Barhuf: Ohne Eisen zum gesunden Huf?

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Barhuf ausschneiden

Back to the roots: Ist der Barhuf die Lösung aller Probleme? (© fotolia)

Die Diskussion ob das Pferd beschlagen werden oder doch lieber Barhuf laufen sollte, ist ein Dauerbrenner in vielen Ställen. Experten haben uns verraten, wann das Pferd Hufeisen braucht und wann es mit Barhuf besser bedient ist.

So alt wie das Hufeisen selbst, ist die Diskussion darüber, ob an den Pferdehuf Eisen gehören oder es doch besser Barhuf laufen sollte. Selbst unter Hufschmieden, die ihr Geld mit dem Beschlagen von Pferden verdienen, gehen die Meinungen auseinander. Experten aus verschiedenen Richtungen haben uns ihre Sicht auf die Diskussion erläutert. Huforthopäde Klaus Mast erklärt außerdem, wie er vorgeht, damit das Pferd Barhuf zu mehr Trachte kommt.

„Der beste Hufbeschlag ist keiner“

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Barhuf im Dressurviereck! Nicht nur Freizeit-, auch Sportpferde können ohne Hufeisen im Einsatz sein. (© www.toffi-images.de)

… sagt Hufschmied Dieter Kröhnert. „Der liebe Gott hat die Pferde ja nicht umsonst so geschaffen.“ Der Hufmechanismus könne seine Aufgabe am besten im natürlichen Zustand, sprich unbeschlagen, erfüllen. Ob das Pferd ohne Beschlag zurechtkommt – das steht auf einem anderen Zettel. 

„Es kommt auf den Einsatz und die sportliche Belastung des Pferdes an“, erklärt Dr. Volker Sill von der Pferdeklinik Bargteheide. Eine Frage ist zum Beispiel, wie wird das Pferd genutzt? Wie oft wird es geritten und auf was für Böden? Weitere Faktoren sind die Hufgesundheit und der Bewegungsablauf beziehungsweise die Gliedmaßenstellung.

Fest steht: Vierbeiner, die nur auf die Weide gehen und auf weichen Böden bewegt werden, bereitet des Barhuf-Gehen in den meisten Fällen keine Probleme. Hornabrieb und Wachstum halten sich die Waage. Anders sieht das bei Pferden aus, die mit ständig wechselnden Untergründen zurecht kommen müssen. Ein Springpferd auf Grasboden ohne Eisen – das wäre nicht nur rutschig, auch das Horn würde stark abgerieben. Wenn man auf modernen Reitböden reitet, durch die das Horn stärker in Anspruch genommen wird, rät der Tierarzt eher davon ab, das Pferd barhuf gehen zu lassen.

Beschaffenheit der Hufsohle

Deicke

Der Pferdehuf von unten (© Deicke)

Ein weiterer Aspekt ist die Beschaffenheit der Sohle. „Pferde mit einer dicken, gewölbten Sohle haben nicht viel Bodenkontakt, die Sohle ist besser geschützt und die Pferde können eher barhuf gehen, als Pferde mit einer dünnen Sohle“, sagt Dr. Volker Sill.

Vierbeiner mit einer dünnen Sohle sind dementsprechend fühliger, sie spüren oft jedes kleines Steinchen. Wie das Horn und auch die Sohle beschaffen sind, hängt von den ersten Lebensjahren ab. „Die Aufzucht ist entscheidend“, sagt Dr. Volker Sill und fügt hinzu: „Die Hufe passen sich sich an die Umweltbedingungen an.“ Wenn das junge Pferd viel auf weichen Böden, auf Stroh oder Gummimatten steht, wird das Horn eher weich.

Nach jedem Ritt oder Weidegang sollte der Huf auf Fremdkörper kontrolliert werden, vor allem die Strahlfurchen. „Da setzten sich gerne Steine ab“, sagt Dr. Volker Sill. Hufschmied Dieter Kröhnert rät dazu, auch beschlagenen Pferden hin und wieder eine Pause vom Eisen zu gönnen. Ein guter Zeitpunkt sei nach der Saison über die Wintermonate. Dann muss sich der Huf nicht mehr mit so vielen verschiedenen Böden auseinandersetzen, das Horn kann sich erholen. Die Auszeit sollte drei bis vier Monate dauern.

