Von wegen sonniger Süden: Feuchter Empfang in Mailand

Von
Moment mal_Gabriele Pochhammer

Gabriele Pochhammer, Herausgeberin St.GEORG (© Toffi)

Statt Bruthitze Starkregen – das perfekte Wetter scheint es diesen Sommer nicht zu geben, weder für die Aspiranten auf Championatsschärpen in Mailand, Warendorf und anderswo, noch für die, die „nur zu ihrem Vergnügen“ reiten.

In Mailand nieselt es, als ich aus dem Flieger stieg, gestern hatte es sogar eine Unwetterwarnung gegeben und wie aus Eimern geschüttet. Vor zwei Tagen waren noch 40 Grad, auch das ist hier in Norditalien höchst ungewöhnlich für die Jahreszeit. Einige der Pferde, die schon in den Ställen des Reitstadions eingetroffen waren, wurden vorsichtshalber umquartiert in einen anderen Trakt, weil man durch den Starkregen nicht ohne Grund Überschwemmungen fürchtete. Auch Montagnachmittag lief das Wasser in einige Boxen, die deutschen Pferde standen trockenen Hufes in einem anderen Stall, wie mir Bundestrainer Otto Becker versicherte. Pferde, Reiter, Pfleger und die ganze Entourage sind gut angekommen, haben sich eingelebt und harren der Dinge, die da kommen, Dienstagmittag um 12 Uhr erstmal der Vetcheck, 15 Uhr Training. „Wir haben einmal Pause in München gemacht“, erzählt Marcus Ehning. „Als wir von den Unwetterwarnungen hörten, sind die Pferde einen halben Tag länger geblieben. Als sie hier ankamen, war alles ok.“

privat

Die Stallungen in Mailand waren am Wochenende noch unbewohnbar gewesen. (© privat)

Freie Bahn für den fünften Mann

Mittwoch beginnen die Europameisterschaften mit dem Zeitspringen, die Deutschen leider ohne Titelverteidiger André Thieme und seine geniale Chakaria. Das Team tritt nicht unbedingt als Favorit an, aber Otto Becker und seine Reiter haben schon öfters gezeigt, dass sie auch unerwartet Erstaunliches vollbringen können. Gerrit Nieberg als Nachrücker sieht seinem ersten Championatsstart mit der deutschen Mannschaft entgegen und erstmals darf ja auch der Ersatzreiter, in diesem Fall Christian Kukuk auf Mumbai, als Einzelstarter vollwertig bis zum Schluss mitreiten. Manchmal hat die FEI auch wirklich gute Ideen.

Man wünscht ja jedem das Beste, aber das Allerbeste wünsche ich in diesem Jahr Marcus Ehning und seinem Hengst Stargold. Wie schön wäre es, wenn die Sieger von Aachen es einfach nochmal machen würden!!! Damit bin ich gewiss nicht allein. Natürlich wird, wie schon in Haras du Pin, das St.GEORG-Team, bestehend aus Chefredakteur Jan Tönjes und mir, Sie alle auf dem Laufenden halten über das, was vor und hinter den Kulissen passiert. Die internationale Journalisten-Fotografengang, angeführt von unserem Schweizer Kollegen Sascha Durbach, war wie immer als erste vor Ort. Und begab sich am Samstag ins San Siro-Stadion. Dort, wo nur fünf Fußminuten entfernt ab Mittwoch die Springreiter im Hippodromo über Oxer und Steil um einen Podiumsplatz kämpfen, tauchte das Trio in den Hexenkessel des Fußballspiels zwischen FC Torino und AC Milan, das Stadion voll besetzt mit 72.000 Fans, der Lärm ohrenbetäubend, die Stimmung bombig. Ein paar weniger Menschen, aber ansonsten ähnlich stelle ich mir das am kommenden Sonntag vor, oder etwa nicht?

