Auftakt EM Springen: Philipp Weishaupt Dritter; Schweden vor Schweiz, Deutschland Rang drei

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Platz drei nach der ersten Wertungsprüfung bei der EM Springen in Mailand 2023: Philipp Weishaupt und Zineday. (© Pauline von Hardenberg)

Der Auftakt der EM im Springen verlief für Deutschland durchwachsen, aber in Summe nicht schlecht. Dass das Team am Ende auf Platz drei in den morgigen Nationenpreis startet, kam für viele überraschend. Auch wenn vier von fünf deutschen Startern gute Runde abgeliefert hatten, war es bis auf Philipp Weishaupt niemandem gelungen, fehlerfrei zu bleiben. Weishaupt ist Dritter, es führt der Schwede Jens Fredricson vor Martin Fuchs (SUI). So auch die Rangierung der Mannschaften.

Der Parcours zum Auftakt der EM im Springen war komplizierter als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Die Fehler verteilten sich gleichmäßig. Ein Hindernis, das unter anderem auch Marcus Ehning zum Verhängnis wurde, war der blau-weiße Oxer, der nach sieben Galoppsprüngen aus einer Linkskurve vom Wassergraben kommend anzureiten war. Aber auch an den insgesamt drei zweifachen Kombinationen blieben nicht immer alle Stangen liegen.

SCH-Dominanz zum Auftakt EM Springen

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Jens Fredricson (SWE) mit Markan Cosmopolit, der anteilig der Mensa-Betreiberin von Flyinge gehört und einst Schulpferd in dem schwedischen Gestüt war, führt nach Tag eins der EM Springen 2023. (© Pauline von Hardenberg)

SCH war Trumpf an Tag eins der Europameisterschaft im Springen. Die Teams aus Schweden und der Schweiz sind die klaren Gewinner dieses Zeitspringens. Schweden stellt nicht nur den Sieger, sondern kommt im Mannschaftsergebnis auf gerade einmal 1,51 Strafpunkte in der Addition. Angeführt von Jens Fredricson, der mit dem ehemaligen Schulpferd Markan Cosmopolit souverän und immer im idealen Rhythmus über den Kurs galoppierte, zeigte die Equipe eine geschlossene Teamleistung.

von Eckermann kann auch ohne den „King“

Hendrik von Eckermann ritt die zweitschnellste aller Runden. In der zweifachen Kombination landete die zehnjährige Cardento-Tochter Iliana auf einer Stange, galoppierte dann aber super schnell aus teilweise recht schräg angerittener Position über den Rest des Kurses (73,38 (69,38 + 4) Sekunden ) = 0,70 Strafpunkte/6.).

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Iliana war als „Ersatz“ für King Edward mehr als nur eine Notlösung für Hendrik von Eckermann. (© Pauline von Hardenberg)

Selbst Wilma Helmström mit der rechts blinden Cicci v. Ci Ci Senjor Ask war noch Zwölfte – dabei lieferte sie das Streichergebnis. Stichwort Senjor: Dem Senior im Team und gleichzeitig ältesten Starter dieser Europameisterschaft gelang eine Traumrunde, 73,6 Sekunden, null – Platz sieben (0,81) für Rolf Göran Bengtsson.

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Immer wieder faszinierend, zu was Pferde fähig sind: Cicci fehlt der rechte Augapfel. Wilma Helmströms Stute kommt damit aber blendend zurecht. (© Pauline von Hardenberg)

Rolf Göran Bengtsson: mega in Mailand!

Eine Bilderbuchrunde legte der Schwede Rolf Göran Bengtsson im Sattel des Holsteiner Hengstes Zuccero hin. Immer im Rhythmus, mit viel Vorsicht vor den Stangen, zog der Verbandsbeschäler seine Runden. Schon in der Landung fokussierte er den nächsten Sprung an. Nach einem guten Drittel der Starter hatte sich Begtsson, der schon lange in Schleswig-Holstein lebt, damit an die Spitze des Feldes gesetzt. Und das mit 61 Jahren bei seiner zehnten (!) Teilnahme an Europameisterschaften. Einmal sei es zu einem Steilsprung recht weit geworden, als der Schimmel nicht ganz so flüssig aus der Zweifachen Kombination gekommen war. „Aber ich wusste genau, ich muss da mit acht Galoppsprüngen hin.“ Denn diese Linie war eine, wo die Gelegenheit bestand, im Parcours Zeit zu sparen.

