Helgstrand-Dokumentation: Reiter auf Distanz, Dänisches Warmblut macht weiter

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Andreas Helgstrand (© von Korff)

Im Nachgang auf den ersten Teil der Helgstrand-Dokumentation, der am Mittwoch beim dänischen Fernsehsender TV2 ausgespielt wurde, gibt es einige Reaktionen aus der Reitsport-Welt. Die meisten distanzieren sich, aber ein Verband agiert eher zögerlich in Sachen Sanktionen.

Die dänische Dressurreiterin Nathalie zu Say-Wittgenstein, u.a. 2021 Nationaltrainerin der dänischen Dressurequipe bei den Olympischen Spielen in Tokio, hat auf den Sozialen Medien ein Statement veröffentlicht. Darin sagt die Reiterin, deren Mutter Prinzessin Benedikte eine Schwester der dänischen Königin Margrete und sehr engagiert in Pferdezucht und -sport ist, dass alle Reiterinnen und Reiter Verantwortung übernehmen müssen. Sie sei angewidert vom Umgang mit Tieren und Menschen, den die Bilder der Helgstrand-Dokumentation der Sendung Operation X zeigten.

Hier der Text im Original: „We must take RESPONSIBILITY. Like many, I also watched OperationX yesterday. I am upset and saddened, distancing myself from the behavior towards animals and humans. But we all have a responsibility to look inward. This must never happen again, and we must take this seriously. Horses are amazing creatures that, with their nature, allow us to ride on their backs. Therefore, we also have the responsibility to protect their trust in us. We must become skilled at understanding how the horse’s body works and how to communicate with the horse on its terms! Violence or similar must never be used to force the horse into something it doesn’t understand or to diminish its worth. We have a responsibility.“

Dänischer Warmblutzuchtverband macht weiter

Während viele Spitzenreiter sich auf Social Media von dem Gesehenen – aber nicht immer von Andreas Helgstrand generell – distanzieren, folgt der dänische Warmblutzuchtverband nicht dem Beispiel des Reiterverbandes im Königreich. Der Dansk Rideforbund hatte zumindest eine temporäre Sperre ausgesprochen.

Keine Sperre trotz Helgstrand-Dokumentation

Dansk Varmblod vermeidet in einer Mitteilung auf seiner Webseite jedwede Sanktionen gegen Helgstrand Dressage oder die Person Andreas Helgstrand in Aussicht zu stellen. Der Name des Pferdehändlers wird überhaupt nicht erwähnt, das Unternehmen zweimal.

Es werden Allgemeinplätze notiert, man wende sich „entschieden gegen harte Trainingsmethoden“ und verurteile „auf das Schärfste die Art der Ausbildung von Pferden, die in den beiden Operation X-Sendungen über Helgstrand Dressage dokumentiert wurde“. Vielmehr setze sich Dansk Varmblod „ für ein korrektes und respektvolles Reiten und Vorführen“ der Pferde auf seinen Veranstaltungen ein. „Das Wohlergehen des Pferdes steht beim Dänischen Warmblut im Mittelpunkt“. Man habe sich das Ziel gesetzt, in der Zuchtausrichtung bis 2030 „den Fokus verstärkt auf die Rittigkeit und die altersgerechte Präsentation der Pferde auf Turnieren“ zu legen. Bei Springpferde sei diesbezüglich ein Anfang gemacht. Altersgerechtes Reiten sei auch im Dressurbereich gewünscht, so sei neuerdings verpflichtend ein „technischer Delegierter auf dem Abreiteplatz anwesend“.

Was die Helgstrand-Dokumentation anbelangt, werde man „diesen Fall natürlich aufmerksam verfolgen“. Man begrüße die von Helgstrand Dressage nach der Veröffentlichung getätigte Aussage, wonach „Trainingsmethoden und die Kultur vor Ort zu ändern“ beabsichtigt sei.

Unterzeichnet hat das Statement Jan Pedersen, der Präsident des Dänischen Warmbluts, der selbst einmal in einen mutmaßlichen Betrugsfall im Zusammenhang mit einem Pferdehandel verwickelt war. Der Präsident, der auch Vorsitzender der Welt-Sportperdezuchtverbandsvereinigung (WBFSH) ist, hatte Anteile eines von ihm gezüchteten Pferdes an Helgstrand verkauft. Beim Verkauf des Pferdes war es zu Ungereimtheiten gekommen. Das ist nicht der einzige Fall, in dem es wegen des Geschäftsgebarens von Helgstrand zu Differenzen mit dem Dänischen Warmblut gekommen war.

