Springreiter Ludger Beerbaum verabschiedet sich in Aachen aus dem Spitzensport

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Auf seiner letzten Ehrenrunde: Ludger Beerbaum bei seinem offiziellen Abschied aus dem Sport im Rahmen des CHIO Aachen 2023. (© von Korff)

Ein besonderer Abschied: Ludger Beerbaum hat sich beim CHIO 2023 in der Soers aus dem Sport verabschiedet.

Am 23. August wird er 60 Jahre alt. Nach seinem Unfall Anfang des Jahres in Doha hat er sich wieder zurück im Sport gemeldet. In Aachen ritt er diverse Springen, hatte mehrere Nullfehlerritte und zur Platzierung wurde er auch ins Stadion gerufen. Hier, auf dem heiligen Rasen der Soers, hat Ludger Beerbaum nun seinen Rücktritt vom Sport verkündet.

Dank einer Wildcard habe er in Aachen reiten dürfen, dafür dankte er dem Veranstalter. Und dem Aachener Publikum dankte Beerbaum auch. „Was ihr hier für unseren Sport tut, ist einmalig“. Wenn man sich zu einem offiziellen Abschied entscheide, „dann macht man das nur in Aachen.“ In der Rückschau der Aachen-Tage zieht Beerbaum eine positive Bilanz: „Ich habe mich so ein bisschen gefühlt wie ein alter Hund, der noch einmal mit zur Jagd war. Auch, wenn ich am Ende nicht mehr ganz vorne mit dabei… Sorry“ Da brach ihm die Stimme, das Aachener Publikum erhob sich unter ohrenbetäubendem Applaus von seinen Sitzen.

Doch Beerbaum fing sich schnell wieder: Bevor er jetzt gehe, wolle er zwei Menschen besonders danken. „Meiner Sponsorin Madeleine Winter-Schulze und meiner Pflegerin Marie, die all die Jahre hier mitgelitten und mitgefeiert hat“. Der Applaus wollte nicht enden und trug ihn auf seiner letzten Ehrenrunde.

Von Südniedersachsen zum Sieger weltweit

Ludger Beerbaum hat mit acht Jahren das Reiten begonnen. Sanfter Druck seines Vaters Horst half, zumal der kleine Ludger aus Adelebsen bei Göttingen anfangs der Kreatur mit einer gewissen Skepsis gegenüberstand. Erst ein Freund überzeugte ihn, mit in den Stall zu kommen. Von da an ging es schnell bergauf. „Wetteifernde“, so kann eigentlich nur eine Hannoveraner Stute heißen, wurde das erste Erfolgspferd. Unzählige weitere sollten in einer nahezu 50-jährigen Parcourskarriere folgen.

Das Talent wurde früh gefördert, erst vom Bundestrainer Herrmann Schridde, später von Paul Schockemöhle, damals die Talentschmiede für junge Springreiter weltweit.

Beerbaum, der Sportler

1981 war er Deutscher Vizemeister der Junioren, ein Jahr später war es Platz zwei bei den Jungen Reitern. 1984 errang er seine ersten internationalen Medaillen – Bronze in der Einzel- und Teamwertung bei den Europameisterschaften der Junioren. 1985 begann die Karriere im internationalen Sport, er ritt in Mannheim und wechselte zu Paul Schockemöhle.

1988 gewann er – legendär – auf dem von Dirk Hafemeister geliehenen The Freak Mannschaftsgold bei den Olympischen Spielen in Seoul. 1992 in Barcelona gewann er den Titel für die Unsterblichkeit: Olympiasieger mit der Holsteiner Stute Classic Touch. Drei goldene und eine bronzene Olympiamedaille hat Ludger Beerbaum bei fünf Olympischen Spielen in 28 Jahren gewonnen. Er war zweimal, 1994 und 1998, Mannschaftsweltmeister und viermal gewann er Gold mit dem Team bei Europameisterschaften. 1997 zusätzlich mit der berühmten Ratina Z auch Einzelgold. Das gelang ihm 2001 ein weiteres Mal im Sattel von Gladdys. Insgesamt hat er vier Silber- und drei Bronzemedaillen auf Welt- und Europameisterschaften gewonnen.

