Amsterdam: Charlotte Fry und Everdale gewinnen Weltcup-Kür mit persönlichem Rekord

Von
53491162430_bbfbbd910d_6k

Zweiter Weltcup-Sieg der Saison für Charlotte Fry und Everdale in Amsterdam. (© FEI/Leanjo de Koster)

Mit neuem persönlichem Rekord sicherten sich Charlotte Fry und Everdale in Amsterdam ihren zweiten Sieg dieser Weltcup-Saison.

88,180 Prozent gaben die Richter Charlotte Fry für die heutige Kür auf ihrem imposanten 15-jährigen KWPN-Hengst Everdale. Auf Everdales Habenseite steht das, was ihm in die Wiege gelegt wurde: seine Elastizität, sein starker Motor, also seine kraftstrotzende Hinterhand, sowie der großzügige Raumgriff in allen drei Grundgangarten.

Doch auch wenn der angesprochene starke Motor manches kompensiert, bleibt der Hengst das Beispiel eines Pferdes in absoluter, statt relativer Aufrichtung. Eines Pferdes, das von vorne nach hinten statt von hinten nach vorne arbeitet.

Er drückte den Rücken weg, die Sprunggelenke arbeiteten nach hinten heraus, die Kopf-Hals-Einstellung war hoch und eng. Dabei wurde Everdale in den Verstärkungen womöglich noch enger als in der Versammlung (Wertnoten von 7,5 bis 8,5 für den starken Trab und 8,5 bis 9 im starken Galopp). In den Piaffen fußte er lebhaft ab, schwankte aber (8 bis 8,5). Er machte keine Lektionsfehler, aber außer in den Fliegenden Wechseln sprang er die Galoppsprünge fast nie zu Ende durch und auf ländlicher Ebene hätte bei allen Wechseltouren „hohe Kruppe“ im Protokoll gestanden (Zweierwechsel: 1x 8, 4x 8,5, Einerwechsel: 1x 8, 2x 8,5, 2x 9).

Für die unruhigen und unausbalancierten Grußaufstellungen vergab Raphael Saleh bei M eine 5,5. Drei Kollegen waren bei einer 6, Mariette Sanders-van Gasewinkel bei C urteilte „ziemlich gut“, also 7.

Die Fußnoten in der internationalen Grand Prix-Kür zählen vierfach. Eine davon ist die Harmonie zwischen Reiter und Pferd. Da gab es einmal 9,2, zweimal 9,5 und zweimal 9. Unter dem Strich kamen sie damit auf einen neuen persönlichen Rekord, mit dem sie keine zwölf Prozent von der Perfektion, also den 100 Prozent, entfernt sein sollen …

Werth Zweite mit Standing Ovations

Isabell Werth stellte heute einen Quantaz vor, der sich mit der Halle in Amsterdam angefreundet zu haben schien. Er war wesentlich konzentrierter als noch gestern im Grand Prix. Keine Kür auf internationalem Niveau ist so mit Schwierigkeiten gespickt, wie die Bonnie Tyler-Kür dieses Paares. Die Zuschauer belohnten den Auftritt mit stehenden Ovationen. Die Richter gaben 86,455 Prozent, was schlussendlich Rang zwei war.

Quantaz lieferte ein Programm das frei von technischen Fehlern war, dem aber noch die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit fehlte, mit dem er bei der EM in Riesenbeck begeistert hatte. Die Piaffen des Quaterback-Sohnes hat man schon deutlich erhabener gesehen, die Anlehnung zufriedener. Aber Amsterdam war auch das erste Turnier seit Riesenbeck, dadurch das erste in der Halle. Da ist noch Luft nach oben.

Die weiteren Platzierten

Rang drei ging wie bereits gestern an Patrik Kittel im Sattel des ebenfalls v. Quaterback abstammenden Touchdown, zuhause bekannt als „Lasse“. 84,905 Prozent gaben die Richter den beiden für ihre Vorstellung. Das ist ihr bislang bestes Ergebnis außerhalb der schwedischen Heimat des Reiters.

Die Plätze vier und fünf gingen an die dänischen Mannschaftsweltmeisterinnen Nanna Skodborg Merrald mit dem KWPN-Hengst Blue Hors Don Olymbrio (84,030) und Carina Cassøe Krüth im Sattel von Heiline’s Danciera (82,905).

Über einen starken sechsten Platz konnte sich der belgische Shooting Star Flore de Winne auf dem Hannoveraner Hengst Flynn v. Fahrenheit freuen (80,315).

Bianca Nowag-Aulenbrock und Florine wurden mit 77,630 Prozent Elfte.

Dominique WehrmannRedakteurin

Studierte Politologin, seit 2006 bei St.GEORG. Als Jugendliche Dressurtraining bei Hans-Georg Gerlach, Michael Settertobulte und Reitmeister Hubertus Schmidt und das auf einem selbstgezüchteten Pferd. Verantwortet die Bereiche Spitzensport und Pferdezucht. Im Presseteam des CHIO Aachen und der Pferdemesse Equitana, hat für den NDR im Fernsehen kommentiert.

  1. Marlis

    Schwer zu glauben, dass die erfahrenen internationalen Richter das nicht sehen! Wie kann man denn für so eine Vorstellung über 88% geben mit 9+. für die Harmonie???

  2. Sylvia

    Das drückt eigentlich die ganze Problematik dieses Sports aus.
    Mich würde mal interessieren, wie eine KI das Ganze bewerten würde.
    Auch, wenn das mit Sicherheit auch nicht die perfekte Lösung wäre, es kann eigentlich nur (pferde-)gerechter sein. Das ist wirklich mit nichts mehr, außer Lobbyismus, zu erklären.

  3. Sabine Brandt

    In dem Zusammenhang lohnt ein Blick bei Chris Hector und seinem Australian Horse Magazin. Verlinkung hier wohl eher nicht gewünscht, aber Google hilft.

    Ich habe ihn selten so wütend erlebt und er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Read his exclusive report if you dare!“ … „I can promise you that this report will bear no resemblance to the FEI blah that will litter the digi world in the next few hours, gushing about another ‘magic’ performance from Everdale, but unlike the person who writes for the FEI, I actually sat, saw and suffered, all the way through the performance.“ …

    Da ein englischsprachiger Kommentar naturgemäss von grösserer Reichweite ist, kann man nur hoffen, dass möglicherweise auch der ein oder andere FEI Richter oder gar die FEI selber das liest und sich ein paar Gedanken macht. In jeder Hinsicht, inclusive der angebrachten Kritik an das World Cup Final in Riyadh, Saudi Arabia – „out of the petty cash bought the FEI, cheap, that’s what it is, cheap and very nasty.“

    Social License, Animal Welfare – wenn der Reitsport sich eben selber abschafft, und das tut er wirklich gut.


Schreibe einen neuen Kommentar