Hannovers Körung – ein Blog

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Impressionen von der Hannoveraner Körung – oder was nasse Unterhosen, ein unpassender Porschevergleich und ein französischer Name mit den Hengsten in Verden zu tun haben.

Die Faszination von Hengstkörungen ist ungebrochen. Die Zutaten, so gleich und unveränderlich sie auch sein mögen, zieht die Leute an. Die kleinen Züchter mit landwirtschaftlichem Hintergrund, eine aussterbende Rasse, genauso wie Wollschweine, genauso wie die Prominenz. In Verden bei der Hannoveraner Körung gibt es von beiden Kategorien reichlich. Die Tribünen sind voll, wer sich mit dem Knie bewegt, berührt zwangsläufig die Haare des vor ihm Sitzenden. Das gibt die gewisse kuschelige Wärme, die wir in der kalten Businesswelt doch alle mögen.
Das schöne ist die Mischung. Züchter zwischen VIPs. Die einen reden über Weltcup und Blood Rule, die anderen merken bei einer Urgroßmutter an, dass sie sie noch genau vor Augen haben. Das sind wir doch nach Neuwerk geritten und haben den Priel nicht gesehen. Plötzlich war ich wech. Einfach so. Da war die Reithose nass. Und die Unnerbüx (für Nicht-Norddeutsche: die Unterhose) auch. Man will ja nicht so einfach über die Schulter fragen, aber ich denke, die Stute hat es überlebt. Die Unnerbüx dürfte mittlerweile das Zeitliche gesegnet haben.
Es ist ein langer Tag. Donnerstag waren die Hengste auf der großen Dreiecksbahn unterwegs. Frische Luft, lange Wege. Schweif in die Luft und richtig durchatmen. Freitag dann Freilaufen und Freispringen. Die holländische Methode, das Freilaufen auf Achten, das die Trakehner im vergangenen Jahr nach Deutschland importiert haben, ist nun auch in der neuen Niedersachsenhalle angekommen. Allerdings parallel zur Freispringgasse, was den Platz doch etwas einschränkt. Auch hier ist interessant zu sehen, welche Hengste konsequent im Kreuzgalopp unterwegs sind und welche ausbalanciert hin- und herwechseln. Aber die Ruhe, die das holländische Helfersextett vor Wochenfrist bei den Ostpreußen ausstrahlen konnte, bekommen die bis zu elf Peitschenführer (-fuchtler?) nicht ganz so gut hin. Also gar nicht.
Apropos Holland. Dass die ausgeklügelten Hengstvorbereitungsmethoden längst über die Grenzen aus dem Nachbarland herübergeschwappt sein sollen, verraten andere Kommentare. Bei dem ein oder anderen Hengst weiß der gut informierte Volksmund auf der Tribüne zu vermelden, in dem Stall, da ginge es ja holländisch zu, so mit Gewichten anne Füße. Ob Gewichte anne Füße den ein oder anderen Kandidaten tatsächlich in der Vorbereitungsphase dazu bewegt haben, die Vorderbeine etwas höher zu bewegen, wird sich wohl nicht nachweisen lassen. Fakt ist, dass viele Hengste über Dressurqualitäten verfügen, aber die Favoriten der aus dem In- und Ausland angereisten potenziellen Käufer dann doch dünn gesät sind. Keine Frage, Lemonys Nicket, die 900.000-Euro-Preis-Sensation von vor drei Wochen, war gestern. An diesem Wochenende dürfte der Auktionatorenhammer diese Preisregionen nicht erreichen. Das ist jedem am Freitag kalr. Geht ja auch nicht immer, solch ein Wahnsinnspreis.
Dabei gibt es genug Hengste, die mit dem Prädikat gekört versehen am Samstagnachmittag in die Bahn kommen und damit schon mal ein paar Euro mehr kosten sollten. Von 51 Dressurhengsten wurden etwas mehr als die Hälfte gekört, 27 waren es. Unter den Hengstvätern befanden sich einige Debütanten, die das erste Mal Söhne nach Verden schicken konnten. Dazu zählt der Hengst Christ v. Competent, dessen Kinder auf Fohlenauktionen schon reichlich Geld gekostet haben. Von dreien wurde einer gekört. Noch schlechter die Quote bei den Söhnen des Fürst Nymphenburg (v. Florencio-De Niro): Vier waren da, drei wurden nicht gekört, so stolz sie ihre Hälse auch nach oben recken mochten. Immerhin war einer von ihnen der teuerste nicht gekörte Hengst – 82.000 Euro, auch kein Pappenstiel. Der Vierte war  tendenziell körfähig, wären denn seine Hoden weit genug entwickelt. Die knapp bemessene Männlichkeit steht logischerweise einer Karriere als Deckhengst störend im Weg. Hinter mir raunt einer wer will schon Omnibus fahren, wenn es Porsche gibt. Da dreht man sich dann lieber nicht um und verkneift sich mal die biologischen Feinheiten des Ortes der Spermienproduktion (wo es wohl nicht so auf Länge (=Omnibus) ankommt). Ist ja auch schön, wenn es noch Menschen gibt, die offensichtlich der Bienchen-Theorie Glauben schenken also Bienen mit (Achtung Kalauer) entsprechendem Stachel. Egal ob nun Porsche oder Omnibus. Der Fürst Nymphenburg-Sohn war nicht der einzige, derzeit noch nicht ganz ausgereifte Kandidat. Irgendwie auch beruhigend, dass der Mensch noch nicht alles beeinflussen kann.
Für den Katalog einer anderen Körung, die in den kommenden Wochen stattfinden wird, soll ein Hengst vorgesehen gewesen sein, der nur einen Hoden hatte. Der Besitzer war nicht auf die Idee gekommen, seinen Jüngling auf die Komplettausstattung hin zu betrachten. Nach ausgesprochener Körzulassung, war der Besitzer dann, so raunt man feixend auf der Tribüne, ausgesprochen geschockt, als er nach längerer Betrachtung und Abtasten der kompletten Unterseite seines Hengstes die (O-Ton zwei Reihen vor mir) Eiersuche aufzugeben. Wenn das der Osterhase wüsste
Während das Bolero-Blut (vier Hengste) und Donnerhall-Genetik (sieben von zehn gekört, darunter auch ein etwas kopflos durch die Halle rasender Don Frederico-Sohn) hoch im Kurs standen und auch das F-Blut (vor allem über Florestan) mit sieben (davon Fidertanz dreimal) gekörten von 15 vorgestellten Hengsten  der Körkommission gefiel, übten sich die von Heike Kemmer (im braunen Samt-Gehrock zur schmalgeschnittenen beigefarbenen Hose) begleiteten wohlbehüteten (Melone muss sein) Körkommissare beim Lauries Crusador xx-Blut eher in Zurückhaltung. Was auch gut nachzuvollziehen war. Und dass man dem Sandro Hit-Blut in Verden sketisch gegenüber steht, ist auch nicht neu. Entsprechend wurde jeweils ein Sohn von San Amour, Sarkozy und Sir Donnerhall gekört. Traben konnten sie alle, im Schritt überzeugten sie nur teilweise. Aber diese Gangart war auch bei S-freien Hengsten nicht in überschwänglicher Güte und schon gar nicht über die gesamte Kollektion hinweg in verschwenderischem Ausmaß vertreten.
Sieben Dressurhengste wurden prämiert. Darunter auch der teuerste aller angebotenen Hengste, ein Dunkelfuchs v. Dancier (VIDEO). Er wurde von der Norwegerin Kristin Andresen ersteigert. Ihr Mann, dem unter anderem der weltweit agierende Konzern für Verpackungsmaterialien Elopak gehört, wird in norwegischen Medien als reichster Mann des Landes mit einem geschätzten Vermögen von knapp 1,7 Milliarden Euro bezeichnet. Da ist dann schon mal ein Hengstchen für die Frau drin, zumal die beiden Töchter im Ponylager in der Dressur und im Springen im vergangenen Jahr bei den Norwegischen Meisterschaften in die Medaillenränge vorrücken konnten.
 

