Gabriele Pochhammer über das Image des Pferdesports in der Gesellschaft

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Die Kluft zwischen Turnierreitern und Freizeitreitern wächst. Manchmal hat man den Eindruck, hier werden verschiedene Sportarten ausgeübt – nicht gerade hilfreich, will man das Ansehen des Pferdesports in der Gesellschaft heben.

In Leipzig stand ich am Rande des Abreiteplatzes in Hörweite eines Reiters – dem Nachwuchsalter längst entwachsen –, der sich mit einem Kollegen über ein Pferd unterhielt. „Ein verdammtes Kacktier, dieser Scheißgaul“, sagte er.

Zugegeben, der Satz war nicht für meine Ohren bestimmt, aber ich konnte mich ihm auch nicht entziehen, weil man Ohren nicht wie Augen einfach zuklappen kann. Wenn er gewusst hätte, dass eine Journalistin mithört, hätte er wahrscheinlich gesagt, was er im Medienkurs gelernt hat: „Ein tolles Pferd, wie der für mich gekämpft hat!“

Wie einer spricht – wohlgemerkt in ehrlichen Momenten – verrät viel davon, wie er tickt. Und wenn einer sein Pferd als „Scheißgaul“ bezeichnet, wird er es irgendwann auch so behandeln, wie Dreck, der keinen Respekt verdient. Ich nehme mal an, der besagte Reiter ist nicht die Regel, ob er wirklich die Ausnahme ist, wage ich nicht zu beurteilen. Rüdes Reden halten ja viele Leute auch für cool und professionell.

Vorbildcharakter?

Die Profireiter sind das Aushängeschild des Sports, auch wenn ihre Zahl im Vergleich zur allgemeinen Reitergesellschaft verschwindend gering ist. Während der „Partner Pferd“ in Leipzig gab das sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft unter dem Motto „Die Gesellschaft braucht das Pferd“ in einer Pressekonferenz Zahlen heraus, die sich nicht eins zu eins, aber im Prinzip doch auf die anderen Teile Deutschlands übertragen lassen.

Von den knapp 160.000 Sachsen, die zumindest gelegentlich reiten – knapp 60.000 davon häufig –, bezeichneten sich nur etwa 2000 als Turniereiter. Und davon ein Bruchteil schließlich macht die Spitze aus.

Diese Gruppe prägt das Ansehen und das Image des Pferdesports in der nicht-reitenden Öffentlichkeit, steht gewissermaßen unter besonderer Beobachtung. Sie sind Vorbilder, ob sie es wollen oder nicht. Vorbilder im Guten, indem sie dazu ermutigen, ihren Leistungen nachzueifern, und Vorbilder im Schlechten.

Um auf das Beispiel oben zurückzukommen: Wenn die Profis so von ihren Pferden reden, denkt Otto Normalreiter womöglich, er darf das auch. Wohlgemerkt: Nicht nur reden, sondern auch so denken und schlimmstenfalls auch so handeln.

Die Reitergemeinde ist gespalten

Es gibt aber auch den anderen, nicht minder gefährlichen Trend: Die da oben, die sind abgehoben und vom Ehrgeiz zerfressen, wir Freizeitreiter sind die wahren Pferdeversteher. Gefundenes Fressen für viele sogenannte Tierschützer, um den Spitzensport und seine Akteure pauschal zu verdammen.

Die Kluft zwischen den Freizeitreitern und den Sportreitern wurde in den letzten Jahren immer breiter, auch mit der Folge, dass sich von den Reitern an der Basis immer weniger für den Top-Sport interessieren.

Da kommt vieles zusammen, was auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hat. Etwa dass sich die Spitzenreiter zunehmend auf hochdotierten Turnieren am anderen Ende der Welt tummeln, von denen die Medien so gut wie gar nicht berichten. Und dass viele mittlere Turniere, die sich früher über den Zuspruch zumindest der regional ansässigen Prominenz freuen konnten, finanziell nicht mehr über die Runden kommen – ein Problem, mit dem sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) beschäftigt, es aber bisher nicht lösen konnte. Die Topreiter sind im wahrsten Sinne des Wortes in die Ferne gerückt.

Beim Fußball ist auch noch in der E-Jugend die Bundesliga präsent, werden die Spiele der Großen eifrig verfolgt und diskutiert. Die Zeiten, in denen Reitvereine mit mehreren Bussen zu großen Turnieren fuhren, um ihren Helden zuzuschauen, sind vorbei. Man hat sich auseinander gelebt und das bekommt dem Pferdesport nicht gut.