Championate wie Perlen auf der Schnur

Sommer heißt nicht für alle Urlaub, Strand, Freibad und kühle Drinks. Für Sportreiter ist es vor allem die hohe Zeit der Wettkämpfe. Die Championate reihen sich aneinander wie Perlen auf der Schnur. Kaum haben die Buschis ihre Pferde aus dem ebenso schönen wie nassen Haras du Pin nach Hause verladen, die Deutschen mit zwei Medaillen im Gepäck, reisten die Springpferde Richtung Mailand. Und aus allen Winkeln des Landes rollen in diesen Tagen die LKW und Pferdeanhänger Richtung Warendorf, wo die jungen drei- bis achtjährigen Nachwuchshoffnungen ihre Bundeschampions ermitteln (und wo ein Teil des St.GEORG-Teams ebenfalls vor Ort sein wird). Die Dressurreiter absolvieren gerade die letzten Trainingseinheiten, um für ihre EM in Riesenbeck in der folgenden Woche gerüstet zu sein, es geht also Schlag auf Schlag. Ganz zu schweigen von den vielen Medaillen, die der Nachwuchs von den „Euros“ der vergangenen Wochen mitbrachte, da kam man mit dem Zählen ja gar nicht hinterher.

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Jeder einzelne Pferdebesitzer, Reiter, Pfleger, Trainer hat unendlich viel aufgewendet, um beim Championat eine gute Figur zu machen, Zeit, Geld, Mühe. Ich hoffe, auch diejenigen werden sagen, es hat sich gelohnt, die nicht ruhm-bekränzt nach Hause kommen. Weil es Spaß gemacht hat, das Pferd Neues gesehen und dazugelernt hat oder es einfach seinem Reiter eine ganz persönliche Sternstunde beschert hat. Das tun ja nicht nur die Siegerpferde.

„Nur zu meinem Vergnügen“ heißt ein Buch, das einst Waldmar Seunig, einer der großen Autoren der Reitkunst des 20. Jahrhunderts, verfasst hat. Nur zum Vergnügen reiten ist vielleicht der wahre Luxus im Sattel. Und der findet sich natürlich nicht nur im Wettkampf. Wie das auch aussehen kann, erlebte ich am vergangenen Samstag als Zuschauer bei einer Jagd rund um Schloss Bredeneek hinter der Böhmer Harrier-Meute, organisiert vom Reiterverein Preetz mit Hendrik von Paepcke und Jacob Hayessen an der Spitze, letzterer als Aufbauer der Jagdstrecke, Hornbläser und Master aktiv.

Er saß auf Hankey, der inzwischen 19-jährigen irischen Scheckenstute, die erst mir so viel Freude gemacht hat, bis ich sie an Familie Hayessen gab. 2022 gewann Justina mit ihr noch eine A-Vielseitigkeit. In diesem Jahr wurde Justina mit dem Ibisco xx-Sohn I follow Neunte bei den deutschen Jugendmeisterschaften, Hankey hat gewissermaßen geholfen, sie auf den Weg zu bringen. Jetzt genießt sie ihren aktiven Ruhestand, sieht blendend aus, die Beine glasklar. Sie flog am Samstag an der Spitze des Feldes über die Jagdhindernisse, als sei sie zehn Jahre jünger, eifrig repetierend, die Ohren gespitzt und offenbar mit jeder Menge Spaß. Auch das ist ein Sport mit seinen Herausforderungen, ohne Sieger und Verlierer, statt Schleifen einen schönen Eichenbruch. Nur zum Vergnügen von Reitern und Pferden.

Gabriele PochhammerHerausgeberin

Herausgeberin des St.GEORG, den sie als Chefredakteurin von 1995-2012 als erste Frau auf dieser Position verantwortet hat. Als Berichterstatterin auf elf Olympischen Spielen und unzähligen Welt- und Europameisterschaften. Erfolgreiche Pferdezüchterin: Der von ihr gezogene Wallach Leonidas II war eines der besten Vielseitigkeitspferde seiner Zeit. Eines der Fachgebiete: internationale Sportpolitik, schreibt für die Süddeutsche Zeitung.

  1. Helmold Baron von Plessen

    Sind Sie nicht, ich meine allein, verehrte Frau Pochhammer, mit Ihrer Bemerkung, dass die allerbesten Wuensche zur EM fuer Stargold/Marcus Ehning, denen ich mich aus vollem Herzen anschliesse, von allen Seiten kommen ! Klar, wuenscht man allen nur das Beste, vor allem wo der Wettergott so boese dazwischen hagelt. Aber wie gesagt, dem oben Erwaehnten gilt ein ganz besonderes drefaches „Hals und Bein“ !!!


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