Blog aus Backstage-Bereich – Aachen mal ganz anders

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Keinen CHIO, stattdessen „Aachen International Jumping“, die Corona-Version des Weltfestes des Pferdesports geriet notgedrungen zu einer Art Familienfeier – natürlich im Zeichen der Masken und vor allem, um zu zeigen: „Hallo, uns gibt’s noch.“

Wer am letzten Wochenende in die Allee zum Aachener Stadion einbog, kam nicht sofort auf die Idee, dass hier ein Turnier stattfindet. Das fing schon mit dem Parken an. Wir Journalisten durften auf Areal A parken, ziemlich weit vorne, ein heiliges Quadrat, sonst den wichtigen Menschen, den so genannten VIPs, vorbehalten. Platz war satt, die Ordner ziemlich entspannt. Ihre Hauptsorge war es, dass die Menschen nicht so kreuz und quer parken, dass am Ende keiner mehr rauskommt. Man war versucht zu denken, die Corona-Pandemie hat doch auch ihre guten Seiten. Aber das verwarf man natürlich schnell wieder.

Kein Fahnengeknatter, keine Menschenmassen, die erwartungsvoll in die Soers strömten, kein Hermès-Stand mit unerschwinglichen Carrés und Armreifen, keine Reiterbar, wo sich alles trifft und an der seit gefühlten 50 Jahren ein Kollege aus dem Süddeutschen Raum immer am demselben Platz sitzt und bei einem Bier auf Opfer für seine journalistische Recherche lauert.

Der „heilige Rasen“ der Soers, sonst meist am Ende der Woche schon von den Hufspuren der vergangenen Tage gezeichnet, prangte in makellosem Grün. Vor dem Eingang zur Dressurarena standen zwei Ordner und baten um Anlegen des Mund-Nasenschutzes. Man ging vorbei an der Asphaltfläche, auf der sonst der zweistöckige VIP-Palast aufgebaut ist.

Die Pressestelle war zum Glück immer noch am selben Ort, ausgestattet mit Einzeltischen, alle mit dem Corona-tauglichen Abstand. 40 statt sonst einiger hundert Journalisten hatten eine Akkreditierung bekommen, mehr als zehn waren selten da, die auf ihre Laptops einhämmerten. Der Boden prangte im Glanze eines neuen Teppichbelags, in blau-beige-psychedelischem Muster. „Den hatten wir schon vor Corona geplant“, sagt Pressechef Niels Knippertz.

In der Juniwoche, in der eigentlich der „Concours Hippique International Officiel“ (CHIO) hätte stattfinden sollen – wegen Olympia früher als sonst – da sei die Stimmung schon sehr gedrückt gewesen, erzählt Knippertz. Vor allem am Dienstag, an dem in besseren Jahren die Eröffnungsfeier mit ihrem rasante Showprogramm steigt und der Media Night, bei der sich die Reiterszene, allerlei Promis und Tout Aachen am Dreisterne-Buffet trifft.

Devise: Das Beste aus der Situation machen

Aber es half ja nichts, der Blick muss nach vorne gehen. Die Aachener ließen sich was einfallen. Anfang August gab es ein virtuelles CHIO. Das „O“ stand diesmal nicht für „Offiziell“ sondern für „Online“. Jeden Tag war etwas los, ein Potpourri aus historischen Rückblenden, etwa aus der Zeit, als bei den Vierspännern der Marathon noch aus einer Fahrt von Düsseldorf nach Aachen bestand, schlappe 70 Kilometer, dazu Vor-Ort-Interviews Interviews mit Promis wie Ludger Beerbaum, den Bundestrainern Otto Becker und Monica Theodorescu oder dem brasilianischen Evergreen Nelson Pessoa, der sich noch gut daran erinnerte, als die Soers mehr oder weniger „a big farm“ war.

Es gab virtuelle „Challenges“ in Dressur, Springen und Voltigieren, also Fern-Wettbewerbe, jeweils in der Reitanlage zuhause mit prominenter Beteiligung, in der Dressur unter anderem von Fabienne Müller-Lütkemeier, Jessica von Bredow-Werndl und Isabell Werth.