Cathrine Laudrup-Dufour

Als eine der ersten hatte sich die dänische Vize-Weltmeisterin Cathrine Laudrup-Dufour auf Instagram zu Wort gemeldet. Sie hatte vereinzelt Pferde aus dem Besitz von Helgstrand bei sich im Stall zum Training, war in Verkäufe aber, wie sie in der Homestory im St.GEORG 8/2022 betonte, nie involviert. In ihrer Instagram-Story schreibt sie (aus dem Dänischen übersetzt):

„Ich habe beide Folgen von Operation X gesehen, die bei Helgstrand Dressage aufgezeichnet wurden, und distanziere mich natürlich von dem, was ich in beiden Sendungen sehe und höre. Es ist extrem hartes und schlechtes Reiten, das gezeigt wird, und ich denke, es hat uns alle berührt.

Ich habe eine große Verantwortung gegenüber meinen Pferden und muss auf mich achten und mich geschickt verhalten, damit ich nicht in solche Situationen gerate.

Es ist kein Geheimnis, dass ich vor 2 Jahren mit Helgstrand zusammengearbeitet habe, wo ich Pferde bei mir im Training hatte und mich um die Ausbildung dieser Pferde gekümmert habe. Eine Zusammenarbeit, mit der ich zufrieden war, aber ich war nicht in das Tagesgeschäft von HD eingebunden.

Dennoch sollten wir alle über unser tägliches Training nachdenken, sowohl für den Alltag als auch für den Wettkampf. Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren geliebten Pferden, und trotzdem machen wir alle Fehler, auch ich! Aber hier müssen wir Verantwortung übernehmen, darüber nachdenken und dafür sorgen, dass es nicht wieder vorkommt.

Helfen wir uns gegenseitig, unsere Pferde besser zu trainieren, zu behandeln und zu pflegen, damit wir gemeinsam unseren geliebten Sport pflegen können.

Unsere Pferde sind unser Ein und Alles, also müssen wir uns mit allem, was wir haben, um sie kümmern.“

Carina Cassøe Krüth

Mit Carina Cassøe Krüth meldet sich eine weitere dänische Championatsreiterin zur Helgstrand-Dokumentation zu Wort. Gemeinsam mit Andreas Helgstrand und dem dänischen Dressurteam gewann sie noch im September die Bronzemedaille bei den Europameisterschaften in Riesenbeck. Darüber hinaus trainiert sie bei Andreas Helgstrand.

So äußert sie sich in ihrer Instagram-Story (aus dem Dänischen übersetzt):

„Ich habe beide Folgen des Dokumentarfilms von Operation-X gesehen, der bei Helgstrand Dressage aufgezeichnet wurde, und ich distanziere mich natürlich von dem, was ich in den beiden Sendungen sehe und höre.

Wir sehen eine extrem grobe Reitweise, eine Reitweise, die eine Demontage und keine Weiterentwicklung des Pferdes ist.

Diese Art des primitiven Reitens hat in der Pferdewelt nichts zu suchen und schon gar nicht in einem professionellen Ausbildungsstall, wo man es besser wissen sollte.

Eine gute Grundausbildung des Pferdes, die sich an der Ausbildungsskala orientiert, ist ein langer und langsamer Prozess. Es ist auch ein Prozess, der Professionalität und eine gute Grundausbildung des Reiters voraussetzt. Ist dies nicht der Fall, riskiert man, die Ausbildung des Pferdes zu schädigen und sein Wohlbefinden zu beeinträchtigen.

Es ist kein Geheimnis, und die meisten Leute wissen wahrscheinlich, dass ich mit Andreas Helgstrand und seit kurzem auch mit dem Reiter Thomas Sigtenbjerggaard bei Helgstrand Dressage trainiert habe. Das ist eine Zusammenarbeit, die ich sehr schätze. Ich habe persönlich noch nicht die Art von Reiten bei Helgstrand Dressage gesehen, die die beiden Programme, hauptsächlich von Helgstrand Academi, zeigen. Es besteht definitiv die Notwendigkeit eines kulturellen Wandels und einer Korrektur der Art und Weise, wie wir die Ausbildung und das Training von Pferden im Allgemeinen betrachten.

