Medientipps vom Spitzenverband

Von
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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Der stromlinienförmige Athlet ohne Ecken und Kanten, allzeit Promoter seines Sports, ist es wohl, was der FEI vorschwebt, wenn sie ihren Reitern Tipps für den Umgang mit der Presse gibt. Dabei ist es doch so einfach: die Wahrheit ist die beste PR.

Nachdem der Fußballverein Holstein Kiel im Schneegestöber die vom Nimbus der Unbesiegbarkeit umwehten Kicker von Bayern München aus dem Pokal-Wettrennen befördert hatte, war die Haut bei den Besiegten dünn. „Was gibt es da zu lachen“, herrschte Thomas Müller, sonst der coole Analyst, mit blitzenden Augen die Reporterin an. Ihre Antwort war nicht zu verstehen. „Doch Sie haben gelacht,“ beharrte Müller. Tatsächlich hatten die Bayern an diesem Abend wenig zu lachen und der Unmut des Stars war verständlich. Zum Glück kommen solche emotionalen Ausfälle auch mal vor, schließlich werden da Menschen interviewt und keine künstliche Intelligenz.

Der direkte Draht

Uns Pferdesportjournalisten geht es besser als den Kollegen, die vom Fußball oder der Formel I berichten. In der Regel können wir mit den Reitern, über die wir schreiben, direkt und unkompliziert kommunizieren. Wir können sie nicht nur bei Pressekonferenzen ansprechen – das kann man in allen Sportarten – sondern oft auch zwanglos beim Turnier, am Rande des Abreiteplatzes oder bei einem Schwätzchen an der Bar. Oder man ruft sie einfach an. Die meisten Reiter, denen ich im Laufe meines doch schon recht langen Reporterlebens begegnet bin, waren freundlich, entgegenkommend und, wenn es gerade mal nicht passte, zu einem anderen Termin bereit, mit mir zu reden. Eigentlich alle sind aufgeschlossen, wenn sie merken, dass man Pferde genauso mag wie sie, ehrliches Interesse hat und sie nicht unfair in die Pfanne hauen will.

Im Pferdesport müssen wir nicht über Pressesprecher um einen Termin betteln, wie oft bei den Promis anderer Sportarten, deren Hauptaufgabe es zu sein scheint, lästige Frager abzuwimmeln. Und wenn ein Reiter doch mal versucht, einen Medienprofi vorzuschalten, auch das hat es schon gegeben, erlischt in der Regel das Interesse an seiner Person ziemlich schnell. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Reiten nicht so im Fokus der Mainstream-Medien steht wie Fußball oder Handball, für deren Spiele dann schon mal die Lieblingsserie im Fernsehen ausfällt oder die Nachrichten auf fünf Minuten schrumpfen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Der Pferdesport kann jede Aufmerksamkeit gebrauchen. Das wissen die Profis.

Ein gutes Image

Aber auch Reiter wollen sich in Interviews „verkaufen“, das heißt, ein möglich günstiges Image von sich zeichnen. Damit das gelingt, verteilen die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) und die der Weltreiterverband (FEI) an ihre Sportler gute Ratschläge, etwa durch Medientraining vor allem für Nachwuchsreiter.

Wenn man mit jungen Reitern in ihren ersten Jahren im Top-Sport spricht, dann merkt man gleich, wer in den Genuss eines solchen Medientrainings gekommen ist. Man merkt es unter anderem daran, dass sie niemals dem Pferd die Schuld für eine schlechte Leistung geben. Das Pferd hat ja tatsächlich niemals Schuld, und der Fehler des Reiters kann auch einfach darin bestehen, dass er die Möglichkeiten seines Sportpartners falsch eingeschätzt hat. Was nicht heißt, dass der eine oder andere nicht doch heimlich mit dem „blöden Bock“ hadert. Aber es zu sagen, traut sich keiner. Und das ist gut so. Auf der anderen Seite nerven manche stereotype Antworten, etwa „Mein Pferd hat so für mich gekämpft“. Hat es das wirklich oder wollte es einfach die Aufgabe, die es gelernt hat, gut machen, um im Stall wieder seine Ruhe (und sein Futter) zu haben?

Dressurreiter schauen sich offenbar grundsätzlich nie ihre Konkurrenten an, damit sie, nach deren Leistungen gefragt, immer mit treuem Augenaufschlag sagen können: „Habe ich leider nicht gesehen, kann ich nichts zu sagen.“ Schade eigentlich, angeblich lernt man ja enorm durch Zugucken.

Tipps von der FEI

Studiert man auf der Website der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) die Tipps für die Reiter im den Umgang mit Medien, fragt man sich, welches „Athletenbild“ der FEI vorschwebt. Der stromlinienförmige Supersportler ohne Ecken und Kanten, der weder Selbstzweifel kennt, noch kritische Äußerungen rauslässt, geschweige denn unbequeme Wahrheiten? Laut FEI soll sich der Reiter als Botschafter des Sports verstehen, ihn ständig als wunderbar und einzigartig preisen und ein Interview dazu benutzen, sich dementsprechend zu positionieren. Fragen sollte er sich vorab schicken lassen und sich die Antworten vorher gut überlegen. Damit ja nicht allzu spontane Sätze das glattpolierte Image trüben? Enthält die Frage ein negatives Statement, darf das auf keinen Fall in der Antwort wiederholt werden. (Achtung Psychologe am Werk!!)

Der Reiter soll offenbar immer als PR-Agent seiner selbst und des Sports agieren, was ja mühsam sein kann, wenn man auch noch reiten muss. Zum Glück lassen sich die meisten Reiter nicht in medienkonforme Korsetts pressen. Und der eine oder andere hat vielleicht auch begriffen: Vertuschungsstrategien bewähren sich nicht, Glaubwürdigkeit ist wichtiger als der geschmeidige Auftritt und am Ende ist die Wahrheit die beste PR.men’s new jordans release dates | cheap air jordan 1 mid

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.