Mit dem Huforthopäden zum Barhuf-Glück

Viele Pferde, deren Hufe Klaus Mast in die Hände bekommt, haben bereits eine deutliche Fehlstellung entwickelt. Bevor der Besitzer sich für die Hufbearbeitung durch den Huforthopäden entscheidet, muss er sich allerdings im Klaren darüber sein, dass die Eisen dafür dauerhaft abgenommen werden. Der Huforthopäde arbeitet ausschließlich am Barhuf-Pferd.

„Meist erfordert die Korrektur einige Zeit. Weitere Faktoren wie die Sensibilität des Pferdes und der Untergrund, auf dem es läuft, müssen einbezogen werden.“ Durch die Barhufbearbeitung und die zielgerichtete Gestaltung des ständig nachschiebenden Hufhorns will Klaus Mast eine spannungsarme und gleichmäßig nachwachsende Hornkapsel erreichen. Dabei werden die physikalischen Kräfte, die auf den Huf einwirken, berücksichtigt. Die Korrekturen erfolgen meist im Abstand von etwa vier Wochen.

„Zu schräg oder zu steil stehende Hornwände können korrigiert werden und sorgen so nachhaltig für eine gleichmäßige Lastaufnahme des gesamten Hufes“, erklärt er. Wichtig sei, einem beschlagenen Pferd, dessen Hufe sich durch die Eisen negativ verändern, regelmäßig eine beschlagsfreie Periode zu gönnen, in der die Stellung korrigiert wird. „Die Daseinsberechtigung des Beschlages als Hufschutz bei zu hohem Hornabrieb ist unbestritten. Allerdings spielt der Beschlag eine nicht zu unterschätzende Rolle, die zur Entstehung diverser Hufprobleme führen kann. Falls also, aus welchen Gründen auch immer, nicht auf einen Beschlag verzichtet werden kann, sollte der Pferdebesitzer darauf achten, den Hufen seines Pferdes immer wieder eisenfreie Zeitabschnitte zu gönnen“, betont der Spezialist und weist darauf hin: „Selbstverständlich ist es nicht mit dem alleinigen Entfernen der Eisen getan, eine adäquate Barhufbearbeitung ist unverzichtbar.“

Barhuf zu mehr Trachte

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Deutlich zu erkennen: die untergeschobene Trachte (© Privat)

Untergeschobene Trachten liegen immer dann vor, wenn die Trachtenendkante und die Zehe des Hufes nicht parallel zueinander verlaufen, also die Trachtenwand flacher zum Boden ausgerichtet ist als die Zehenwand. Für das Problem gibt es mehrere mögliche Auslöser.

Einerseits ändert sich der Hornabrieb des Hufes durch einen Beschlag. Denn wegen der Hufmechanik reiben sich die Trachten stetig etwas auf den Schenkelenden des Eisens ab. Dadurch wird die Trachte überlastet. Auch zu schräg stehende Seitenwände können das Problem verursachen. Nach und nach schiebt die Trachte mehr unter, gleichzeitig deformieren die Seitenwände zunehmend, weil sie den Hebel- und Druckkräften der Trachte nicht standhalten. Nicht außer Acht zu lassen ist auch die genetische Veranlagung mancher Rassen zu unterschiebenden Trachten.

Nur durch die gleichmäßige Belastung des ganzen Hufes kann die Trachte sich aufrichten. Hierfür ist allerdings eine intensive, regelmäßige und langwierige Korrektur des Hufes notwendig. Durch huforthopädische Bearbeitungen in kurzen Intervallen von maximal vier Wochen kann der deformierte Huf langfristig in einen physiologischen, gleichmäßig belasteten Zustand zurückgeführt werden. Hufareale, die an Tragfähigkeit eingebüßt haben, werden wieder tragfähig, überlastete Hufareale, wie etwa der Trachtenbereich, werden entlastet.