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Rolf Göran Bengtsson (SWE) und der Holsteiner Zuccero. (© Pauline von Hardenberg)

Aber sonst war es eine Runde irgendwo zwischen Stilspringen und Lehrbuchritt. „Ich glaube, ich habe ihn heute nicht von den Füßen gejagt“, so das Fazit des Schweden. Wie einige andere, denkt er zwar primär an die kommenden Tage mit dem Nationenpreis, der Mannschaftsentscheidung. Aber natürlich weiß auch er, dass im kommenden Jahr die Olympischen Spiele in Paris stattfinden. Das passende Pferd dafür, da ist sich der Schwede sicher, hat er.

Schweizer knappe Zweite

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Leone Jei sprang unter Martin Fuchs (SUI) genauso mühelos wie energisch auf Rang zwei der Einzelwertung zum Auftakt der EM Springen in Mailand. (© Pauline von Hardenberg)

Für die Schweizer geht es vor allem um die Qualifikation für die Olympischen Spiele bei diesen Europameisterschaften. Heute haben sie einen Grundstein für dieses Ziel gelegt. 1,92 Strafpunkte addieren sich für die Eidgenossen. Ihre besten drei Ritte finden sich auf den Plätzen zwei, vier und elf im Einzelklassement. Martin Fuchs und Leone Jei, der eigentlich kommende Woche in Spruce Meadows hätte gehen sollen, nun aber den verletzten Conner Jei ersetzen musste, hatte sich an die Spitze gesetzt. Der nicht immer einfache Schimmel ging für seine Verhältnisse entspannt in die Arena. Dort galoppierte der Baltic-Sohn engagiert über die Sprünge. „Er ist ein Flugzeug, und dann kann man eben auch mal spontan einen Galoppsprung weniger reiten“, bilanzierte Fuchs nach seinem zweiten Platz (72,53 Sekunden = 0,28 Strafpunkte).

Guerdat ist selbstkritisch

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Nicht nur über dem Wassergraben machten Steve Guerdat und Dynamix de Belheme ein bestechendes Bild – sie gehen als Vierte in die zweite Wertungsprüfung. (© Pauline von Hardenberg)

Überglücklich mit seinem Pferd, aber mit seiner eigenen Performance nicht zufrieden, war Steve Guerdat. Die französische Stute Dynamik de Belheme – „sie bringt alles mit, athletisch und in der Art, wie sie mit ihrem Körper umgeht“ – kam einmal nicht ganz ideal zu einem Steilsprung nach der Doppeloxer-Kombination. Das kreidete sich Guerdat klar selbst und nicht seinem Pferd an. Guerdat liegt in der Einzelwertung nun auf Rang vier (0,43). Schon als erster Reiter hatte zum Auftakt der EM Springen Bryan Balsiger gut vorgelegt. Mit Dubai Bois du Pinchet ist er Elfter (1,12).

Deutschland am Ende besser als gedacht

Gut, nicht ganz gut, aber besser als gefühlt – so lässt sich das Abschneiden der Deutschen zusammenfassen. Philipp Weishaupt schaffte als dritter Teamreiter die erste – und einzige – Nullfehlerrunde für Deutschland. Der erst neunjährige Zineday ist das Pferd, von dem am Rand des Stadions viele Menschen sprachen. Nicht selten, nein, nahezu immer fiel dabei auch der Begriff „Olympia“. Doch first things first. Das weiß auch Weishaupt, der hochzufrieden war. Nicht nur mit dem Resultat (0,31/3.). Sondern vielmehr, wie sich der erst neunjährige Westfale insgesamt gestern und heute gezeigt habe.

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Springt alles, was ihm in den Weg gestellt wird: Zineday, mit neun Jahren eines der jüngsten Pferde der EM Springen 2023, mit Philipp Weishaupt Dritter nach dem Auftaktspringen. (© Pauline von Hardenberg)

„An Saft mangelt es ihm nicht“, erläuterte Weishaupt seine Vorbereitung. Gestern habe er den Braunen zweimal gearbeitet. Auch heute morgen habe er eine gute Stunde geritten, „Durchlässigkeit, immer wieder viel Schritt“ – das sei der Weg zum Erfolg für das Supertalent. Mühelos sprang der Zinedine-Sohn über die Abmessungen. Sorgen muss man da keine haben, wie es aussehen wird, wenn morgen in der ersten Runde, häufig das schwerste Springen im Verlauf eines Championats, die Auflagen noch einmal zwei Loch höher hängen.