23 Mal war er beim Weltcup-Finale dabei, das er 1993 mit Ratina gewann. In den Jahren 2002, 2010 und 2014 wurde er Zweiter. Für 1998 steht ein dritter Platz verbucht. Nach den Olympischen Spielen von Rio 2016 hatte er seinen Rückzug aus der Nationalmannschaft erklärt.

Große Preise in der ganzen Welt

Es gibt kaum einen klassischen Großen Preis, den Ludger Beerbaum nicht mindestens einmal hat für sich entscheiden können. Allein in Aachen siegte er dreimal, 1996, 2002, 2003. 35 mal war er in der Soers am Start. Auch in Spruce Meadows steht er auf der Siegerliste.

Beerbaums Spitzenpferde aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen. Es waren auffällig viele Stuten, die ihn zu Erfolgen trugen – Classic Touch, Ratina Z, Gladdys, Chiara … Aber auch Hengste, allen voran Goldfever oder auch Chaman und Zinedine gehörten zu den Ausnahmepferden in Beerbaums Karriere.

Seit 2010 hält er einen weiteren Rekord für die Ewigkeit: Kein deutscher Reiter ist häufiger in Nationenpreisen für Deutschland am Start gewesen als der Mann aus Riesenbeck. Vorher hatte Hans Günter Winkler über Jahrzehnte diese Meriten für sich verbuchen können.

Medikationsfall

Allerdings gab es auch Schattenseiten in der langen Sportkarriere. 2004 in Athen war er dem deutschen Olympiateam als Fahnenträger voran geschritten bei der Eröffnungsfeier der Spiele. Sie endeten mit einem positiven Dopingnachweis seines Hengstes Goldfever und der Aberkennung der Mannschaftsgoldmedaille der deutschen Springequipe wegen verbotener Mediaktion. Vor zwei Jahren veröffentlichte RTL Filmaufnahmen, die Beerbaum beim Barren/Touchieren von Pferden auf seiner Reitanlage in Riesenbeck zeigten. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) brauchte lange, um zu entscheiden, wie sie mit ihrem einstigen Vorzeigesportler umgehen wollte. Schon vorher war das Verhältnis zwischen FN und Beerbaum nicht immer spannungsfrei.

Mäzenin Madeleine Winter-Schulze

Die größte Unterstützerin von Ludger Beerbaum in seiner mehrere Dekaden andauernden Karriere im Springsattel war die Berlinerin Madeleine Winter-Schulze. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Dietrich Schulze hatte sie entschieden, Beerbaums Karriere zu begleiten. Nach dem zu frühen Tod von „Dieter“ blieb nicht nur das Engagement bestehen, sondern die Beziehung wurde immer enger, weitaus mehr als nur im geschäftlichen Umfeld.

Unternehmer Ludger Beerbaum

Auch wenn Ludger Beerbaum sein BWL-Studium zu Gunsten der Reiterei abgebrochen hatte, steckt eine Menge Unternehmergeist in dem 59-Jährigen. Gemeinsam mit Constantin Freiherr Heereman entwickelte er aus dem traditionellen Areal rund um die Surenburg in Hörstel das internationale Reitsportzentrum Riesenbeck international. Seit 2021 gehört die noch einmal um 300 Boxen erweiterte Anlage zur Global Equestrian Group. In Riesenbeck fanden 2021 die Europameisterschaften im Springreiten statt. 2023 werden die Europameisterschaften der Dressurreiter und im Para-Equestrian hier durchgeführt.

Als Präsident der Longines World Equestrian Academy ist Beerbaum schon länger aktiv an der Globalisierung des Springsports als Trainer und Berater engagiert.

Außerdem betreibt er die Ludger Beerbaum Stables, die nicht nur ein internationaler Turnierstall sind (mit Reitern wie Philipp Weishaupt, Christian Kukuk, Philipp Hartmann oder dem Iren Eoin McMahon), sondern auch als Hengststation hochkarätige Gene sporterfolgreicher Hengste für die ganze Welt anbietet.

Schließlich entwickelte er unter seinem Vornamen die Futtermittelmarke „Ludgers“.

Familienmensch

Beerbaum war zweimal verheiratet. Mit Barbara Schockemöhle hat er einen Sohn, Alexander. Die Ehe wurde nach 13 Jahren geschieden. Beerbaum ist in zweiter Ehe mit der Britin Arundell Davison verheiratet. Die beiden haben zwei Töchter.

 

Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).