Wenn in deutschen Züchterkreisen derzeit viel diskutiert (naja, manch eine Diskussionsveranstaltung ist dann mehr Monolog mit verbalen Einsprengseln) wird, was denn die Anderen im Ausland gemeint sind vor allem Holländer und Dänen sowie Belgier (Springen) anders machen, dann vielleicht das: Sie kaufen in Deutschland und beweisen den längeren Atem beim Bieten. Etwas das Gestüt Blue Hors: Die Dänen ließen sich einen Fürst Grandios-Sohn (VIDEO), der sich im Trab und Galopp faszinierend bewegte, aber im Schritt recht verspannt und entsprechend unsicher im Takt war, 90.000 Euro kosten. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Besser als in den Vorjahren und auch zahlenmäßig stärker vertreten: Die Springpferde. Drei davon kaufte der Celler Landstallmeister. Für sage und schreibe 270.000 Euro einen bildschönen Valentino-Sohn aus einer Acorado-Mutter (VIDEO). Nicht so viel hannoversches Blut, merkt da einer an. Dabei findet sich schon in vierter Generation mit Wendekreis ein echter reinblütiger Hannoveraner, Baujahr 1967. Wer wird denn da so kleinlich sein. Brockmann erwarb auch noch einen ziemlich aufgescheucht durch die Bahn rennenden Rappen von Don Frederico. Brockmann sagt, bei der Vorauswahl sei das ein überragendes Pferd gewesen. Hätte erihn nur in Verden erlebt, hätte er den Katalog niemals gehoben. Jetzt, könnte man meinen, ist er sich doch recht sicher ein Schnäppchen gemacht zu haben. Auch einen vermögend springenden Cassini II-Athletico-Sohn und einen Canstakko-Sohn aus dem Mutterstamm von Butts Abraxxas und Butts Avedon wird man in Celle, bzw. zunächst in Adelheidsdorf wiedersehen. Letzterer hat auch schon einen Namen: Concours complet was bitte nicht mit „Totalinsolvenz“ zu übersetzen ist! Für diejenigen, die in Französisch in der Schule krank waren: So sagen die Franzosen zur Vielseitigkeit.
Der Bericht zur Körung steht hier.
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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).