Blog 1 aus Aachen 2023: Royaler Glanz in der Soers

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Vor 17 Jahren hatte sie mit ihrer Tochter Zara mitgezittert, als diese hier Weltmeisterin wurde. Diesmal ging es lockerer zu. Prinzessin Anne verlieh den Eröffnungstagen in Aachen royalen Glanz und zeigte sich als die „Horsewoman“, als die sie weltweit geschätzt wird. Eindrücke der ersten Tage der Aachenwoche von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer.

Der Presseausweis für mich lag schon bereit mit einem Foto, das schon einige Olympiaden miterlebt hat. Was mich überhaupt nicht stört, denn ich erzähle ja nichts Neues, wenn ich sage, die Bilder werden im Laufe der Jahrzehnte nicht schöner, da nimmt man doch gerne die alten. Mit dem Plastikausweis um den Hals, der bei jedem Betreten des Geländes gescannt wird, ist man überhaupt erst vorhanden. Mindestens genauso wichtig sind die Tickets fürs Parkhaus, für jeden Tag eins, damit ist auch der kurze Weg  ins Pressezentrum gesichert. Hinter dem Tresen die Säule aller Pressestellen, die unvergleichliche Edith, assistiert unter anderem von SG-Redakteurin Dominique Wehrmann, dem wandelnden Pferdesportlexikon, bei dem ich auch gerne mal eine Anleihe mache.

Alles wie immer und damit wunderbar.

Traditionell ist die Media Night der Auftakt der CHIO-Woche, es treffen sich bei Champagner die Schönen und Reichen, die Stars und Sternchen und die Journalisten, die sich das alles angucken, mit anstoßen und fröhlich vor sich hin lästern. Wir hatten einen Platz auf der Außenterrasse ergattert, das gab den Blick frei auf die, die nach uns kamen. Zum Beispiel Anna Ermakova, die von Let’s Dance, die Tochter von Boris Becker. Sie fungierte als offizielle Begleiterin von Printen-König Hermann Bühlbecker, ein Aachener Urgestein und Förderer des CHIO. Während der Eröffnungsfeier machte sie pausenlos Selfies von sich auf der Ehrentribüne im roten Fauteuil.

Ein paar Sessel weiter saß, im weißen Blazer und Sommerrock, die Princess Royal, Prinzessin Anne, zwischen Ministerpräsident Henrik Wüst und seiner Frau. Als Vertreterin des englischen Königshauses oblag ihr die offizielle Eröffnung des CHIO. Sie hielt eine zweisprachige kleine Rede, erinnerte an ihren Besuch in Aachen 2006, als ihre Tochter Zara hier Weltmeisterin wurde. „Diesmal ist es deutlich entspannter“, sagte sie. Großbritannien ist dieses Jahr das Partnerland und entsprechend very British war der ganze Showabend. Kutschen gezogen von Pferden britischer Provenienz, Bauernwagen mit riesigen Shires bis zum Zehnspännern aus winzigen Shetties, ein Londoner Bus , dessen Insassen im Trenchcoat  einen Tanz mit Regenschirmen vollführten. Da gab es einen Shetlandpony-Grand National und genau wie beim großen Vorbild fiel einer der kleinen Jockeys runter, während das Pony weiter seine Runden drehte und sich nur mühsam überzeugen ließ, dass die Show nun vorbei war. Die Siegerin, ganz Nachwuchsprofi sagte artig: „Ich bin sehr glücklich, es ist ein Privileg hier sein zu dürfen.“

Der Medienpreis „Das Silberne Pferd“ war schon vor Beginn der eigentlichen Show verliehen worden, als einziger Journalist saß SG-Chefredakteur Jan Tönjes mit in der Kutsche der Preisträger, eingerahmt von zwei Amateurinnen, die mit engagierten Beiträgen im Internet die Jury begeistert hatten.

Es wird jeweils auch ein Silbernes Pferd für eine verdiente Persönlichkeit vergeben, es erhielt diesmal  Prinzessin Anne aus der Hand von Ingrid Klimke. Selten hat es jemandem mehr zugestanden als der Schwester des Königs von England, Vielseitigkeits-Europameisterin 1971, ehemalige FEI-Präsidentin und engagiert in zahllosen Ehrenämtern rund ums Pferd.

Eines davon ist die Funktion als Ehrenoberst des berittenen Garderegimentes Blues and Royals. Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich begeistert war von der Quadrille ihrer Kavalleristen. Die Rappen, von Natur aus schon nicht vor Charme sprühend, zogen mit aufgerissenen Mäulern und hochgereckten Nasen ihre Kreise, die Reiter, so schien es, nicht immer so sattelfest, wie man es von einem königlichen Gardisten erwartet. Dafür gibt es eine Erklärung: Der Großteil des Regiments war auf eine Parade in Schottland abkommandiert, die Aachen-Reisenden saßen meist erst wenige Monate im Sattel. Das sah man ihnen an. Aber wie sahen wir denn aus nach ein paar Wochen Reitunterricht?

Vor dem Preis von Europa am Mittwochabend nutzte ich die erste Gelegenheit, die Ladenausstellung zu inspizieren. An einer Ecke fiel mir ein wirklich schicker Blazer auf, königsblauer Samt mit orangefarbenen Kragen. Den kannte ich doch! Ingrid Klimke hatte ihn bei ihrem royalen Auftritt am Abend zuvor getragen und sich von der Hamburger Designerin Anna Klose ausgeliehen.

Am nächsten Morgen ließ sich die Prinzessin noch die Turnieranlage in der Soers ausführlich zeigen. Sie traf auch die britischen Reitern in den Ställen, unterhielt sich mit jedem einzelnen und schien insgesamt ihren Besuch sehr zu genießen. Sie unternahm natürlich auch eine Fahrt durchs Gelände, maß professionell  am Wasserhindernis die Distanzen mit eigenen Beinen ab.

Zum Schluss ging es noch ins CHIO Aachen Museum, dort konnte sie den Helm betrachten, den ihre Tochter einst bei ihrem WM-Sieg getragen hatte. Prinzessin Anne ist in England hoch beliebt, auch weil sie so fleißig Termine wahrnimmt, immer diszipliniert und „down to earth“ ist, wie der Brite sagt, also geerdet. „The best king we never had“, heißt es bei Royalisten unter der Hand. „Der beste König, den wir nie hatten.“

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Mareike

    Hallo Frau Pochhammer, ich mag Ihre „Moment mal“ Berichte an sich ganz gerne. Sehr schade jedoch, dass bezüglich der Verleihung des Silbernen Pferds hier nur recht abfällig von „zwei Amateurinnen“ gesprochen wird. Die Gewinnerin Juliane Barth und Lia Beckmann werden nicht mal mit Namen erwähnt – im Gegensatz zu Ihrem Chefredakteur. Klingt etwas nach verletztem Stolz, sehr sehr schade…


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