Moment mal! Eine Erfolgsgeschichte feiert Silberjubiläum

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Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Seit einem Vierteljahrhundert gibt es Leipzig das Turnier Partner Pferd in den Messehallen. Die Ehe zwischen der Marketing Agentur En Garde unter ihrem Chef Volker Wulff mit der Messe hat gehalten, bis heute und noch geht man sich nicht auf die Nerven wie so manches ältere Ehepaar. Da kommt noch was, so sieht es aus. Eine kleine Bilanz.

Es ist 25 Jahre her, dass Volker Wulff frohgemut das erste Turnier in den Leipziger Messehallen in Angriff nahm, einer der ersten Veranstalter, die sich Richtung Osten wandten, in die neuen Bundesländer der wiedervereinigten Republik. Ost-Erfahrungen hatte Wulff bereits in Gera gesammelt, wo er 2007 die ersten Deutschen Meisterschaften auf dem Gebiet der früheren DDR ausgerichtet hatte. Aber in Leipzig war alles nochmal anders: „Ein paar Tage, bevor das Turnier losgehen sollte, wurden wir nach Genehmigungen gefragt. Was für Genehmigungen? Ich hatte keine Ahnung.“ Es war Wulffs erstes Hallenturnier, Brandschutzgutachten, Bauordnungen und Umnutzungsanträge waren böhmische Dörfer. Nach Gera war höchstens mal die Amtsveterinärin gekommen, die kontrollierte, ob die Spülbecken im Catering-Bereich sauber waren. „Ich dachte, Mist, jetzt hast du gerade einen Fuß in der Tür und bist schon wieder draußen,“ sagt Wulff.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Andere Vorbehalte hatte er schon im Vorfeld aus dem Weg räumen müssen. Es gab bereits Tennis, Hallenfußball und Sechstagerennen in den Leipziger Messehallen. Sportdezernent Wolfgang Tiefensee, späterer Oberbürgermeister, fragte Wulff: „Was wollen Sie denn jetzt noch mit den Reitern?“ Zwei Reitturnierveranstalter waren schon gescheitert. „Aber am Ende waren wir wohl zur rechten Zeit im rechten Ort“, sagt Wulff heute.

 Was die fehlenden Genehmigungen anging, wurde in Windeseile wurde ein Konzept erstellt, es konnte losgehen. Der Andrang der Menschen nicht nur aus Leipzig sondern aus der ganzen Region und darüber hinaus war so groß, dass die Kassen zumachen mussten. Per Verkehrsfunk wurde den Autofahrern geraten, wegzubleiben wegen Überfüllung. 500 Autos mussten abgewiesen werden. Das lag nicht am Mangel an Parkplätzen, aber die Messehalle war einfach voll.

„Wir hatten damals nur eine einzige Halle, in der alles war, Arena, Ställe, Tribünen“, erzählt Wulff. Die Reitfläche maß bescheidene 28 mal 60 Meter, also wie eine Reithalle. Die VIPs drängelten sich in drei Pagoden-Zelten, jedes gerade mal fünf mal fünf Meter groß, immerhin, an sie war schon in der ersten Stunde gedacht.

Schon im zweiten Jahr gab es 1500 Zuschauerplätze mehr, die Reitfläche wurde vergrößert, Ställe und Abreiteplatz wurden in die umliegenden Hallen verlegt, die Ausstellung erweitert, wo es heute nicht nur alles rund ums Pferd gibt, von Glitzermützchen bis zum Lackhelm, vom Hufkratzer bis zum Sechs-Pferde-Luxus-LKW, sondern auch Wurst mit Whisky aus Thüringen und Großpackungen getrocknete Rinderlunge für den Hund.

Die Coronakrise hat alle gebeutelt, natürlich auch Turnierveranstalter. Im Jahr 2020 entkam das Turnier um ein paar Tage dem großen Lockdown, 2021 musste es ausfallen, im vergangenen Jahr wurden die Corona-Restriktionen eine Woche vor dem Weltcupfinale im April aufgehoben. Aber gezittert wurde bis zuletzt. „Die Einschränkungen hätten ja auch um 14 Tage verlängert werden können“, sagt Wulff, „dann hätten wir nur halb so viele Leute reinlassen dürfen.“ Schließlich, man erinnere sich, gab es jeden Tag neue Anordnungen von oben. Hinzu kamen massiven Preissteigerungen in allen Bereichen – Strom, Reitboden, Boxenmieten, Gehälter – alles war auf einmal doppelt und dreifach so teuer, nicht alle Kosten konnten einfach weitergereicht werden. Und doch zählte am Ende das Weltcupfinale 2022 in den vier Disziplinen Springen, Dressur, Fahren und Voltigieren für Wulff zu den glücklichsten Momenten in der Geschichte von Partner Pferd. „Wir waren die Eisbrecher nach der Pandemie. Die Menschen kamen, weil soviel von ihren Schultern gefallen war, die Tribünen waren wieder voll, alle waren erleichtert.“ Obwohl neue Ungewissheiten, ein Krieg in Europa, hinzu gekommen war. Wenigstens für ein paar Stunden konnten die Menschen den Ukraine-Krieg hinter sich lassen.

Kein Dressurweltcup, aber Dressurgedenkstunde

Seit vielen Jahren ist Leipzig nun eine feste Größe im Weltcupkalender Springen. Dressur wurde nach den Anfangsjahren aufgegeben, die beiden deutschen Orte für den Dressurweltcup, Stuttgart und Neumünster, sitzen fest im Sattel. „Und eine schlecht besetzte Dressur würde mir nur Kritik einhandeln“, sagt Wulff. Trotzdem: Vom nächsten Jahr an soll es jeden Samstagabend eine halbe Dressurgedenkstunde mit Showelementen geben.

Die Bilanz nach 25 Jahren fällt nüchtern und optimistisch zugleich aus. Natürlich sei alles viel internationaler geworden, sagt Wulff. „Die Reiter und Pferde kommen von weit her.“ Viele der Top-Pferde seien heutzutage häufiger im Flugzeug als auf der Straße unterwegs.

„Die Medienlandschaft ist außerdem eine komplett andere geworden“, sagt er. Die wenigsten Menschen informieren sich über den Pferdesport in ihrer Tageszeitung, (wo sie ohnehin sehr kümmerlich informiert werden). „Die Insider kennen die Ergebnisse sowie schon und die anderen kommunizieren über die sozialen Medien oder Streaming“, sagt Wulff. „Die Konkurrenz in den Medien ist größer geworden. Man muss schauen, dass man sich die Aufmerksamkeit erhält gegenüber neuen Sportarten und Trends.“

Für die nächsten 25 Jahre schaut er nach vorne. Er möchte noch mehr Platz in anderen Hallen, für weitere Stände, Infoveranstaltungen und Showprogramme. Eine kleine Equitana? „Wieso klein?“ kontert Wulff. Der Vertrag mit der Messe Leipzig bis 2027 steht. Menschen nach wie vor fürs Pferd zu begeistern, trotz Anfeindungen von Tierrechtlern und anderen selbsternannten Tierschützern, ist das Ziel. „Wir müssen die Öffentlichkeit dazu bringen, sich den Sport anzusehen“, sagt er „Wir müssen an unserem Image arbeiten und wir dürfen nicht zulassen, dass der Pferdesport in eine Ecke gerät, in die er nicht gehört.“ Dann steht einer weiteren langen Erfolgsstrecke wohl nichts mehr im Weg.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.