Immerhin, so ergab die Umfrage in Sachsen, interessieren sich viermal so viele Menschen über 18, nämlich 603.000, für den Pferdesport. Sie und weitere Kreise gilt es zu motivieren und bei der Stange zu halten. Es stimmt, die Gesellschaft braucht das Pferd, als Wirtschaftsfaktor und ein Stück Rest-Natur, aber mindestens ebenso nötig brauchen die Reiter die Gesellschaft, um in ihr ihrem Sport nachzugehen. So oder so, zum Spazierenreiten oder auf der großen Bühne.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Andreas

    So eine Aussage (Kacktier, Scheißgaul) zu machen, und das als Profireiter, kann einfach nicht wahr sein!
    Allerdings sind solche Sprüche keinesfalls Profireitern vorbehalten – eine Reiterin aus unserem Verein (stellvertretende Vorsitzende übrigens) wurde auch schon beobachtet, wie sie auf einem Vereinspony (für das sie zu schwer ist) ritt und mehrmals sagte: „Na komm schon du faule Sau!“.

    Vorbildwirkung gleich null!

  2. Dr. Anne Haberland Pimentel

    Ich höre von meinen Freizeitreiter-Kollegen immer häufiger die Aussage, sie ritten „klassisch, also nicht nach FN“. Es sind oft Reiter, die sehr viel Zeit und Leidenschaft in ihr Hobby investieren und oft auch viel Geld für Kurse bei guten Reitlehrern ausgeben. Sie haben einen hohen Anspruch an sich selbst und schreiben die „FN-Turnierreiterei“ für sich völlig ab, weil einfach zu viel Gewürge und Gesteche auf den Turnieren (und in der heimischen Reithalle) zu sehen ist, und man sehr oft den Eindruck bekommt, weder Pferd noch Reiter haben Spaß an der Sache.

    Ich halte dann normalerweise dagegen, dass die sogenannte „FN-Reiterei“, richtig ausgeübt, nichts anderes ist, als die sogenannte „klassische“ Reiterei. Reiter wie Ingrid Klimke, Helen Langehanenberg oder Michael Jung können auch für uns leuchtende Beispiele sein; von Ausbildern wie Klaus Balkenhol oder Hubertus Schmidt ganz zu schweigen. Auch für sie ist die Légèreté sicher Ziel der Ausbildung.

    Aber diese Beispiele werden in der Masse der schlechten Bilder einfach nicht wahrgenommen. Wir müssen uns fragen, wo der grundlegende Fehler in diesem System liegt, der dazu führt, dass ein so großer Anteil an „FN-Reitern“ (die das Ziel haben, auf Turnieren erfolgreich zu sein) ein so schlechtes Bild abgibt.

    Immer mehr anspruchsvolle Reiter wollen damit nichts mehr zu tun haben und gehen andere Wege, die ihnen und ihren Pferden mehr bieten. Es geht ihnen nicht darum, vor einem Richter abzuliefern, der womöglich ihr Pferd nicht mag. Apropos Pferd: Diese Leute reiten seltenst das durchgezüchtete „Europäische Sportpferd“, sondern teure Importpferde aus Spanien oder Portugal oder auch einfach einen Wald-und-Wiesenmix, der dann aber nichtsdestotrotz Traversalen geht und die Ansätze der Pirouette lernt.

    Was also tun? Diesen steigenden Anteil der Reiter einfach abschreiben mit der Bemerkung „an denen sind wir eh nicht interessiert“? Können wir uns das leisten? Ich glaube nicht. Jeder von uns „FN-Reitern“ (-ich nenne es „klassisch“-) ist gefordert, Vorbild zu sein. Fragen wir uns einfach während jeder Stunde im Sattel: „Macht mein Pferd gerade gerne mit? Habe ich gerade Freude an meinem Pferd und unserem Tun? Fühlt es sich leicht an?“ Wenn wir eine der Fragen mit Nein beantworten müssen, sollte dieser Zustand nicht länger als ein paar Minuten andauern. Sonst entstehen unschöne Momente für alle Beteiligten.

    • Anja

      Vielen Dank für diesen Kommentar der mir absolut aus der Seele spricht!!
      Hier ist alles gesagt, was es zu sagen gibt.
      Ich fürchte nur, dass sich in der FN leider niemand diese Fragen stellt.


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