Nationenpreis Aachen: Schweiz siegt vor Briten und Belgiern, Deutsche enttäuschte Fünfte

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Springen, CSIO5* – Mannschafts-Springprüfung mit zwei Umläufen unter FlutlichtNation Cup , FEI Art. 264.7 / Hindernishöhe: 1m60

Martin Fuchs und Commissar Pezi im ersten Umlauf des Mercedes Benz Nationenpreises beim CHIO Aachen 2023. (© Ludwiga von Korff)

Nach mehr als 20 Jahren konnten die Schweizer den Nationenpreis in Aachen gewinnen. Mit hauchdünnem Vorsprung landeten die Briten auf Platz zwei vor den Belgiern. Deutschland hatte das Glück nicht auf seiner Seite. Das Team von Otto Becker wurde Fünfter.

„Wir haben es versucht, aber es hat nicht geklappt“, sagte Bundestrainer Otto Becker nach dem Nationenpreis, in dem die Deutschen vier Gastmannschaften den Vortritt und mit einem enttäuschenden fünften Platz vorliebnehmen mussten. „Natürlich sind wir enttäuscht.“

Das Schweizer Team war an diesem Abend in der Soers die überragende Mannschaft. Nachdem Schlussreiter Martin Fuchs auf dem zehnjährigen Hannoveraner Commisssar Pezi v. Commissario auch den zweiten Umlauf ohne Fehler hinter sich gebracht hatte, war den Eidgenossen mit nur vier Fehlerpunkten der Sieg nicht mehr zu nehmen. Ein Abwurf hätte ein Stechen mit Briten, Belgiern und US-Reitern bedeutet, die mit je acht Punkten auf Platz zwei, drei und vier abschlossen. Bei gleicher Fehlerzahl gab die bessere Zeit, addiert aus den besten drei Ritten des zweiten Umlaufs, den Ausschlag. Im konkreten Fall waren es gerade 13 Hundertstel Sekunden, die die drei besten Briten schneller waren als das belgische Top-Trio.

Ludwiga von Korff

Doppelnull für Steve Guerdat und Venard de Cerisy im Nationenpreis. Hier zu sehen im ersten Umlauf. (© Ludwiga von Korff)

Schweizer im Glück

Der Druck auf Martin Fuchs war groß. Da Nikolaus Schurtenberger auf C-Steffra v. Clarimo mit insgesamt 27 Fehlern quasi ausgefallen war, durfte er sich keinen Patzer mehr erlauben. Er und sein Teamkollege Steve Guerdat auf dem 14-jährigen Venard de Cerisy  v. Open up Semilly (SF)  zählten zu den sieben Doppelnullern in diesem Nationenpreis. Die anderen gelangen den beiden Briten Ben Maher auf der zehnjährigen Selle Français-Stute Dallas Vegas Batilly v. Cap Kennedy und Scott Brash auf dem belgischen Wallach Hallo Jeffersen v.  Cooper van de Heffinck, sowie dem Belgier Nicola Philippaerts auf Katanga v/H Dingeshof (BWP) v. Cardento, dem US-Reiter McLain Ward auf der 15-jährigen Holsteiner Stute Callas v. Casall und als Überraschung die junge Französin Megane Moissonnier, ebenfalls auf einem Holsteiner Casall-Nachkommen beritten, dem 13-jährigen Hengst Cordial.

21 Jahre ist es her, dass das letzte Mal eine Schweizer Equipe in Aachen die Ehrenrunde angeführt hat. Damals ritt unter anderem Markus Fuchs in der Soers. Diesmal sorgte sein Neffe Martin für den Sieg der Eidgenossen.

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Martin Fuchs und Commissar Pezi im 1. Umlauf des Mercedes Benz Nationenpreises. (© Ludwiga von Korff)

Steve Guerdats Bilanz des Abends: „Der Kurs war schwer, wie immer in Aachen, nicht die höchsten technischen Anforderungen mit zwölf Hindernissen in dem großen Stadion, aber immer viel zu springen.“ Was selbst die hartgesottenen Profis wie die Freunde Martin Fuchs und Steve Guerdat bewegte: das Publikum. Volle Ränge schon beim ersten Umlauf. „Der coolste Nationenpreis“, laut Martin Fuchs. „Und eine wunderschöne Nacht für unseren Sport“.

