FEI-Generalversammlung: Lernen von den Großen der Welt

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

100 Prozent Zustimmung bei fast allen Abstimmungen und Erfolge, die eigentlich keine sind, – das virtuelle Jahrestreffen der FEI erlaubte einen interessanten Blick auf den Weltreiterverband.

Die FEI hat viel gelernt, den Eindruck konnte gewinnen, wer Zeit und Lust hatte, der Generalversammlung der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) beizuwohnen. Virtuell in diesem Jahr natürlich und nicht wie geplant in Südafrika. Corona machte die Gesetze. Den Verantwortlichen im Headquarter in Lausanne war das vielleicht gar nicht so unlieb: Statt in einer stundenlangen Sitzung von morgens bis abends die Tagesordnung abzuarbeiten, reichten diesmal dreieinhalb Stunden, um durch die Agenda zu fegen.

Präsident Ingmar de Vos und Generalsekretärin Sabrina Ibanez erklärten in geschmeidigen Worten die Welt und versuchten Zuversicht zu verbreiten, von der kein Mensch weiß, ob sie angebracht ist. Zwischenrufe gab es naturgemäß nicht, auch fast keine Nachfragen, und Diskussionen schon gar nicht, eh’ kein Markenzeichen dieser Pflichtveranstaltung. Alles war vorher in kleinen – geschlossenen – Kreisen besprochen. Einwände mussten Monate vorher schriftlich vorgebracht werden und wurden dann mit FEI-Benotung versehen, zu den Unterlagen gepackt.

So etwa der deutsche Vorstoß, in Dressurprüfungen weiter den Zylinder statt des Reithelms zu gestatten, der eine Unterschriftenaktion immerhin von 145 Dressurreitern aufgriff. Wie erwartet wurde er abgelehnt, das Thema ist gegessen, das Paket wird nicht mehr aufgeschnürt. Ganz lapidar. Das allerdings hätten die Reiter vorher wissen und mit ihrem Protest ein bisschen eher aufstehen müssen.

Acht Millionen Franken im Minus

Ob die Vertreter der 102 Nationen (von 137 FEI-Mitgliedern) die angehängten Dokumente gelesen haben, wage ich zu bezweifeln, war auch nicht so schlimm, weil Weltbewegendes nicht zu entscheiden war. Dass der Finanzreport diesmal keine Erfolgsstory sein konnte, war klar. Ein Minus von mehr als acht Millionen Schweizer Franken für 2020 wird erwartet, anstelle des erhofften Gewinns von 23 Millionen. Und selbst für das Jahr 2021, in dem optimistisch unterstellt wird, das alles besser wird, ist noch ein Minus von1,3 Millionen eingeplant.

Wie fast überall mussten auch die knapp 100 FEI-Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen, das sparte immerhin einen siebenstelligen Betrag. Und dass eine schwierige Hallensaison vor uns liegt, jetzt schon von Corona-bedingten Absagen durchlöchert, weiß ja nicht nur die FEI. Immerhin liegen 24 Millionen Rücklagen auf Schweizer und anderen Konten, da geht es dem Weltreiterverband besser als anderen Sportverbänden.

Überwältigende Mehrheit

Nahezu alle Abstimmungen endeten mit 100 Prozent Ja-Stimmen (die Enthaltungen wurden nicht gezählt, das ist regelkonform). Solche Zahlen kennt man sonst nur von Parteitagen des chinesischen Zentralkomitees. Macht das chinesische Modell Schule? Vielleicht eher als wir denken, es spart ja auch Reisekosten und CO2-Ausstösse. Allerdings fallen nicht nur die informellen Gespräche am Rande weg mit Leuten, die man sonst so gut wie nie trifft, sondern auch alkoholschwangere Männerrunden in Hotelbars und anderen Etablissements. Was der eine oder andere durchaus bedauern mag.

Wie man eine Niederlage als Erfolg verkauft, das hat die FEI womöglich von einem anderen großen Wahrheitsverdreher der Gegenwart gelernt, dem endlich scheibchenweise den Rückzug antretenden Wahlverlierer Donald Trump. Verbuchte es die FEI doch als Erfolg, als das oberste Sportgericht CAS (Court of Arbitration of the Sport) der Suspension der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zustimmte. Jedenfalls im Prinzip.

Die FEI hatte alle VAE-Disziplinen bis zum 31. Januar gesperrt, das Distanzreiten, die Disziplin, in der weiterhin mit Billigung oberster Stellen Regeln misssachtet und Pferde misshandelt werden, darüber hinaus bis zum 31. März 2021. „Das hätte denen wirklich weh getan“, sagt der deutsche FN-Generalsekretär und zugleich FEI-Delegierte Soenke Lauterbach. In den ersten Monaten des Jahres ist dort Hauptsaison. Das wird jetzt nicht passieren, der CAS begrenzte die Sperre auf den 31. Dezember auch für Endurance. Ab Neujahr darf also wieder losgejagt werden in FEI-genehmigten „Wüstenrennen“, eine veritable Ohrfeige für den Weltreiterverband.

Als ob nicht eine Halbjahrssperre schon lächerlich genug ist, nicht mehr als ein Deckmäntelchen für die eigene Machtlosigkeit und Resignation Das Problem liegt im Kopf der arabischen Verantwortlichen. Gleichgültigkeit, Ignoranz, mangelnde Horsemanship und Verachtung für die Regeln des Fairply – das ändert man nicht in sechs Monaten. Wenn überhaupt je. Und die FEI sollte sich die Frage stellen, wie lange sie der zivilisierten Reiterwelt die reichen Rowdies aus dem Morgenland noch zumuten will.nike air jordan 1 outlet | nike air jordan 1 retro high release date

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Ralph Clasen-Hoffmann

    Sehr geehrte Frau Pochhammer,

    die Abstimmungsmodalitäten und Entscheidungsprozesse der FEI sind nun mal in den Statuten festgelegt; sie mögen einem passen oder nicht. In anderen großen Verbänden kann man auch nicht gerade von Transparenz und Basisdemokratie reden.
    In Bezug auf das CAS-Urteil muß ich Ihnen allerdings widersprechen. Es ist schon ein großer Erfolg, daß der CAS in großen Teilen der Entscheidung der FEI gefolgt ist. So hat man jetzt überhaupt mal eine Handhabe im Umgang mit einzelnen Federationen. Die Alternative wäre, wie es wohl beim Reining kommen wird, daß sich die Verbände abkapseln und ihr eigenes Ding machen; dann unterständen sie keiner internationalen Gerichtsbarkeit mehr. Das wäre für das Pferdewohl eine fatale Signalwirkung.


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