Ungerechte Richterurteile? Lasst doch Roboter ans Viereck!

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Gabriele Pochhammer über eine Dauerbrenner-Diskussion im Pferdesport und Blicke über den eigenen Tellerrand, die ganz neue Perspektiven eröffnen.

Jeder Dressurreiter weiß es: Das eigentliche Problem in seinem Sport ist nicht das Pferd, ist nicht er selbst, sondern der Richter. Ob in der A-Dressur oder im Grand Prix, es vergeht kaum eine Dressurprüfung, nach der nicht mindestens ein paar Reiter beleidigt sind, weil sie sich zu schlecht behandelt fühlen. Über zu hohe Noten hat sich natürlich noch keiner beschwert.

Nicht nachvollziehbare Richternoten sind das größte Problem des Dressursports. In den unteren Klassen demotiviert es die Reiter, auf die man in Zukunft bauen will, also vor allem junge Leute. Auf internationalem Niveau stellt es einen ganzen Sport infrage bis hin zur olympischen Präsenz. Denn wenn schon die Fachleute die Richternoten häufig nicht nachvollziehen können, dann stehen die Nicht-Experten, und das sind ja die meisten, erst recht vor einem Buch mit sieben Siegeln.

Und das ist genau, was das Internationale Olympische Committee (IOC) nicht will in Zeiten, in denen Sport vor allem Fun sein soll, spannend, aufregend, glitzernd, auf keinen Fall langweilig, mit schnellen einleuchtenden Resultaten. Da passt eine mühselige Diskussion, ob die Hinterhand wirklich gesenkt ist, ob ein Pferd schwungvoll geht oder nur verspannte Tritte zeigt, nicht mehr in die Landschaft.

Auf der Suche nach Lösungen

Man kann der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) nicht vorwerfen, dass sie das Richter-Dilemma auf die leichte Schulter nehme. Auch im diesjährigen FEI-Sportforum, das am Dienstag in Lausanne zu Ende ging, war die Verbesserung des Richtens eines der Hauptthemen. Der Vorsitzende der FEI-Dressurkommission Frank Kempermann gab einen Zwischenbericht der Gruppe „Dressage Judges Working Group“. Deren Untergruppe mit dem schönen Namen „Code of Points Pilot Study Advisory Group“ (COPPSAG) hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Richten nachvollziehbar und gleichmäßiger über einen längeren Zeitraum, also eine mehrstündige Prüfung oder auch von Turnier zu Turnier zu gestalten.

Bereits in den letzten Jahre wurden alle mögliche Versuche gestartet, das Dressurrichten verständlicher, transparenter und verlässlicher zu machen. Unter der Ägide der früheren FEI-Dressurchefin Mariette Withages wurde ein „Handbuch“ herausgegeben, in dem genau steht, für welche Fehler es welche Abzüge gibt, welche Leistungen mit welchen Noten zu bewerten sind. Kleines Problem: Nicht jeder Richter hat das Handbuch mit seinen tausend Details im Kopf und selbst, wenn er sich die Mühe machen würde, bis er nachgeschlagen hat, ist im Zweifelsfall der Reiter schon sieben Lektionen weiter. Er ist ohnehin schon bei der nächsten Lektion, wenn der Richter vielleicht noch über die Note der vorgehenden Lektion grübelt. Das mit dem Multi-Tasking ist ja nicht so einfach, wie wir wissen.

Dauerleistungen wirklich möglich?

Bei Championaten und anderen großen Events sitzen jetzt sieben Richter ums Viereck, zwei mehr als früher. Sie werden außerdem von außen beobachtet von den drei Mitgliedern des Supervisory Panels, die alle die Galoppwechsel und Piaffe-Tritte mitzählen, falls einer im Richterhäuschen gepennt hat. Oder noch unter seinem Jetlag leidet. Oder zu viel Kaffee getrunken hat.

Es gibt viele Gründe, warum Richter nicht so funktionieren, wie sie sollten. Das hat nun die Arbeitsgruppe COPPSAG herausgefunden, in der auch der britische Dressurreiter Richard Davison, immerhin „Ehrendoktor der Wissenschaft“ federführend war und seine Recherchen unter anderem an der Universität Nottingham jetzt in Lausanne vorstellte. Das größte Problem vieler Richter, neben fehlender Sachkenntnis (Nur noch altmodische FNs wie die deutsche verlangen von Richtern entsprechenden reiterlichen Leistungen), und möglicher Voreingenommenheit ist die gleichmäßige verlässliche Leistung des Richters das größte Problem. „Kann unser Gehirn dieselbe detaillierte Entscheidung wie in der ersten Stunde auch noch nach einer mehrstündigen Dressurprüfung treffen?“ fragt Davison.

Ein Vorschlag in der Diskussion

Er schlägt eine „Standardreferenz“ vor, genannt „Code of Points“, also genaue Vorgaben, wann eine Lektion wie bewertet werden soll. Klingt gut und wieder doch nicht. Der Richter hakt nur noch vorgegebene Situationen ab, seine persönliche Einschätzung spielt keine Rolle mehr. Denn es ist ja ein Riesenunterschied, ob in einer Piaffe drei Tritte fehlen oder der Hinterfuß zuckt, oder eine an sich gute Piaffe leicht nach vorne geritten wird.

Kein Handbuch und kein Code of Points kann alle Situationen erfassen und schon gar nicht die Gesamtqualität des Rittes. Die Streichung der Schlussnoten hatte ja auch den Grund, dass viele Richter mit der Bewertung der Kriterien Losgelassenheit, Schwung, Geraderichtung etc. überfordert waren. Geblieben ist die Note für den Reiter, die jetzt in eine für den Gesamteindruck umgewandelt werden soll. Alles in allem der untaugliche Versuch, mangelnde Integrität und Sachkenntnis durch schematische Vorgaben zu übertünchen.

Da sind doch die Turner viel weiter. Schon in Tokio 2020 werden Roboter teilweise das Richten übernehmen. Sie haben nur Vorteile: Sie sind weder voreingenommen, kennen keine Müdigkeit, entsprechende Handbücher sind auf ihrer Festplatte gespeichert und jederzeit abrufbar. Sie beurteilen den 40. Athleten so aufmerksam wie den ersten und verursachen natürlich viel weniger Reisekosten. Das wär’s doch, oder?

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Andreas Künnemann

    Auch in Dänemark müssen Dressurrichter reiterliche Erfolge nachweisen. Man muss konstatieren das die 7 Richter plus Supervisor keinen Fortschritt gebracht haben. Wie ein Berufskollege von mir und internationaler Trainer zu mir sagte:“ 3 Blinde werden niemals zu einem sehenden!“ Ich glaube das größte Problem ist das die meisten im Richterstand keine reiterliche Ausbildung haben und selber nie gefühlt haben wie es sein sollte. Solange wir an den Wochenenden von Richtern beurteilt werden die Montags bis Freitags nichts oder wenig mit Pferden zu tun haben gibt es keine Lösung des Problems. Das wird enden wie die lineare Beurteilung von Fohlen wo nur noch abgehakt wird weil keiner mehr ein Fohlen im Gesamtbild beurteilen kann.


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