Blog aus Rotterdam: Was man so sieht am Dressurabreiteplatz

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Jessica von Bredow-Werndl und Dalera beim Abreiten in Rotterdam 2019. (© Pauline von Hardenberg)

Gabriele Pochhammer hat sich während der ersten Einzelentscheidung der Dressurreiter bei den Europameisterschaften in Rotterdam vor allem hinter den Kulissen umgeschaut.

Während des Grand Prix Special habe ich mir die ersten Reiter und Pferde auf dem Abreiteplatz angesehen. Er liegt idyllisch mitten im Wald. Eine ganz ruhige Stimmung herrschte dort. Das liegt auch daran, dass die meisten Reiter einen Knopf im Ohr haben, um mit ihren Trainern zu kommunizieren. Da ruft keiner mehr vom Rand Korrekturen ins Viereck oder zischt dem Reiter die letzten Instruktionen zu, wenn er vorbeitrabt.

Ich bewundere ja die Seelenruhe, die die Reiter an den Tag legen, wenn sie längst zum ersten Mal aufgerufen sind. Dann muss ja noch alles runter, Knopf aus Ohr, Gerte weg, Bandagen ab.  Das dauert nur Sekunden, wenn auf einmal vier Leute auftauchen und sich jeder ein Pferdebein vornimmt.

Jedem das seine …

Es ist ja immer wieder interessant, wie es jeder anders angehen lässt, sein Pferd für den großen Auftritt vorzubereiten. Die 22-jährige Britin Charlotte Fry zum Beispiel, Europameisterin der U25-Reiter, ließ ihren Rappen Dark Legend nochmal und nochmal piaffieren und passagieren, nochmal Einer- und Zweierwechsel springen, noch mehr Pirouetten drehen, leider alles immer gleich eng im Hals.

Anders der Spanier Claudio Castilla Ruiz mit seinem stämmigen Lusitano-Fuchshengst Alcaide. Übrigens sind hier einige iberische Pferde am Start, die gefallen – immer noch mit der typischen Mechanik, aber bedeutender und großrahmiger als die kugelrunden Wühlmäuse früherer Jahre. Also Alcaide darf lange Schritt gehen, sich umschauen, dann wird angetrabt, so wie jeder ordentliche Reiter sein Pferde abtrabt: Leichttraben, das Pferd in weitem Rahmen,  die Nase vor. Dasselbe im Galopp. Und dann nimmt der Reiter allmählich das Pferd auf, die Tritt werden kürzer und lebhafter. Der Fuchs kann auch starken Trab, die Vorderbeine fliegen, die Hinterhand kommt energisch mit. Und auf einmal ohne sichtbare Einwirkung quasi nur mit dem Kreuz hat der  Reiter ein hoch versammeltes Pferd vor sich. Jetzt muss er aufpassen, dass er seinen eifrigen Partner nicht überdreht. Der will ja! Im Viereck habe ich ihn nicht gesehen, da war er wohl auch richtig „an“, aber nach Meinung meiner liebsten Expertinnen wurde er ein bisschen streng benotet. 74,407 Prozent, das reicht gerade noch zum Einzug in die Kür.

Ganz ruhig lässt Jessica von Bredow-Werndl die Sache angehen. Wenn Dalera im Schritt am langen Zügel daherkommt, ist sie ja keine Bettschönheit, ein bisschen lang, der Hals ein bisschen dünn. Aber wenn sie sich in Bewegung setzt, wird ein anderes Pferd draus. Alle Lektionen werden kurz angetestet, mehr nicht. „Ich will sie auf keinen Fall müde machen,“ sagt Jessica. „Ich reite viel Schritt, damit sie Kraft hat, aber weiß, was kommt.“ Dem Pferd irgendwas beibringen, was noch nicht sitzt, kann man sowieso nicht. „Das war schon in der Schule so, was man am Morgen vor der Klausur nicht kann, das lernt man dann auch nicht mehr.“

Der Meister mahnt …

Interessierter Zuschauer ist übrigens Harry Boldt, Mannschaftsolympiasieger und ehemaliger Bundestrainer, inzwischen fast 90 Jahre alt. Es gefiel ihm, was er auf dem Abreiteplatz sah. „Aber in der Piaffe, das linke Hinterbein,“ sagte er in Richtung Jessica, „da muss sie was dran tun, das ist noch nicht gut genug.“

Nach ihrem Ritt mit kleinen Fehlerchen sah Jessica ihre Felle schon davon schwimmen, nur drei Reiter einer Nationen dürfen in die Kür, und die anderen drei Deutschen standen noch aus. Das ist das eine blöde Situation, wenn man einem Teamkollegen wenn schon nicht die Pest, sondern wenigstens ein paar Patzer an den Hals wünschen muss, um im Endkampf dabei zu sein. Sie kriegte das aber gut hin: „Jetzt muss ich bangen um meinen Platz in der Kür.“ Am Abend nach dem eher enttäuschenden Ritt von Sönke Rothenberger dann nicht mehr.

Heute nachmittag geht es nun für die  Springreiter in die entscheidende Runde. Wir müssen zeitig unsere Plätze besetzen, denn die Pressetribüne ist hoch begehrt. Die FN-Delegation setzte sich gestern zu uns,  was seine Vorteile hatte. Meine Ergebnisliste ist noch nie so sorgfältig geführt worden wie von FN-Sportchef Dennis Peiler, dem ich diese Aufgabe dankenswerter Weise überlassen konnte. Na ja, er war ja auch mal Pressesprecher und weiß, was unsereins braucht, um glücklich zu sein. Eine korrekte Ergebnisliste!!

 

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Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.