Die Schweizerin Christine Stückelberger war in den 1970er-Jahren mit dem Holsteiner Granat das dominierende Paar im weltweiten Dressursport. Später holte sie weitere Medaillen mit Pferden wie Gauguin de Lully. Trainiert wurde sie von Georg Wahl, langjähriger Oberbereiter an der Spanischen Hofreitschule und als Reiter und Ausbilder ein Meisters seines Fachs. Die aktuellen Entwicklungen in Wien sieht Christine Stückelberger mit Besorgnis.
Das hat sie in einem Beitrag zum Ausdruck gebracht, den sie St.GEORG zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat, und den Sie hier im Original Wortlaut lesen.
Der stetige Niedergang der Spanischen Reitschule
Der Abwärtstrend der Spanischen Reitschule in Wien geht durch die Ernennung des neuen Leiters Dr. Manfred Hudler, der aus der Getränkebranche stammt und keine Ahnung hat was die Reitkultur der Spanischen Reitschule betrifft, munter weiter. Die Dienstfreistellung von Oberbereiter Andreas Hausberger ist ein Eklat und ein Affront, insofern, dass der «letzte Klassiker» sogar mit Reithallenverbot bedacht wurde. Dabei wäre gerade Oberbereiter Hausberger der Ausbilder gewesen, den die Spanische Reitschule dringend benötigt, um den ramponierten Ruf wieder herzustellen und die jahrhundertealte Tradition zu erhalten. Hausberger hat noch die guten «alten» Oberbereiter wie Ignaz Lauscha, Oberbereiter Johann Irbinger und Georg Wahl erlebt. Er wollte sich immer weiterbilden und ist in den langen Sommerferien zu uns auf den Hasenberg, gekommen um im Reitbetrieb zu helfen und sich auch zusätzlich in der Sparte «Sport» ausbilden zu lassen. Auch Oberbereiter a.D. Hans Riegler war jeweils in den Sommerferien mit Frau, Kind, Pferd und Hund zu Gast auf dem Hasenberg und hatte eine sehr umfassende Ausbildung genossen. Riegler, wie auch Hausberger sind im internationalen Sport als Top-Ausbildner bekannt, geschätzt und auch erfolgreich.
Hausberger hatte auch die Chance genutzt, bei den Schulsprüngen zu assistieren, als Oberbereiter Hans Riegler 1998 Georg Wahl, »früherer Oberbereiter an der Spanischen», nach Wien holte, um spezifisch die Schule über der Erde zu verbessern und diese Technik, welche auch schon beinahe verloren ging, wieder aufleben zu lassen. Das Resultat war verblüffend, bei der Jubiläumsgala in Piber zeigte der Courbetteur achteinhalb Sprünge unter seinem Reiter und Ausbilder Oberbereiter Hans Riegler. Oberbereiter Andreas Hausberger war sicher der Beste in der Reitermannschaft der Spanischen Reitschule, ganz besonders was Schule über der Erde betrifft. Er ist auch im Dressursport international sehr anerkannt und feiert mit seiner Schülerin Jessica Bredow-Werndl, zur Zeit die absolute Nr. 1 auf diesem Globus, große Siege und Erfolge.
Dass die Spanische Reitschule 2003 ausgegliedert wurde, ist völlig unverständlich. Die Oper Wien wird subventioniert, aber die Reitschule soll sich selber erhalten, was auch dazu beitrug, durch Erfolgszwang das Niveau drastisch zu senken. Dabei gibt es viele gleichwertige Opernhäuser, wie z.B. die Scala in Mailand, die Oper in Sidney oder New York etc. Die Reithalle gilt als die schönste auf dieser Welt. Schade nur, dass diese durch den schmerzhaften Eingriff mit der hässlichen modernen Loge verschandelt wurde. Dabei sehen die Zuschauer von der Loge von oben nur die Hälfte der Reitbahn, zahlen aber den gleichen Eintritt.
Die Unsitte, Oberbereiter dienstfrei zu stellen, hatte schon bei Frau Gürtler begonnen, mit Hans Riegler und Klaus Krzisch und eine Anzahl anderer. Bei Oberbereiter Arthur Kottas-Heldenberg war es eine vorzeitige Pensionierung.
Ebenso der leider etwas frühe Abgang von Oberbereiter Eder und jetzt die Freistellung von Andreas Hausberger haben die «Spanische» von innen ausgehöhlt. Zurück bleibt ein Chaos. Gefühl, Wissen und Technik gingen verloren, was nicht durch Grobheiten und Strafen der Pferde ersetzt werden kann. Die Pferde stehen unter extremer Spannung und fürchten sich vor der Strafe der Reiter/innen, was die Vorführungen in der Schule wie auch auf den Tourneen deutlich widerspiegeln. (Schule über der Erde deutlich sichtbar)
Einen unschätzbaren Wert gilt es zu bewahren, welcher 2001 zum UNESCO Erbe auserkoren wurde. Es wäre dringend vonnöten, dass man sich nicht selber profilieren will, sondern sich wirklich für das Fundamentale und ungeschriebene Gesetz, die Schule zu erhalten, einsetzt. Manager braucht es in der Schule keine, ein Buchhalter, der sich im Finanzbereich gut auskennt, reicht. Vorgesetzte der Schule kann man jederzeit ersetzen, ein Oberbereiter, der sich den Titel durch jahrelange korrekte Ausbildung und Einhaltung der Regelung der Spanischen Reitschule erworben hat, ist kaum ersetzbar. Es braucht nun dringend einen guten und erfahrenen Leiter für die Reitbahn, der sich auch in den Finessen der korrekten Hilfengebung der alten und immer noch geltenden Reitlehre von Xenophon auskennt. Ein Pferd kann man nie neu erfinden. Es hat den Kopf immer vorne und den Schweif hinten und das auch seit Jahrhunderten.
Christine Stückelberger, 18. März 2023
Ich stimme Christine Stückelberger, die 100%tig weiss, wovon sie spricht, zu. Es ist eine Schande, wenn qualifizierte Trainer und Ausbilder, die gewaltfrei arbeiten, durch Manager ersetzt werden, die von guter Ausbildung der Pferde keine Ahnung haben und die Gewalt am Lebewesen regelrecht züchten. Sehr schade, damit wird die hervorragende Geschichte der Hofreitschule verschwinden!