Von einem Luhmühlen ohne Zuschauer, einem Sommermärchen mit Summerland und Zylindern, die viel erzählen können

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Moment mal! Die Kolumne von St.GEORG Herausgeberin Gabriele Pochhammer (© Foto Bugtrup/Montage: www.st-georg.de)

Eigentlich war es in Luhmühlen fast wie immer, sagt St.GEORG-Herausgeberin Gabriele Pochhammer. Aber eben nur fast. Und eines war definitiv ganz besonders, nämlich die Freude der CCI5*-Siegerin.

Luhmühlen ohne Zuschauer ist wie Currywurst ohne Curry, finden die einen. Die anderen vermissen weder das gelbe Pulver auf dem Würstchen noch die Zuschauer an den Wasserhindernissen, die jubeln, stöhnen und Fähnchen schwenken. Diejenigen, die es gerne etwas ruhiger haben, kamen diesmal auf ihre Kosten, verglichen mit anderen Jahren war die Westergellerser Heide quasi ausgestorben. Nicht ganz, die Stimme des Sprechers tönte bis in alle Winkel der Strecke; aber es war kein Problem, überall, auch an den Hotspots, also den beiden Teichen, ein schattiges Plätzchen zu finden. Von dort aus konnte man Reitern und Pferden bei ihren Bemühungen zuschauen, sich bei glühender Hitze von bis zu 35 Grad für Tokio zu empfehlen.

Die Akteure sind, was die Zuschauer angeht, geteilter Meinung: Die einen genießen es, durch eine begeisterte Menge von Sprung zu Sprung getragen zu werden, andere sind froh, wenn ihre Pferde nicht abgelenkt werden und sich voll auf die Hindernisse konzentrieren können. „Tolles Wetter“, fand Bundestrainer Hans Melzer. „besser geht’s doch nicht.“ So ähnlich soll es ja auch in Tokio werden, da konnte er schon mal sehen, dass seine Schützlinge mit feuchter Hitze gut klar kommen.

Man darf davon ausgehen, dass Turnierchefin Julia Otto den Tag herbeisehnt, an dem sie wieder Tausende in Luhmühlen begrüßen kann. Über eine erneute Absage nach 2020 habe sie keinen Moment nachgedacht, sagte sie, schließlich gäbe es Verträge mit Sponsoren, die zu erfüllen waren.

Nur 500 Zuschauer waren zugelassen, die sich zum großen Teil aus Sponsoren und Ehrengästen rekrutierten. Umfassende Corona-Maßnahmen waren teuer und lästig, aber unumgänglich. Kein einziger Stuhl im Zelt für die Pressegespräche – danke Pressechefin Friederike, dass sie trotzdem ein paar Klappsessel herbeigezaubert hatte. Insgesamt muss man dem Luhmühlen-Team ein großes Lob dafür aussprechen, was es am Ende möglich gemacht hat. Hatte das Handy einmal mit der Luca-App am Eingang kommuniziert, waren im übrigen alle Viren schnell vergessen.

Sommermärchen mit Summerland

Und der Sport schrieb mal wieder Geschichten, die sich kein Schnulzen-Autor besser ausdenken kann. Etwa von der 23-jährigen Britin Mollie Summerland, die mit dem früher so unleidlichen Hannoveraner Charly, von der Spitze weg den Fünf-Sterne-CCI gewann (SG-online berichtete). In ihrem Heimatland war sie im Olympiajahr, in dem alle mit Tokio beschäftigt sind, bis dahin quasi unter dem Radar gesegelt und hofft jetzt ganz bescheiden auf einen Platz als Einzelreiterin bei der EM in Avenches im September.

Ich habe selten soviel tränenreiche Siegesfreude bei einem Reiter miterlebt. Mit bebender Stimme dankte Mollie bei der Siegerehrung allen, die zu dem Erfolg in irgendeiner Weise beigetragen hatten, und das waren viele, auch Dressurtrainer Carl Hester und Geländecoach Pippa Funnell und ihre Mutter, die jetzt, so vermutete Mollie, ebenfalls zuhause schluchzend vor dem Fernseher saß. „Zum ersten Mal die Nationalhymne für mich“, sagte sie „Unglaublich.“

Sie war ganz alleine gereist, hatte die letzten zehn Tage beim Niederländer Tim Lips verbracht, um trotz Einreisebeschränkungen kommen zu können. Keine hilfreiche Begleitung, kein Eimerchen hinterhertragender TT (Turniertrottel) begleitete sie und trotzdem war ihr Pferd bei der Verfassungsprüfung allerbestens herausgebracht. Als Mollie zum Fernsehen musste, drückte sie Tilly, einer befreundeten Fotografin, ihren Charly in die Hand. Tilly hatte Mollie auch beim Papierkram geholfen hatte, der seit dem Rückfall ins Mittelalter, genannt Brexit, für einreisende Pferde nötig ist.

