Moment mal! „In Deutschland ist die Hölle los!“

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Krieg, Inflation, Corona – vielerlei Ängste belasten die Menschen in diesen Monaten, hinzu kommen ganz konkrete Sorgen um die Finanzierung des täglichen Lebens. Das geht natürlich auch an den Pferdeleuten nicht spurlos vorüber, wie uns Petra Teegen, die Leiterin der Pferdeklappe Schleswig-Holstein, erzählt.

150 Pferde wurden Petra Steegen in diesem Jahr anvertraut, 50 mehr als im vergangenen Jahr. Teegen betreibt in Norderbrarup, im Norden Schleswig-Holsteins, nicht weit von der dänischen Grenze, die erste Pferdeklappe Deutschlands. 85 weitere Pferde konnte sie übers Internet an neue Besitzer vermitteln. Täglich kommen Hilferufe von Menschen, die sich nicht mehr in der Lage sehen, für ihr Pferd zu sorgen. Weil sie den Tierarzt und den Hufschmied nicht mehr bezahlen können. Weil das Pferd verletzt ist und sie sich einen Klinikaufenthalt nicht leisten können. Weil einfach am Ende des Monats durch die Inflation das Geld nicht nur knapp, sondern weg ist. Weil Long Covid die Versorgung des Vierbeiners unmöglich macht. Weil die Firma pleite gegangen und damit auch der Arbeitsplatz futsch ist.

Menschen können ihre Pferde zu Petra Teegens Hof bringen, wenn sie sie nicht mehr versorgen können – zur Not auch anonym. Eine Koppel mit unverschlossenem Tor, Wasser und einem Unterstand mit Heu ist Tag und Nacht bereit. In einem Briefkasten kann der Pferdepass abgelegt werden, dort liegen auch Formulare mit einer Abtretungserklärung– beides Bedingung, bevor Teegen tätig wird. Sie bemüht sich dann, ein neues Zuhause für das Pferd zu finden, dabei helfen die sozialen Medien wie Facebook, wo täglich fast 150.000 Klicks generiert werden. Unermüdlich sammelt sie Spenden, die helfen, die Zwischenkosten wie Tierarzt und Schmied zu zahlen. Denn jedes Pferd, das in Petra Teegens Obhut kommt, wird erstmal „grundversorgt“: tierärztlich untersucht und wenn nötig behandelt.

Erst Corona, dann das Ahrtal, dann der Krieg

Nach Corona kam die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. 46 Pferde kamen noch allein in diesem Jahr, ein Jahr nach der Flut, nach Norderbrarup. Denn einige Schäden stellten sich erst spät heraus: „Die Emissionen im Boden enthielten Giftstoffe, die bei vielen Pferden Atembeschwerden hervorriefen“, sagt Petra Teegen. Auf ihrem Hof hat sie eine „Salzkammer“, in der Pferde mit Lungenproblemen eine Salzlösung inhalieren können, mehrmals täglich. „Die Kammer war 22 Stunden am Tag besetzt“, sagt sie. Die Initiative „Deutschland hilft“, unterstützte sie mit 30.000 Euro, „für die kleinen Leute“, wie Teegen sagt, mit Geld zum Beispiel für Stallzelte als Notunterkünfte. In diesem Jahr hat sie als Hilfe für Geschädigte aus der Ahrtal-Flut erneut 50.000 Euro beantragt, ebenfalls gedacht für private Pferdehalter und kleinere Betriebe in finanziellen Nöten. „Bauchläden fördern wir nicht“, bekam sie diesmal zu hören, bitter für die, die Hilfe dringend nötig hätten.

Die nächste Krise war schon im Anmarsch, Februar 2022, mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Schon in der ersten Kriegswoche erreichten Petra Teegen erneut Hilferufe, vor allem um Sachspenden, also Ausrüstung, wie Decken, Führstricke, Halfter und Reitzubehör. Weil die Verteilung schwierig war, wurden die Ausrüstungsgegenstände verkauft, die 26.000 Euro kamen der Ukraine-Hilfe zugute.

Beängstigende Inflation

Die drohende Wirtschaftskrise macht auch hierzulande das Leben für die Pferdehalter nicht leichter. „Bei einer Inflation von sieben Prozent fingen die Leute an, Angst zu haben, jetzt sind wir bei zehn Prozent“, sagt Teegen, „in Deutschland ist die Hölle los.“ Die Inflationsängste bekommt sie zu spüren, wenn wieder einen Neuzugang auf der Koppel gesichtet wird. Drastisch gestiegene Kosten für Futter, Einstreu und Energie machen Sorgen. Zahlte Teegen für einen Großballen Heu vor fünf Jahren von 20 Euro, so ist sie jetzt bei 55 Euro angelangt, wobei der trockene Sommer mit geringeren Erträgen ins Spiel kommt. Der zweite Schnitt fiel oft ganz aus, durch die trockenen Weiden, von denen im Spätsommer vielerorts winure braune Steppe blieb, musste früher zugefüttert werden als in anderen Jahren.

Die Futtermittelhersteller, die normalerweise eine Großteil ihrer Zutaten aus der Ukraine (Sonnenblumenöl), und Russland (Phosphate, Spurenelemente und Mineralstoffe) beziehen, müssen sich neue Bezugsquellen und Rohstoffalternativen suchen. „Das bedeutet: „Wir müssen unseren Blick erweitern, um neue Wege der Pferdefütterung und neue Bezugsquellen zu erschließen. Statt Sonnenblumenöl kann dann auch Rapsöl verwendet werden, das passt auch gut zum Pferd“, sagt Conni Fritz, seit 30 Jahren als Futterberaterin tätig.

Stroh kostet nicht mehr 17, sondern 30 Euro – Ende der Spirale noch nicht erkennbar. Die Energiekosten steigen inzwischen ins vorher nicht Vorstellbare. Das geht allen so, aber Pferdebetriebe und Pferdebesitzer werden noch einmal zusätzlich belastet: Betroffen sind Weidezauntechnik, Solarien, Ställe , aber vor allem auch Reithallen, in denen in der dunklen Jahreszeit das Licht von nachmittags bis spät abends brennt. Die Kosten müssen auf alle Einsteller umgelegt werden, da kommen viele an ihre Grenze. Zu all dem stiegen ab 1. Oktober die Gebührensätze der Tierärzte deutlich an. „Die Reitställe machen serienweise dicht“, weiß Teegen aus ihrer näheren und weiteren Umgebung. Gerade kleinere Betriebe bitten um Hilfe. Noch musste kein Pferdehalter auf Schwarzbrot umsteigen, aber aus Großbritannien wird berichtet, dass viele Pferdebesitzer sich bei den Tafeln das Essen besorgen. Noch hat bei den meisten das Wohlergehen ihres Pferdes oberste Priorität. Aber es gibt keine Garantie, dass das so bleibt.

Wer spenden möchte:

erste-pferdeklappe.de

Pferdeklappe e.V. / Notbox Schleswig-Holstein
Ruruper Str. 42
24392 Norderbrarup

Telefon: 04641 46 2934Axel Arigato Men's Bird Tape Sneakers in Cremino, women and kids • Hanbags and accessories | nike dunk release dates

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.