Häufig entstehen durch Fehlstellungen auch Risse in der Hornwand. Im Idealfall sind die Hufe des Pferdes symmetrisch, die Winkelung der Seitenwände ist also identisch und der Huf ist einwandfrei mittig unter dem Bein ausgerichtet. Das am Kronrand gebildete Wandhorn schiebt ruhig nach unten und reibt sich gleichmäßig am Untergrund ab.

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Die Trachte ist drei Monate später parallel zur Zehenwand ausgerichtet (© Privat)

Spannungen in der Hornkapsel

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Die unterschiedlich belasteten Hufareale führen zu Spannungen im Huf. Der Huf ist daraufhin eingerissen. (© Privat)

Nutzt sich der Huf jedoch durch eine Fehlstellung zum Beispiel nur einseitig ab, kommt es zu Spannungen im Huf. Gründe für die Fehlstellung können vielfältig sein wie Vererbung, Kompensation nach einer Verletzung oder falsche Haltungsbedingungen. „Unterschiedlich belastete Hufwand­abschnitte können in verschiedene Richtungen tendieren, man spricht hier von unterschiedlichen Hufwandmechaniken. Die dadurch verursachten Spannungen und Zerreißungen in der Hornkapsel können so stark sein, dass die Hornwand diesen nicht mehr standhalten kann und es zu Rissen oder Spalten kommt“, erklärt Mast.

Diese Risse verlaufen vertikal und lokalisieren sich an den Grenzen der Hornröhrchen, also den Grundbausteinen der Hornwand. Nicht selten dringen dort dann auch Bakterien ein, die den Verbund der Hornwand zu den dahinter liegenden Strukturen weiter schwächt und die Problematik so zusätzlich verschärft.
Je nachdem, wo sich der Riss befindet, muss individuell bearbeitet werden. Wichtig ist, dass nicht der Riss selbst, der letztlich nur ein Symptom ist, im Fokus steht, sondern die ihn auslösenden Spannungen reduziert werden.

Privat

18 Monate später ist der Riss in der Außenwand verheilt. (© Privat)

Stimmen der Experten 

Fei Tierarzt,
Dr. Friedrich Appelbaum

Der Hufbeschlag wird seit Jahrhunderten praktiziert und hat auch seine Berechtigung. Um den Huf vor Abrieb zu schützen, gibt es keine geeignete Alternative. Im Sport ist der Beschlag nicht wegzudenken, im Galopprennsport ist er in der Rennordnung geregelt. Zudem ist der orthopädische Hufbeschlag integraler Bestandteil in der Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates unser Pferde.

Die horizontale Bewegung der Hufkapsel im Sinne des Hufmechanismus wird durch den regelmäßigen Hufbeschlag nicht grundsätzlich behindert. Beim Barhuf trägt der Hornstrahl bereits im Stand in gewissem Maße mit. Beim beschlagenen Huf ist in der Regel durch das Hufeisen ein gewisser Abstand zwischen Hornstrahl und Untergrund entsprechend der Dicke des gewählten Hufeisens gegeben. Dadurch ist ein vermehrtes Absinken des Strahls und eine vermehrte Abflachung des Sohlengewölbes bei gleichzeitiger seitlicher Erweiterung der Hufkapsel möglich. Die vertikale Hufbewegung im Sinne einer Anpassung an den Untergrund zum Beispiel beim Ausritt ins Gelände, wird durch das Eisen behindert. Druck wird ungedämpft an die Gliedmaße weitergeleitet. Letztendlich zerstört jeder Hufnagel eine zuvor intakte Hornwand, was ebenfalls nicht immer spurlos an dem Huf vorübergeht.