Deutschland ohne Doppelnuller

Für das deutsche Quartett lief es suboptimal. Zwar gab es keinen Totalausfall, aber nur drei Nuller bei insgesamt acht Ritten reichten nicht für einen besseren als Platz fünf. Auftaktreiterin Jana Wargers auf ihrem WM-Pferd, dem 14-jährigen Holsteiner Limbridge  v. Limbus mit einer bis dahin makellosen Runde nahm den letzten Sprung mit, einen luftigen Steilsprung nach der 2,30 Meter breiten und 1,63 Meter hohen Triplebarre. Das passierte ihr im zweiten Umlauf nicht mehr. „Ich habe meine Taktik in der letzten Linie geändert“, sagte sie, „nicht sieben, sondern acht Galoppsprünge gemacht,  das Pferd noch einmal aufgenommen.“

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Jana Wargers und Limbridge im 1. Umlauf des Mercedes Benz Nationenpreises beim CHIO Aachen. (© Ludwiga von Korff)

Hans Dieter Dreher lieferte auf dem elfjährigen Holsteiner Elysium v. Zirocco Blue bei seiner Premiere im Aachenern Nationenpreis zunächst eine souveräne Nullrunde. Im zweiten Umlauf verfehlte der Schimmel um wenige Zentimeter die hintere Linie des Wassergrabens, der auf leicht gebogener Linie der originell bemalten Mauer folgte. Ein unfreundlicher Hingucker, an dem Mario Stevens, der andere Neuling in Otto Beckers Team, auf dem zehnjährigen Stakkato Gold-Sohn Starissa einen Fehler im ersten Umlauf bekam. „Da war ich ein bisschen dicht dran“.

Stevens stürzt auf Abreiteplatz

Pech hatte Stevens vor dem zweiten Umlauf: Der Hannoveraner Starissa stürzte bei einem kleinen Probesprung auf dem Abreiteplatz. Der Start wurde um ein Pferd verschoben. Starissa war nichts passiert, sein Reiter war lediglich ein paar Knöpfe am roten Rock losgeworden. Aber Tierarzt und Bahnarzt mussten beide Athleten untersuchen. „Das sind die Regeln, das muss man dann ausblenden und weiter…“

Anschließend legten beide wieder eine sehr ordentliche Runde hin, patzten lediglich am grün-gelben Rolex-Sprung mit den ganz flachen Auflagen, der auf fünf knappe Galoppsprünge auf die Dreifache Kombination folgte, eine weitere Klippe, die zahlreiche Opfer forderte.

Routinier Marcus Ehning auf dem zwölfjährigen Oldenburger Hengst Stargold v. Stakkato Gold nahm hier im ersten Umlauf die Stange am mittleren Sprung mit, außerdem das letzte Hindernis. Die enttäuschend Acht-Fehlerrunde machte er im zweiten Umlauf durch eine Nullrunde wieder wett.

Bundestrainer Otto Becker musste einmal mehr erläutern, warum gut nicht gut genug war. „Wir hatten uns was vorgenommen, ich denke, wir hatten ein gutes Team, die auch alle in guter Form waren. Wir haben keine schlechte Runde gesehen aber trotzdem zu wenig Nullfehlerritte. Und am Ende ist das einfach beim Springen so, die können alle reiten. Das ist eng zusammen, damit tut jeder Fehler doppelt weh und am Ende hat es dann nur zum fünften Platz gereicht.“

Parcourschef Frank Rothenberger war wieder ein Parcours gelungen, der durch raffinierte Aufgaben die Spreu vom Weizen sortierte. Schien anfangs alles ein bisschen einfach, als sich die Nullrunden häuften, so gab es am Ende genügend Fehler, verteilt über den ganzen Kurs mit Schwerpunkt auf die letzten der zwölf Sprünge.

Zwei Pferde stürzten, blieben aber unverletzt. Eine für einen Nationenpreis eher seltene Situation. Besonders bitter erwischte es den Franzosen Marc Dilasser, dessen Arioto du Gevres den Kopf in den letzten Sprung steckte. Der gute Stern auf deutschen Straßen war für diese Kombination an diesem Abend kein gutes Omen.

Die einfachste Rechnung machte der Brite Harry Charles auf: „Letztes Jahr waren wir Dritte, dieses Jahr Zweite, nächstes Jahr dann …“

Die Ergebnisse der Teams im Nationenpreis finden Sie hier.

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.