Am virtuellen Stilspringen nahm auch Ludger Beerbaum teil. Bestnoten von den Mitstreitern und dem Publikum bekam übrigens Buschprofi Sandra Auffarth, „die kompletteste Reiterin von uns“, lobte Beerbaum.

Schließlich gab es auch einen digitalen „Abschied der Nationen“, der traditionelle Abschluss des CHIO, bei dem Reiter und Zuschauer uzu den Klängen von „Muss i denn zum ‚Städele hinaus“ mit weißen Taschentüchern winken, Corona-konform von zuhause diesmal. Jeder konnte seinen persönlichen Abschied digital schicken, und spätestens beim Ansehen des Filmchens (auf chioaachen.de) bleibt kein Auge trocken.

Springen im Dressurstadion

Jetzt waren alle wieder da, man musste immer zweimal hingucken, um den Menschen unter den Masken zu erkennen, mit weniger Geld (knapp 200.000 Euro insgesamt) und nicht im großen Stadion, sondern im einfacher zu bewirtschaftenden Dressurstadion. Die Reiter genossen den Applaus der 300 Zuschauer, alles Mitglieder des gastgebenden Aachen-Laurensberger Rennvereins (ALRV), die Fotografen mühten sich redlich, so etwas wie Zuschauerkulisse aufs Foto zu zaubern.

Vielleicht ist es Berufsoptimismus, aber Sportchef Frank Kemperman ist zuversichtlich, dass es im nächsten Jahr einen halbwegs normalen CHIO geben wird. Lediglich 16 Prozent der Eintrittsgelder aus dem Vorverkauf hätten zurückgezahlt werden müssen, sagte er. Einige Zuschauer hätten das Geld gespendet, aber „80 Prozent haben durchgebucht für den CHIO 2021“. Das würde bedeuten, dass sich an den Haupttagen wieder 43.000 Zuschauer durch die Soers schieben dürfen. Der Glaube versetzt bekanntlich Berge, vielleicht kann er ja auch so einen blöden Virus einfach mal in Luft auflösen.

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Annette Siegel

    Liebe Frau Pochhammer, ich darf Sie korrigieren, die Zuschauer waren nicht alle Mitglieder des ALRV. Ab dem 24.08. war ein Kartenkontingent im freien Verkauf zu haben, wer aufgepasst hat, konnte Karten kaufen auch als Nichtmitglied.

    Ich habe zwei Karten gekauft und war am Samstag mit meiner Schwester vor Ort. Und ich muss sagen, klar, es war kein normaler CHIO, aber es war toll, dort zu sein in diesen Coronazeiten, toll, endlich wieder grandiosen Reitsport zu sehen. Mein Dank gebührt dem Veranstalter, der so viele Mühen auf sich genommen hat, ein Hygienekonzept zu erarbeiten und dadurch zumindest den 300 erlaubten Zuschauern zu ermöglichen, vor Ort zu sein.

    Leider sind die meisten oder alle anderen großen Veranstalter nicht dazu in der Lage. Gerne wäre ich auch nach Balve oder nach Riesenbeck gefahren, aber diese Veranstalter wollen anscheinend nicht einmal über ein Hygienekonzept nachdenken. Das Gefühl habe ich jedenfalls.

    Nur, was ist, wenn wir nächsten Sommer immer noch an diesem Punkt sind, keinen Impfstoff haben und immer noch Beschränkungen? Wird es dann wieder nur exklusive Reiter-Stelldicheins ohne Zuschauer geben?

    Aachen hat jedenfalls durch sein Konzept Erfahrungen gesammelt, wie es mit Zuschauern auch in Coronazeiten gehen kann, das Konzept war gut, und alle haben super mitgemacht. Aber Aachen ist ja auch Aachen, nicht umsonst das tollste Turnier der Welt 🙂 Herzliche Grüße, Annette Siegel


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