Beim Hufbeschlag ist es grundsätzlich unverzichtbar, individuell an die Bedürfnisse des Hufes angepasste Beschlagsintervalle zu wählen und nicht unreflektiert an einem einmalig festgelegten Intervall festzuhalten. Gleiches gilt letztendlich auch für die Intervalle der Barhufpflege. Hierdurch wird ein wesentlicher Beitrag zur Erhaltung der Hufgesundheit geleistet und den „Nebenwirkungen“ des Hufeisens kann so entscheidend entgegengewirkt werden.

Eisen ab? Ja, Aber…

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Es muss von Fall zu Fall unterschieden werden, ob das Eisen unter den Huf gehört oder nicht. (© www.toffi-images.de)

Sicherlich ist der Barhuf die natürlichste Form, sofern es die individuellen Nutzungs- und Haltungsbedingungen zulassen. Plant der Besitzer, seinem jahrelang beschlagenen Pferd die Eisen abnehmen zu lassen, sollte dieser Schritt nicht unüberlegt und am besten auch in Absprache mit dem Tierarzt und Schmied geschehen. Nicht selten habe ich Pferde gesehen, die mit der Veränderung nicht zurecht kamen.


Hufschmied Mark Walberg

Es wäre vermessen zu glauben, wir könnten mit einem Beschlag alles besser machen, als es die Natur vorgesehen hat. Allerdings sind unsere heutigen Hauspferde nicht mit dem Ur-Pferd vergleichbar. Sobald das Pferd als Nutztier gebraucht wird, kommt man an einem Hufschutz nicht vorbei. Hierbei sollten zwingend die Beschlagsintervalle eingehalten werden, ich erneuere den Beschlag in der Regel spätestens nach sechs Wochen.

Der Hufmechanismus wird sicherlich in gewissem Maße eingeschränkt. Allerdings kann der Schmied dem Pferd mit einigen Maßnahmen helfen. In erster Linie ist es wichtig, dass das Eisen nicht zu klein ist, weil der Huf dadurch eingezwängt würde. Außerdem rate ich an den Vorderhufen deutlich von zwei Aufzügen ab. Das meiste Gewicht des Pferdes lastet auf der Vorhand, dadurch ist der Hufmechanismus hier noch stärker ausgeprägt als bei den Hinterhufen. Arbeitet der Huf nun zwischen den Aufzügen, die ihn zu sehr einengen, kommt es früher oder später zu Rissen, weil die Wände kaputt gehen.

Ob beschlagen oder barhuf – wichtig ist, dass der Huf gut gepflegt wird. Tägliches Auskratzen muss selbstverständlich sein. Ebenso sollte der Huf zweimal wöchentlich mit Bürste und Wasser richtig gereinigt werden.


Hufschmied Dieter Kröhnert

Gerade junge Pferde würde ich so lange wie möglich ohne Eisen laufen lassen. Inzwischen ist der Sport leider fast untrennbar mit Eisen verbunden. Das liegt natürlich auch daran, dass es keine Alternative zum Eisen gibt. Ich bin allerdings der Meinung, dass ein Pferd durchaus ohne Eisen gehen kann, wenn es ordentlich ausgeschnitten ist und einen Tragrand hat, der guten Grip bietet. Beobachtet man junge Pferde auf der Weide, sieht man, dass sie auch ohne Eisen über eine Wiese galoppieren können, ohne zu rutschen. Das Eisen hat aber bei einem gewachsten Reitboden den Nachteil, dass es eine bremsende Wirkung hat, die das natürliche Gleiten des Hufes nimmt. Dadurch kommt automatisch mehr Belastung auf die anatomischen Strukturen.

Mögliche Alternative: Schutz der Barhufe durch Hufschuhe

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  1. Laura

    Ich hatte zum Glück keine Probleme mit Fehlstellung oder falschen Hornwände. Seit 2 Jahren habe ich jedoch komplett auf beschlagsfrei und Barhuf umgestellt und komme bei Bedarf mit Hufschuhen gut zurecht. Ein wirklich fachlich interessanter Artikel, welcher mit beim Lesen sehr viel neues Wissen gebracht hat. Vielen Dank dafür!


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