Niebergs Premiere nicht wie erwünscht

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Leider sah es nicht immer so sicher und harmonisch aus, als Gerrit Nieberg und Ben unterwegs waren als erstes deutsches Teampaar. (© Pauline von Hardenberg)

Als erster deutscher Reiter war Gerrit Nieberg mit Ben als elfter Starter in den Parcours gekommen. Ben war wach, „an“. So kennt man den Wallach. Aber schon nach Sprung zwei kam das Paar zu dicht an den Einsprung der ersten Kombination. Die hintere Stange von 3a, einem Oxer, wurde ein Opfer von Bens Hinterhand. In der Folge wendete Nieberg eng auf die Mauer, 6, um die vier Strafsekunden zu kompensieren. Nach dem Wassergraben, 7, kam der Wallach dann überhaupt nicht auf die Reiterhilfen zurück, „nicht mehr den nötigen Druckpunkt gehabt“, sagte ein zerknirschter Gerrit Nieberg im Anschluss. Die Folge: Der dunkelblau-weiße Oxer mit den obligatorischen Uhren in den Ständern links und rechts zeigte dem 30-Jährigen, was die Stunde geschlagen hat. Die Stangen flogen. Und dann nahm Ben auch noch die folgende Planke sowie den Einsprung der letzten Zweifachen, 10a, mit. „Das habe ich mir deutlich anders vorgestellt“, so der Championatsdebütant. „Es wurde ein bisschen flutig“, er wolle den Ritt noch einmal in Ruhe analysieren. Als Streichergebnis rangiert das Paar nach dem ersten Springen auf Rang 63 (8,82).

Jana Wargers kann „auch schnell“

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Darf es noch etwas schneller sein im Stilspringen? Eine klasse Runde mit ärgerlichem Netzroller zum Auftakt für Jana Wargers und Limbridge. (© Pauline von Hardenberg)

Die zweite Teamreiterin für Deutschland war Jana Wargers. Ihr Holsteiner Limbridge schien erst nach den ersten drei Hindernissen realisiert zu haben, dass er nun den Wettkampfmodus einschalten sollte. Am ersten wackelte die Stange leicht, am Oxer, Sprung zwei, gab es einen Netzroller. Dann aber sprang der Limbus-Sohn von Sprung zu Sprung besser. „Er hat sich gut in den Parcours reingefunden“, sagt die 31-Jährige. Die scharfe Linkskurve vom blau-weißen Oxer auf das weiße Zaungatter ritt sie vielleicht am idealsten von allen Teilnehmern an. Das letzte Drittel war nur noch fliegen. Trotz des Abwurfs lag sie zunächst unter den Top Ten, „kein ganz schlechtes Resultat“, fand die Wahl-Belgierin mit einem Augenzwinkern.

Der Parcours sei „tricky“ gewesen, habe technisch anspruchsvolles Reiten verlangt. „Man muss schon sehr präzise reiten“. Sie hatte die bis dahin schnellste Zeit geschafft. 72,53 Sekunden – letztendlich wurde die Prüfung mit 71,98 Sekunden gewonnen  – da waren immerhin schon 35 von 85 Paaren über den Kurs geritten. „Da sieht man, dass ich doch auch schnell reiten kann“. Mit umgerechnet 2,28 Strafpunkten ist sie 21. Zum Auftakt der EM Springen in Mailand.

Marcus Ehning: „Fehler geht auf meine Kappe“

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Marcus Ehning und Stargold zeigten eine souveräne Runde mit nur einer kleinen, aber teuren, Unstimmigkeit, die der Reiter seinem Pferd nicht anlasten möchte. (© Pauline von Hardenberg)

Schlussreiter der Equipe war Marcus Ehning und bis zum Sprung sechs hielten alle im Stadion den Atem an. Denn wie Stargold unter seinem Ausbilder da mit minimalem Kraftaufwand über die Sprünge flitzte, das sah schon nach „irgendwo ganz vorne“ aus. Doch die Wendung vom offenen Wassergraben auf den dunkelblau-weißen Oxer wollte auch diesem Paar nicht ideal gelingen. „Die haben mich vorher alle ein bisschen verrückt gemacht, die sieben (Galoppsprünge) wären zu lang. Deswegen habe ich zu früh reingedreht. Ich weiß, dass er Oxer richtig gut springt. Ich hätte ein bisschen mehr ausholen müssen, dass ich ein bisschen mehr Schwung habe, dann wäre er darüber gesprungen“, sagt Marcus Ehning. Platz 24 klingt weit weg, aber 2,72 Strafpunkte können schon morgen Abend nach dem ersten Umlauf des Nationenpreises ganz anders klingen als heute.


