtblick an diesem so besonderen Tag.
Jan Tönjes
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