Was macht einen Weltklassereiter aus? Gabriele Pochhammer hat sich umgehört

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Was macht aus einem guten Reiter einen Weltklassereiter, wollte Gabriele Pochhammer von verschiedenen Trainern der drei olympischen Disziplinen Springen, Dressur und Vielseitigkeit wissen, von Bundestrainern und anderen Top-Ausbildern.

Gute Reiter gibt es viele, sie alle verfügen über Talent, Gefühl, Reittechnik, eine gute Grundausbildung und die Fähigkeit, ihre Pferde selbst vernünftig auszubilden. Aber was ist dieses „gewisse Etwas“, der Genius, der die ganz Großen im Sport auszeichnet? Was sind die Voraussetzungen dafür, dass ein Reiter oft über Jahrzehnte zu den Besten gehört – das gibt es ja nur im Pferdesport, wenn man diesen mit anderen Sportarten mit relativ kurzer „Halbwertzeit“ der Akteure vergleicht, wie etwa Schwimmen oder Turnen, wo schon der 30. Geburtstag so etwas wie den Einstieg ins Rentenalter oder den Trainerjob bedeutet. Da nimmt so manche internationale Reiterkarriere erst Fahrt auf, weil endlich das richtige Pferd den Stall betreten hat, weil der Reiter jetzt erst seine Erfahrungen verwerten kann, die er im Laufe der Jahre gesammelt hat.

Einigkeit bei allen Unterschieden

Die Antworten der befragten Trainer waren in vielen Punkten unterschiedlich, auch je nach Disziplin. Jeder setzte den Schwerpunkt etwas anders. Aber in einem Punkt waren sich alle verblüffend einig, unabhängig von einander: Der Wille zur Selbstkritik ist entscheidend. Der Wille, sich selbst zu hinterfragen, immer wieder darüber nachzudenken, ob man alles richtig macht, ob es nicht noch einen anderen Weg gibt, wenn der eine in eine Sackgasse führt.

Man müsse sich ganz auf sein Pferd einlassen, sagt Dressurbundestrainerin Monica Theodorescu. Das hat was mit Hingabe zu tun, auch ein bisschen mit Versessenheit. Damit, dass man wissen will, wie es dem Pferd geht, alles, wirklich alles für das Wohlergehen des Pferdes tut, sich nicht nur in den Sattel schwingt und losreitet.

Den Anteil von Talent und Fleiß wertet Reitmeister Karsten Huck mit 40 zu 60 Prozent, eines geht nicht ohne das andere, um Spitzenleistungen zu erzielen. Und er verwendet ein Wort, das ein bisschen aus der Mode gekommen ist, den „tadellosen Charakter“. Er erzählt Beispiele von Schülern, die eigentlich hochbegabt waren, denen aber ihre Unbeherrschtheit und Ungeduld im Wege standen, die ihre Emotionen an ihrem Pferd ausließen und deswegen nie zu den wirklich Guten gehörten.

Huck nennt auch den Begriff des „Weltklassejockeys“, der jedes Pferd genial durch den Parcours steuert, aber nicht in der Lage ist, es vernünftig auszubilden. Solche Pferde sind dann oft wieder schnell weg vom Fenster, meist weil sie verletzt oder verbraucht sind.

Der Kopf ist entscheidend

Das Fazit meiner Gespräche: Am Ende spielt sich der Weltklasse-Erfolg im Kopf ab. Wer nachdenken kann, ist klar im Vorteil. Springreiter-Bundestrainer Otto Becker spricht vom richtigen Management. Darunter versteht er, den Einsatz der Pferde auf Turnieren richtig zu planen – der eine geht vielleicht besser in der Halle, der andere auf Gras, der dritte auf Sand – Pausen einzukalkulieren, Sichtungen für Großereignisse wie Championate sorgfältig vorzubereiten.

Dazu gehört auch, ein sachkundiges und loyales Team aus Pflegern, Schmied, Tierarzt zu motivieren. Abgesehen von allen anderen Dingen, die der Reiter, der ja immer auch die für das Pferd „Verantwortliche Person“ ist, im Auge behalten muss.

Und nicht zuletzt die Fähigkeit, die richtigen Pferde zu finden, die zu ihm, dem Reiter passen. Diese Fähigkeit ist bei manchen ausgeprägter als bei anderen, bei einigen auch sehr guten Reitern gar nicht, und das ist dann schon ein echter Wettbewerbsnachteil.

Die ganz Großen zeichnet nach Ansicht des früheren Vielseitigkeitsbundestrainers Martin Plewa aus, dass sie nicht nur mit einem oder zwei Pferden, sondern mehren Pferden auch ganz verschiedenen Typs zu Erfolgen reiten. Und dass sie niemals glauben, sie könnten und wüssten schon alles, sondern alles aufsaugen was sie weiterbringen und noch besser machen kann. „Man lernt nie aus“, sagt Otto Becker. Das ist beim Reiten keine Floskel, sondern Tatsache.

Als der frühere Dressurbundestrainer und Xenophon-Mitbegründer Klaus Balkenhol im Stall mal fragte, was einen Weltklassereiter ausmache, bekam er zu hören: „Einer, der viel Geld hat und sich ein gutes Pferd kaufen kann.“ Wenn das der alte Xenophon hören könnte, die erste Ikone klassischen Reitens. Das kann’s nicht sein und das ist es auch nicht.

Lesen Sie in der St.GEORG-Februar-Ausgabe, was die von uns befragten Top-Trainer zu dem Thema zu sagen haben: Was macht aus einem guten Reiter einen Weltklassereiter?

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.