Wenn dies alles geschrieben ist, sollten alle Reiter darüber nachdenken, wie wir täglich reiten und trainieren. Wir sind alle Menschen und können Fehler machen, und ich mache selbst Fehler. Das Wichtigste ist, dass wir innehalten, wenn es passiert, und darüber nachdenken, warum es passiert ist und wie wir weitermachen können.“

Ex-Helgstrand Reiterin Emma Ahlberg

Die Schwedin hat früher längere Zeit für Andreas Helgstrand geritten, unter anderem den späteren Weltmeister Junger Dressurpferde Sezuan. Sie hat dem schwedischen Portal tidningenridsport ein Interview gegeben. Darin sagt sie, zu ihrer Zeit, als Helgstrand Dressage weniger groß war, sei dort anders geritten worden. „Heute ist es eher eine Fabrik, und das ist kein Geheimnis“. Pferde müssten für den Markt produziert werden. Das, was sie bei TZV2 gesehen habe, überschreite klar die Grenzen. „Die Reitkunst ist völlig verloren gegangen – sie ist verschwunden und in der Lust, Geschäfte zu machen, ertrunken. Was wir in der Dokumentation sehen, ist kein Dressurreiten, niemand ,trainiert‘ oder übt irgendetwas.“

Nach möglichen Konsequenten nach Veröffentlichung von Teil eins der Helgstrand-Dokumentationbefragt, sagt die ehemalige Angestellte von Helgstrand Dressage: „Ich hoffe auf Einsicht. Ich glaube, erst gestern, als der Dokumentarfilm veröffentlicht wurde, wurde ihnen selbst das Ausmaß des Problems bewusst. Ich habe mich gefragt, wie sie heute dort zur Arbeit gehen – gehen sie dort hin und trainieren auf die gleiche Weise? Haben sie bei allen Pferden das richtige Maß und trainieren sie auf die gleiche Art und Weise? Ich hoffe, dass sie die Pferde auf die Koppel lassen und dann den Rest des Tages auf einem Stuhl sitzen und nachdenken.“

Wer noch nichts zur Helgstrand-Dokumentation gesagt hat

Weder der Finanzinvestor Waterland, der Anteile an Helgstrand Dressage hält, noch der Weltreiterverband (FEI) hat bislang Stellung zu den Vorkommnissen bezogen. Helgstrand Dressage war u.a. bei der Weltmeisterschaft in Herning 2022 einer der Sponosren.

Beide Instituti0nen haben wir um eine Einschätzung der in der Helgstrand-Dokumentation gesehenen Bilder gebeten. Bislang hat noch niemand darauf reagiert.

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Tina GummarVolontärin

Als Volontärin seit März 2023 in der Redaktion St.GEORG dabei. Kommt aus einer Pferdefamilie, hat die Fohlen ihres Großvaters aufwachsen gesehen, sie angeritten, ausgebildet, auf Turnieren vorgestellt und verkauft. Erfolgreich in Springprüfungen Klasse M2*. Ausbildungsmodul an der Akademie für Publizistik, Expertise in Jungpferdeausbildung und Trainingslehre.

  1. Julia K

    Das ist doch Heuchelei, mir kann keiner erzählen, dass nicht bekannt war, wie dort Pferde trainiert werden, nur solange man keine sichtbaren Beweise hat, kann man sich im Erfolg von Helgstrand sonnen, jetzt tut man betroffen…

  2. Gärtnerin

    Puh. Noch mehr Heuchelei. Alle Championatsreiter, die hier zitiert werden, geben zu, auch mal ‚Fehler‘ gemacht zu haben. Damit stellen sie das, was in den Videos zu sehen ist, auf dieselbe Stufe wie einen ‚Fehler‘. Das ist systematischer Missbrauch von Pferden. Kein ‚Fehler‘. Aber damit sieht man, wie die Profis denken und dann kann man sich seinen Teil denken, wie dort Pferde ausgebildet werden.

  3. Carla W

    Sehe ich genauso. Den letzten Satz finde ich sehr aussagekräftig und nicht weniger traurig. Man darf gespannt sein, welche Sanktionen da folgen. Wobei, Helgstrand hat doch tolle neue Regeln aufgestellt und versprochen dass es nie wieder vorkommt. da kann man doch schon fast „Schwamm drüber“ sagen, oder!?

  4. Btsvlerin

    Ich denke du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Bin da genau deiner Meinung. Läuft ja immer so. Egal in welchem Sport.
    Wir gewinnen zusammen, aber verlieren kannst du alleine. 😉

  5. Stefanie

    Solange spektakuläre Spannungsritte weiter höchst benotet werden, solange wird es weiter „Helgstrands“ geben. Der Fisch stinkt vom Kopf. 😉


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