Entschlussfreudig zeigte sich die Britin Emilie Chandler, die ihren Iren Gotfadder Diamond kurzentschlossen Richtung Luhmühlen verlud, nachdem er im Gelände des CCI4* Bicton zwei Vorbeiläufer kassiert hatte. Das ging nur deswegen, weil die deutschen Behörden die Einstufung als Risikogebiet für England am Samstag aufgehoben hatten.

40 Reiter hatten von der Insel kommen wollen, die meisten waren dann stattdessen ins westenglische Bicton gefahren, nochmal ein Verlust von zigtausend Euro durch entgangene Nenngelder für Luhmühlen. Emilie fasste den Entschluss am Sonntag morgen („Mein Pferd war ja in Bicton keine drei Minuten unterwegs gewesen“), Montag ging es los. Sie lag nach dem Gelände der Fünf-Sterne-Prüfung auf Patz drei, fiel nach zwei Abwürfen im Parcours auf Rang fünf zurück.

43 Jahre Andrew Hoy

Andrew Hoy, australisches Evergreen, seit fast einem halben Jahrhundert im Busch erfolgreich unterwegs, fährt nach Platz vier in Luhmühlen als Mitfavorit nach Tokio. Die Jahre scheinen an ihm vorüber geflogen zu sein, umgeben von seiner jungen Familie, Ehefrau Steffi mit Philippa (3) und Oskar (1), schien der 62-Jährige unbeschwerter zu reiten denn je. „Kinder halten einen jung“, sagte er. Nur Philippa war enttäuscht: Sie hatte ihr Debut als Pony-Meldereiterin geben wollen, die wurden aber in diesem Jahr Corona-bedingt gestrichen.

Am Rande konnte man auch noch Fachgesprächen von Kleinkinder-Eltern lauschen, erstmalig mit dabei Michi Jung und Ehefrau Faye, die ihren Neuzugang Lio präsentierten. Wenn der zweifache Olympiasieger von seinem Sohn spricht, dann lacht er mindestens so glücklich und befreit wie damals bei der EM in Blair Castle, als er und die Queen sich anstrahlten wie verliebte Teenager.

Mark Todd hat umgesattelt

Eine anderer Vielseitigkeits-Dauerbrenner feiert seine Erfolge jetzt auf einem anderen Rasen. Der zweifache Olympiasieger Mark Todd, inzwischen Trainer von Rennpferden, hatten seinen ersten Starter in Ascot. Tasman Bay lag in den King Edward VII Stakes lange in Führung, musste sich dann mit Platz zwei begnügen. Aber ein toller Erfolg für Toddy war es allemal!

Er verriet der bekannten britischen TV-Journalistin Clare Balding, dass er schon als Kind am liebten Jockey geworden wäre, dafür wurde er dann etwa einen halben Meter zu groß. Aber in der Arbeit reitet er seine Cracks immer noch am liebsten selbst.

In der Royal Box von Ascot, in der die Herren nur mit Frack und die Damen nur mit Hut Zutritt haben, trug er einen Zylinder, der viel erzählen könnte. „Ich trug ihn schon, als ich noch Vielseitigkeit ritt, auch bei Olympischen Spielen“, sagt er. In der Vielseitigkeit sind Zylinder inzwischen ausrangiert, aber vielleicht kann Toddys Top Hat ja bald von einem Gruppen-Sieg auf der Rennbahn berichten …mens jordan shoes release dates | air jordan 1 cheapest colorways

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Anne Hager

    Toddy hatte schon Gruppesieger auf der Rennbahn:-) Nach seinem ersten Rücktritt trainierte er bereits Rennpferde in Neuseeland und hatte 2003 mit Bramble Rose in den New Zealand Oaks bereits eine Gr.I-Siegerin. 2007 siegte Willy Smith für ihn im Wellington Cup, Gr.III.


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