Die Eröffnung vorm sportlichen Auftakt der EM im Springen fand heute Vormittag statt. Persönliche Anmerkungen dazu gibt es in unserem exklusiven täglichen Newsletter „Extrapost“, zu dem man sich hier anmelden kann, und der jeden Morgen ein Update bringt, was so war, auch hinter den Kulissen, und was der Tag bringen wird.


Deutsche gehen auf Bronzeposition in den Nationenpreis

Unterm Strich ist Team Germany Dritter (5,31) vor den Mannschaften aus Irland (6,0) und Österreich (8,77). Bei den Iren lieferte der Riesenbecker Eoin McMahon mit der von Ludger Beerbaum übernommenen Mila die beste Runde ab. 0,95, Platz acht, für McMahons Chef ein leicht verspätetes Geburtstagsgeschenk zum 60.

Max Kühner war erwartungsgemäß der Bringer im Team Österreich, wenngleich auch Elektric Blue P einen Abwurf verzeichnete (2,16/18.). Weniger gut lief es für die Briten, die lediglich Zehnte in der Teamwertung sind. Harry Charles als 22. liegt hier am besten im Rennen.

Kukuk und der verdammte letzte Sprung

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Mumbai weiß, wie es geht. Unter Einzelreiter Christian Kukuk sah es bis fünf Meter vorm Ziel nach einer absoluten Toprunde aus. Doch dann kam der letze Sprung… (© Pauline von Hardenberg)

Christian Kukuk guckte auch 20 Minuten nach seinem Ritt noch etwas ungläubig zurück. Mit seinem Olympiahengst Mumbai war er sicher, wenngleich es zweimal etwas knapp war, über den Parcours gekommen. Energisch galoppierte der routinierte Schimmel auf dem Grasboden. Immer im Vorwärts, nie gestört durch den Reiter. Und dieses Bild ergab sich eigentlich vom ersten bis zu den vorletzten Metern im Parcours. Wobei selbst zum letzten Sprung, die rote Planke am römischen Kampfwagen, die Distanz passte. Allein – Mumbai hatte einen deutlichen Fehler. „In neun von zehn Sprüngen wäre das gut gegangen“, ist sich Kukuk sicher. Mit 2,04 Strafpunkten ist er als deutscher Einzelreiter 17. Ohne den Abwurf auf den letzten Metern wäre er Zweiter.

Schimmel erhalten Stadionverbot

Die eigentlichen Stars dieses Springens waren zwei Pferde, die vor der ersten Wertungsprüfung den Parcours verlassen mussten. Zwei Schimmel, die eigentlich am letzten Sprung, dem römischen Kampfwagen, hätten rechts außen parat stehen sollen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Doch daraus wurde nichts. Auf massive Proteste von Reitern und Equipechefs wurden die Kunststoffrösser aus der Arena getragen. Die Angst der Reiter: Die Plastikpferde hätten die Hengste zu sehr an die Phantome, die bei der Samengewinnung in der Deckhalle zum Einsatz kommen, erinnern können. „Zwei lebensgroße Pferde“, schaudert es Christian Kukuk, „das wäre für meinen Deckhengst zum Problem geworden.“

Tatsächlich hat dieser Sprung, allerdings mit einem Gespann aus roten Plastikrennern, auch schon in Rom im Parcours gestanden. Viele Pferde hatten damals geguckt, der Schweizer Steve Guerdat war sogar an dem Sprung gescheitert – zwei Verweigerungen.

Um 13.15 Uhr beginnt morgen der erste Umlauf des Nationenpreis, gleichzeitig die zweite Wertungsprüfung. Für die Statistiker: Zwischen Platz eins und 34 liegt weniger als ein Springfehler, zwei sind es bis Platz 62.

So liegen die Mannschaften nach dem Zeitspringen zum Auftakt EM Springen 2023.

Hier finden Sie das Zwischenranking der Einzelwertung nach der ersten Wertungsprüfung.

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Jan TönjesChefredakteur

Chefredakteur ab 2012, seit 2003 beim St.GEORG. Pferdejournalist seit 1988. Nach Germanistik/Anglistik-Studium acht Jahre tätig bei öffentlich rechtlichem Rundfunk, ARD, SFB, RBB in Berlin. Familienvater, Radiofan, TV-erfahren, Moderator, Pferdezüchter, Podcasthost, Preise: Silbernes Pferd, Alltech Media Award. Präsident Internationale Vereinigung der Pferdesportjournalisten (IAEJ).